„Wir könnten heute über Vieles reden“, beginnt Dietmar Bitzenhofer das Gespräch, etwa über eine CO2-neutrale Verwaltung, über den dritten Schulstandort, über PV-Anlagen auf städtischen Dächern, über Kindergärten, Wohngebiete, Südumfahrung oder marode Parkhäuser. Aber das wolle er nicht. Weil ihm im Moment vor allem ein Thema am Herzen liege, erklärt der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler: „Die Innenstadt von Markdorf – das ist das Herzstück der Gemeinde.“
Eine Markdorfer Ruckrede
Der Name fällt nicht. Aber er steht im Raum. Der Name des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, der vor einem Vierteljahrhundert der Republik die Leviten gelesen hat. Weniger Ängstlichkeit, mehr Mut und Eigenverantwortung hatte Herzog im April 1997 in seiner berühmten „Ruckrede“ gefordert. Und ganz ähnlich mahnend klingt auch Dietmar Bitzenhofer.
Zwar wirft Bitzenhofer niemandem Phlegma im Sinne von Saumseligkeit vor, aber er sieht eine gewisse Trägheit der Prozesse, der Entscheidungsabläufe für die innerstädtischen Entwicklungen – die sogenannte Stadtentwicklung. „Schon bald könnte es zu spät sein“, mahnt er. Bitzenhofer betont, dass es dringender Weichenstellungen bedarf, damit Markdorf eine Zukunft behält. Damit die Stadt nicht ihre Attraktivität einbüßt. Sinngemäß habe er sich auch schon in der Vergangenheit öfter geäußert. Angesichts der aktuellen Krisen sei es nun aber endgültig allerhöchste Zeit.

„Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht“, erklärt der Freie-Wähler-Vorsitzende, „der sieht, wohin die Reise geht, Geschäfte schließen, andere sind schon leer.“ Und mancher Ladenbesitzer oder Café-Betreiber werde spätestens dann die Notbremse ziehen, wenn er demnächst drastisch erhöhte Energiekosten bezahlen muss.

Innenstadtbelebung zur Chefsache machen
„Leer stehende Geschäfte machen das Stadtbild düster und trübe“, erklärt Bitzenhofer. Attraktivität sei anders. Deshalb seien geeignete Maßnahmen zur gezielten innerstädtischen Wiederbelebung zu ergreifen. Eine Aufgabe, die in seinen Augen Chefsache sei. „Unter Umständen müssen die letzten überzeugenden Argumente vom Bürgermeister selbst kommen“, damit dieser oder jener doch noch über seinen Schatten springe. Aber nicht nur der Bürgermeister sei gefordert.

Mehr Schatten, mehr Begegnung
Aus Sicht Bitzenhofers bedeute mehr Vitalität auch, dass mehr Begegnungen in der Innenstadt möglich sind. „Wir brauchen in Markdorf einfach viel mehr Begegnungsorte“, findet er. Mehr Plätze, an denen die Markdorfer gerne verweilen, „mit schattenspendendem Grün, eventuell auch mit etwas Kioskähnlichem, an dem die Gastronomen Eis und Getränke anbieten.“

„Warum nicht den Pfarrgarten für die Bürger öffnen?“, fragt er. Überhaupt gelte es, die Kirchen ins Boot zu holen. Leerstand und Leerstandsmanagement seien auch ein Thema: Dort, wo Geschäfte schon geschlossen sind, heiße es, aktiv Nachfolger zu suchen, „ohne großen Bürokratismus und langwierigen Verwaltungsaufwand“. Vor dem Hintergrund, dass alles einladender wirkt als leere Ladenräume, sollten ungenutzte Geschäfte für gemeinwohlorientierte Ideen offen stehen. Und schließlich fordert Bitzenhofer mehr Aufmerksamkeit für „Dornröschen-Immobilien“. Von denen gebe es etliche in Markdorf. Sie gelte es durch geeignete Nutzung wachzuküssen.
Keine leichte Aufgabe
„Einfach ist das alles nicht“, räumt er selbst ein. Damit die dringend notwendige Revitalisierung der Markdorfer Innenstadt gelingen kann, „braucht es Menschen mit Tatkraft und Optimismus, keine Mundwerker, sondern Handwerker“, zitiert er seinen verstorbenen Ratskollegen Anton Eichenhofer.
Alle müssen mitgenommen werden
„Jeder sollte sich fragen, was kann ich bewegen“, erklärt Bitzenhofer. Stets aber müsse an die Kosten gedacht werden. Zum Beispiel beim jüngst im Rat geäußerten Wunsch, den Ochsenbach wieder freizulegen. „Sicherlich für viele Markdorfer ein Wunschgedanke und bei dem einen oder anderen werden sie offene Türen einrennen“, vermutet er. Und: „Sicherlich hätte das seinen Charme.“ Aber, so gibt er zu bedenken: „Nachdem wir jetzt endlich nach vielen Jahrzehnten mit der Umgestaltung am Latscheplatz eine funktionierende Verbindung der Zäsur Stadtgrabenstraße geschaffen haben, wollen wir doch nicht gleich wieder offenlegen?“

Das Ochsenbachprojekt würde Millionen verschlingen. „Machen wir nicht noch weitere Baustellen auf“, mahnt Bitzenhofer und bezieht sich auf die jüngsten Warnungen von Stadtkämmerer Michael Lissner.