Kann die Gäubahn-Kappung doch noch gestoppt werden? Ein geändertes Gesetz macht Experten Hoffnung
Ab März 2027 soll die Gäubahn in Stuttgart-Vahingen enden. Doch das Allgemeine Eisenbahngesetz könnte der Stadt Stuttgart einen Strich durch die Rechnung machen. Dabei geht es eigentlich nur um einen Paragrafen.
Ein Intercity-Zug fährt auf der Panoramastrecke in den Stuttgarter Talkessel hinunter.
| Bild: Bernd Weißbrod, dpa
Matthias Gastel ist mit der Gäubahn gekommen – und sie war pünktlich. Der Bahnexperte der Grünen-Bundestagsfraktion ist Bundestagsabgeordneter auf den Fildern und deshalb von Haus aus am Schicksal der Gäubahn-Anrainer interessiert. Zum Bahnsteiggespräch mit der Singener Landtagsabgeordneten Saskia Frank (Grüne) bringt er eine neue Idee mit, wie sich die Gäubahn-Kappung noch verhindern ließe.
Denn die ist zwar um ein Jahr verschoben, weil die Fertigstellung des Tiefbahnhofs länger braucht, wird aber ab März 2027 die Gäubahn-Pendler jahrelang ausbremsen. Dann endet die Verbindung von Zürich und Singen in die baden-württembergische Landeshauptstadt am S-Bahnhof Stuttgart-Vaihingen, bis der geplante Pfaffensteigtunnel fertiggestellt ist.
Dessen Bau – darunter 10,8 Kilometer durch den Untergrund – soll offiziell bis Ende 2032 fertig werden. Solange mindestens also wäre für Gäubahn-Pendler auf dem Weg zum Stuttgarter Hauptbahnhof in Stuttgart-Vaihingen ein lästiger Umstieg in die S-Bahn angesagt. Wenn das Eisenbahn-Bundesamt da nicht noch dazwischengrätscht.
Steht das Allgemeine Eisenbahngesetz dagegen?
Genau das ist Gastels Hoffnung und Erwartung. Hintergrund ist das Allgemeine Eisenbahngesetz, dessen Paragraf 23 der Bundestag unmittelbar vor der Sommerpause neu gefasst hat. Darin wird definiert, unter welchen Bedingungen Flächen, die für Bahnzwecke genutzt sind, entwidmet und anderen Nutzungen zugeführt werden können. „Die Koalition hatte sehr kurzfristig einen Änderungsantrag zu ihrem eigenen Gesetzentwurf eingebracht – und bei dieser Hauruckaktion haben sie, möglicherweise ungewollt, die Lage für Stuttgart verschärft“, sagt Gastel.
Eine Entwidmung kann demnach erwogen werden, wenn kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht oder für die Eisenbahninfrastruktur ein Ersatz geschaffen worden ist. Beides aber sei bei der fraglichen Strecke zwischen Nord- und Hauptbahnhof in Stuttgart nicht der Fall: Das Verkehrsbedürfnis besteht ja weiterhin und der Ersatz – der Pfaffensteigtunnel – ist noch längst nicht gebaut. „Da kann noch viel dazwischenkommen“, sagt Gastel.
Eisenbahnrechtler stützt Gastels These
Dass das neu gefasste Gesetz so interpretiert werden muss, ist nicht Gastels alleinige Ansicht. Der Abgeordnete aus Filderstadt hat ein Rechtsgutachten erstellen lassen. Der Passauer Rechtsprofessor Urs Kramer, einer der wenigen Juristen auf dem Gebiet des Eisenbahnrechts, kommt zu der Einschätzung, dass die Strecke nicht entwidmet werden kann.
Betroffen wären die Gleise zwischen Nord-Halt und Hauptbahnhof. Die sogenannte Panoramastrecke, auf der die Gäubahnzüge derzeit von Vaihingen in den Talkessel hinunterfahren, soll auch künftig noch für Zug- oder S-Bahn-Verkehr genutzt werden. Im Zentrum aber will die Landeshauptstadt Fläche für Bebauung gewinnen.
Die Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Singen, Saskia Frank (Grüne) hat ihren Parteikollegen Matthias Gastel zum Bahnsteiggespräch geladen. Im Hintergrund hält die Gäubahn auf dem Weg nach Zürich.
| Bild: Angelika Wohlfrom
Für Matthias Gastel ist hingegen klar: „So einfach, wie es sich Deutsche Bahn und Landeshauptstadt Stuttgart machen, ist es nicht. Während ein Großteil der oberirdischen Gleise ihre Funktion mit der Eröffnung des Tiefbahnhofs verlieren, gibt es für die Gleise der Gäubahn keinen Ersatz. Das Land hat den Verkehr bis zum Hauptbahnhof und nicht nur bis Stuttgart-Vaihingen bestellt.“
Eine Rückfrage des SÜDKURIER beim Eisenbahn-Bundesamt in Karlsruhe ergibt, dass für die genannten Flächen noch keine Freistellungsanträge vorliegen, so dass auch keine weitergehende Einschätzung möglich sei.