Wenn jemand geeignet gewesen wäre, seinen eigenen Nachruf zu verfassen, dann Michael Benz. Er war am 1. Oktober im Alter von 76 Jahren plötzlich und unerwartet gestorben und wurde am Donnerstag im engsten Familienkreis beerdigt. Der „Becher“-Wirt und langjährige Kommunalpolitiker war eine wuchtige, raumgreifende Persönlichkeit, wortgewaltig und ebenso selbstbewusst wie selbstironisch.
39 Jahre ununterbrochen im Gemeinderat
Als er 2014 ankündigte, er werde nicht mehr für den Gemeinderat kandidieren, dem er für die Freien Wähler 39 Jahre lang ununterbrochen angehört hatte, fragte ihn der SÜDKURIER, was er rückblickend gern anders gemacht hätte. „Das ist eine theoretische Frage“, rief Benz da und warf die Arme in die Luft. „Sie können nur mit dem Besteck klappern, das Sie haben.“ Man könne sowieso nicht aus seiner Haut raus, meinte er und lieferte gleich eine Selbstbeschreibung, nicht ohne kurz darauf grinsend zu behaupten, er könne sein eigenes Geschwätz nicht mehr hören: „Temperamentvoll, manchmal zu laut, manchmal zu leise.“
Der Gemeinderat: Er konnte richtig streiten, wenn ihm etwas wichtig war
Letzteres allerdings war er, zumindest im Gemeinderat, eher seltener. Benz konnte richtig streiten, wenn ihm etwas wichtig war, zum Beispiel die Kultur oder der Erhalt städtischer Wohnungen, aber auch, wenn ihm etwas nicht passte. Dann kam es schon mal vor, dass er weiterredete, auch nachdem ihm das Stadtoberhaupt bereits das Wort entzogen hatte. Klein beigeben war Benz’ Sache nicht.
Fünf Stadtoberhäupter hat er erlebt
Apropos Stadtoberhäupter: Vier Bürgermeister und eine Bürgermeisterin hat er als Gemeinderat erlebt. Der Erste war Horst Eickmeyer, der Benz dazu animiert hatte, sich den Freien Wählern anzuschließen und 1975 erstmals – und gleich erfolgreich – für den Rat zu kandidieren. Benz sah Eickmeyer als seinen politischen Ziehvater, schätzte dessen Verdienste – und gestand dennoch schmunzelnd: „Ich habe mit ihm genauso gestritten wie mit jedem anderen Bürgermeister danach.“ Etwa über die neue B 31, für die, neben anderen, der Wirtekreis stark gekämpft hatte.
Markus Waibel, sein langjähriger politischer Weggefährte und Nachfolger als FW-Fraktionssprecher im Rat, bezeichnete Benz in seiner Traueransprache als Freigeist. Für viele sei es oft nicht einfach gewesen, „mit diesen freien Meinungen umzugehen. Er war ein Mensch, der polarisierte, oft auch ohne Rücksicht auf Familie und Beruf.“
Markus Waibel: „ein unglaublich gebildeter und warmer Freund“
Aber Benz hatte auch eine ganz andere Seite. So betonte Waibel: „Wer ihn näher kennenlernen durfte, der fand in ihm einen unglaublich gebildeten und warmen Freund.“ Darüber hinaus war Benz ein charmanter Gastgeber und hingebungsvoller Familienmensch. Seine Tochter Martina Benz erzählt: „Als Vater war er total lieb und als Opa auch.“ Seine vier Enkelinnen und sein Enkel, die Kinder von Martina und ihrer älteren Schwester Lisa Benz, seien sein Ein und Alles gewesen.
Martina Benz: Der Vater sei traditionsbewusst gewesen, aber nicht konservativ
„Einerseits war er traditionsbewusst“, erinnert sich Martina Benz. So sei er, als sein Vater Hilfe im „Becher“ brauchte, als junger Mann sofort aus den USA zurückgekommen, wo er als Küchenchef arbeitete. „Andererseits war er überhaupt nicht konservativ, auch uns Kindern gegenüber nicht.“ Beide Eltern seien sehr tolerant gewesen. Als Beispiel erzählt sie: „Ich hatte auch mal bunte Haare, doch da gab‘s überhaupt keine Diskussionen.“ Als die junge Martina beim Aufbau des Überlinger Jugendzentrums „Rampe“ mitwirkte, „durfte ich mir Kochtöpfe ausleihen. Mein Vater hat alles unterstützt.“ Und er sei ein stückweit auch Weltbürger gewesen. Ihren Mann, der aus den USA stammt, habe er mit den Worten aufgenommen: „Ich bin ja auch Amerikaner.“
Martina Benz ist promovierte Politikwissenschaftlerin und interessierte sich schon früh für gesellschaftliche und soziale Themen. Als der SÜDKURIER 2014 über ihr Buch über geringfügig bezahlte Migranten und ihre Arbeitsbedingungen in den USA berichtete, sagte sie: „Ich bin von zuhause aus so erzogen worden, dass es gut ist, wenn man mitredet.“

Ihr Vater redete auch nach seiner aktiven Zeit als Kommunalpolitiker weiter mit, meldete sich zu Wort, wenn er fand, dass ein Thema in die Öffentlichkeit gehörte, sei es eine städtische Angelegenheit oder ein Einzelschicksal. Das tat er bis kurz vor seinem Tod. So erinnerte sich Waibel bei Benz’ Beerdigung: „Vor zwei Wochen haben wir uns noch über anstehende Fragen in der Kommunalpolitik unterhalten, natürlich bei dampfenden Töpfen in seiner Küche.“ Denn auch dort war Benz bis zuletzt aktiv. „Er wollte es so“, sagt Tochter Martina.
Michael Benz setzte auch auf traditionelle badische Speisen mit Attributen moderner Küche
Ein Nachruf wäre auch nicht komplett, ohne Benz’ Kochkünste zu würdigen, die ebenfalls seine vielseitige Art widerspiegeln: Er bereitete traditionelle badische Speisen zu, aber „verfeinert mit den Attributen der modernen Küche“, wie er es selbst treffend beschrieb. So setzte Benz auch Gerichte auf die Karte, an die sich nur noch wenige trauen, wie Kalbsnieren, und verlieh ihnen eine eigene Note – indem er etwa, wie er verriet, in die Soße auch eine Prise Colman‘s Senfpulver mischte, das er in den USA kennengelernt hatte. Und Rösti machte sowieso keiner so gut wie er.
Seine geliebte Wirkstätte und Heimat, eines der schönsten Wirtshäuser am Bodensee, die Winzerstube „Zum Becher“, bleibt auch nach seinem Tod geöffnet. „Der Betrieb geht weiter“, teilen Benz’ Töchter mit.