Meersburg „Wäre sie ein Mann gewesen, wäre ihr Leben besser dokumentiert“, sagte Christine Zureich bei ihrer Lesung über das Leben der internationalen Künstlerin Marianne „My“ Ullmann. Bei den Droste-Literatur-Tagen las die Autorin im Fürstenhäusle aus ihrer fast abgeschlossenen Romanbiografie mit dem Arbeitstitel: „Und alles, alles, was sich bewegt“ sowie aus ihrem Dialog mit der Lyrikerin Sofie Morin.

Zureich hat die Malerin, Grafikerin und Bühnenbildnerin als 18-Jährige während ihres freiwilligen sozialen Jahrs gepflegt und kennengelernt, als diese schon leicht dement war. Die Autorin schildert deren Einsamkeit, fragt sich, wie die damals 83-Jährige „so geworden ist, wie sie ist“: Sie sprach sehr laut, unfreundlich und teils vulgär. Ihr Charakter sei schwierig gewesen. „Sie hat Männer gehasst und Gewalt erfahren, das hat ihr Leben geformt und sie hart gemacht.“ Obwohl sie in eine reiche Familie geboren wurde, begabt war, gefördert wurde und als 1905 Geborene schon früh emanzipiert war, Führerschein und Flugschein hatte, habe sie in der damaligen schweren Zeit für freiheitsliebende Frauen lernen müssen, sich durchzusetzen.

Christine Zureich verdeutlichte dies anhand eines ihrer vorgelesenen Bilder – wie sie die Kapitel ihrer Romanbiografie nennt. Darin beschreibt sie einen Tag an der Wiener Kunstgewerbeschule mit sexuellem Übergriff und der Überheblichkeit des Professors, der ihr nicht zutraut, dem Hammer einen Nagel mit in die Wand zu schlagen. Mit einem Gedicht als dritten Teil über die Künstlerin beendete Zureich ihre Lesung. Das fast ausschließlich weibliche Publikum spendete Applaus und nutzte die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Die Autorin berichtete dabei unter anderem über Ullmanns Enkel, denen nicht bewusst war, eine kunstschaffende Oma gehabt zu haben. Manuela Müller-Windisch, frischgebackene Präsidentin des Internationalen Bodensee-Clubs (IBC), bilanzierte: „Durch den dreiteiligen Vortrag sehe ich diese, mir vorher vollkommen unbekannte Frau, regelrecht vor mir.“