Dem Meersburger Zunftmeister Norbert Waßmer fiel das Canceln der Traditionsereignisse, zu denen auch Hemdglonkerumzug, Kinderball, Kärrelerennen, Wizubergschwätz und Preisschnellen zählen, sichtlich schwer. So habe er ein Narrenbaumstellen gewollt, wie es mit der 2G-Regel auch möglich gewesen wäre. Doch die Mehrheit des Zunftvorstands habe das aufgrund des damit verbundenen „Riesenaufwands“ abgelehnt. Zu Letzterem zählten ein Hygienekonzept und umfassende Zugangskontrollen.
Waßmer hätte das Narrenbaumstellen gern durchgezogen

Waßmer, der nach der närrischen Saison 2022 sein Amt als Zunftmeister aus gesundheitlichen Gründen abgeben will, bekräftigt resolut: „Ich hätte das Narrenbaumstellen durchgezogen – auch als Signal, dass es jetzt reicht.“ Die Corona-Auflagen würden immer absurder, kritisiert er. Aber natürlich leiste man ihnen Folge. Deshalb ist auch am Schmotzigen Dunschtig kein offizielles Programm vorgesehen. Jedoch werde eine kleine Abordnung der Narren – von draußen und mit Abstand – erst den Kindergarten und die Schule befreien und dann auch den Bürgermeister absetzen. Waßmer hebt hervor: „Ganz ohne Fasnet aus dem Amt scheiden will ich nicht.“
Fußgängerzone und Therme wären Steilvorlagen fürs „Allerlei“ gewesen
An Stoff für das nun schon zum zweiten Mal ausfallende „Allerlei“, den traditionellen bunten Abend, der am 11. Februar Premiere hätte, mangelte es Waßmer genauso wenig wie zwei anderen langjährigen Bühnen-Akteuren, Thomas Mackowiak und Markus Waibel. Spontan nennen alle drei unabhängig voneinander sofort das Stichwort Fußgängerzone, ein Projekt, das die Stadt vom 15. August bis 31. Oktober in der Altstadt ausprobierte. Vor allem die zeitlich limitierten Anfahrtszeiten für Lieferanten und Anwohner sorgten dabei für reichlich Gesprächs- und Zündstoff.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist die finanziell angeschlagene Therme, die programmatisch neu aufgestellt werden soll. Waßmer hätte gern darüber sinniert, wie „man den Pleitegeier wieder füttern kann, damit ihm nicht ganz die Federn ausfallen“.

Und der Waibel-Clan, der in vergangenen Jahren als freche Familie Dachs die Bretter zum Beben brachte, wäre gleich mit baden gegangen – und noch dazu personell verstärkt. Denn die Dachse haben Nachwuchs bekommen. Tochter Hannah brachte die kleine Leni zur Welt und schenkte den Altdachsen so das erste Enkelkind. „Das wäre gleich noch in der Therme getauft worden“, scherzt Waibel.
Familie Waibel will am Schmotzigen vielleicht spontan auf die Gass‘
Auch für den Bürgermeister, der laut Waßmer und Mackowiak wenig Angriffspunkte bietet, hätte Waibel, der für die Freien Wähler auch im Stadtrat sitzt, schon eine Botschaft: „Du sollst regieren und nicht Everybody‘s Darling sein.“ Waibel unterstreicht: „Narretei und Spiegel vorhalten, das darf nicht aussterben.“ Über Fasnet würden er und seine Frau Claudia wohl arbeiten. Doch vielleicht gingen sie am Schmotzigen Dunschtig spontan auf die Gass‘. „Wir haben einen Riesen-Fastnachtsfundus. Wir müssen morgens um neun nur den Schrank aufmachen, dann finden wir was.“ Und vielleicht gibt‘s auch 2022 wieder ein Narrenbaumstellen en miniature. Im vergangenen Jahr hatten Waibels jedenfalls ihren entsprechend gestutzten und umdekorierten Christbaum dem Bürgermeister vor die Rathaustür gesetzt.
Bei Mackowiaks steht schon ein Narrenbäumle

Mackowiaks haben dieses Jahr bereits einen Narrenbaum gestellt, fachgerecht mit Seil und Schwalbe – auch wenn das Bäumle gerade mal 1,50 Meter groß ist und in den Garten von Sohn Dominik gepflanzt wurde. Mackowiak betont: „Fasnet findet statt – und wenn‘s nur in Gedanken ist.“ Doch manchmal brauchen Gedanken auch Futter. Letzteres liefern Mackowiak und sein Freund Peter Schmidt auch abseits der offiziellen Pfade der Schnabelgiere-Zunft, der sie seit langem angehören. So brachten die Beiden pünktlich zum 11.11.2021 erstmals und in einer Auflage von 100 Stück einen närrischen Kalender heraus, von dem es nur noch einige Restexemplare gibt. Außerdem sind sie Herausgeber des Narrenblättles „Fenstergucker“, dessen zweite Ausgabe ab dem Schmotzigen Dunschtig erhältlich sein wird.
Narrenmesse erneut nur für geladene Gäste, aber dann auch online

Gleichermaßen humorvolle wie tiefgründige Denkanstöße versprechen der närrische Gottesdienst mit dem katholischen Stadtpfarrer Matthias Schneider sowie ein närrischer Glaubensspaziergang durchs Städtle, den die begeisterte Fastnachterin Susanne Reichle zusammengestellt hat. Die Narrenmesse kann dieses Jahr in der Kirche erneut nur mit geladenen Gästen stattfinden, aber am 19. Februar und danach auch virtuell besucht werden.
Erster Glaubensspaziergang durchs Städtle mit neun Stationen
Reichle, von Beruf Sonderpädagogin, hat aus eigenem Antrieb umfangreiches Material für einen Spaziergang durchs Städtle mit neun Stationen zusammengestellt, die in der Fasnet eine Rolle spielen. Er führt vom Knabenmusikerbrunnen bis zur Stadtpfarrkirche. Das Material kann man aus dem Internet von der Homepage der Schnabelgiere-Zunft herunterladen.
Reichles Tour richtet sich an jeden, „egal, ob du närrisch bist oder nicht, gläubig oder nicht“. Die Spazierenden sollen dabei verschiedene fastnächtliche Akteure wie Glonke, Hänsele oder den Schnabelgiere besser kennenlernen – aber auch sich selbst. Reichle hat sich gut überlegt, welche Eigenschaften zu der jeweiligen Figur passen, und ermuntert die Spaziergänger, in unterschiedlichen Farben jene Aussagen zu markieren, die auf sie selbst gut oder gar nicht zutreffen.

Die ersten 20 Wimpel hängen schon in der Kirche
Bei der letzten Station in der Kirche kann jeder seine Gedanken auf einen der bereitliegenden Wimpel schreiben und diesen an eine Schnur hängen. Obwohl der Spaziergang erst seit kurzem online stehe, habe sie bereits die zweite Schnur angebracht, denn die erste sei mit rund 20 Wimpeln schon voll bestückt, freut sich Reichle. Sie selbst ist in keiner festen Fasnetsgruppe, aber närrisch – und gläubig. Sie bezeichnet sich als „kritisch römisch-katholisch“ und wünscht sich, dass ihr Spaziergang das Bewusstsein vermittle, „dass jeder Job wichtig ist, ob in der Fasnet oder der Kirche. Jeder hat irgendein Talent oder eine Fähigkeit. Und sei‘s als Zuschauer.“ Denn deren Freude strahle auf die Akteure zurück und befeuere sie. Reichle jedenfalls wird auch dieses Jahr mit ihren Freundinnen im Fasnetshäs unterwegs sein. „Wir gehen als Zwerge und säen Hoffnung.“
Wo gibt‘s was zur Fasnet in Meersburg?
- Narrenblättle: Die zweite Ausgabe des Meersburger „Fenstergucker“ gibt‘s ab Schmotzigen Dunschtig, 24. Februar, in der Bäckerei Stüble-Wurster und bei Optik Feldmann.
- Narrenmesse: Der lustige Gottesdienst mit Pfarrer Matthias Schneider kann am 19. Februar ab 14 Uhr auf dem Youtube-Kanal der Seelsorgeeinheit Meersburg verfolgt werden und ist auch danach dort abrufbar. Der Link findet sich auch auf der Homepage der Narrenzunft Schnabelgiere.
- Närrischer Glaubensspaziergang: Das umfangreiche Material, das Susanne Reichle erarbeitet hat, steht gratis online zur Verfügung und zum Ausdrucken.