Herr Benz, Sie sind vor fast genau einem Jahr an die Zeppelin-Spitze gerückt und mussten gleich den größten Zukauf in der Firmengeschichte verdauen. Wie läuft es?
Matthias Benz: Die Übernahme der Caterpillar-Händlergebiete von Pon in den Niederlanden und Norwegen ist tatsächlich von großer wirtschaftlicher Bedeutung für Zeppelin. Er hat uns auf einen Schlag ein Umsatzplus von 1,1 Milliarden Euro und 2000 neue Mitarbeiter gebracht. Die Vorarbeit hat mein Vorgänger Peter Gerstmann geleistet. Ich war derjenige, der den Elfmeter verwandeln durfte, bin in dem Spiel aber erst in der 80. Minute auf den Platz gekommen. Zusammen mit einer bereits 2020 durchgeführten Übernahme in Schweden und Dänemark ist Zeppelin nun stückzahlmäßig der größte Händler von Caterpillar Baumaschinen weltweit.
Was macht der Zukauf eines so großen Geschäfts mit einem Unternehmen wie Zeppelin?
Benz: Mit den Übernahmen geht ein Kulturwandel einher. Garching und Friedrichshafen sind jetzt nicht mehr der Nabel der Zeppelin Welt. Ablesen lässt sich das zum Beispiel daran, dass Zeppelin mindestens genauso viele nicht-deutschsprachige Mitarbeiter wie deutschsprachige hat. Das verändert auch die Firmenkultur. Wir sind jetzt ein echt internationales Unternehmen in 29 Ländern.

Strategisch bleibt alles beim Alten?
Benz: Nein, Zeppelin steht aus mehreren Blickwinkeln vor Veränderungen. Wir haben durch die Zukäufe eine Größe von fünf Milliarden Euro Umsatz erreicht, in der eine grundsätzliche Neuaufstellung nötig ist. Die neuen Vertriebsgebiete einfach an die bestehende Organisation anzuflanschen, reicht nicht mehr aus. Außerdem ist die Zeit des immerwährenden Wachstums bei Zeppelin vorbei. Das ist die harte Botschaft.
Warum das? Sie haben uns doch gerade erklärt, dass Zeppelin so viel Umsatz macht wie nie?
Benz: Dieses Wachstum rührt aber überwiegend von Zukäufen her und ist nicht allein organisch. 2024 hatten wir zum ersten Mal seit 13 Jahren mit erheblichen Umsatzrückgängen aus dem Verkauf von Baumaschinen in vielen Schlüssel-Märkten zu kämpfen. Teilweise waren das Einbrüche von 20 oder 25 Prozent.
Was bedeutet das?
Benz: Als ich im Jahr 2024 bei Zeppelin an Bord kam, war alles auf weiteres Wachstum ausgerichtet. Die Prozesse, die Strukturen und die Personalplanung. Das müssen wir nun korrigieren. Der organisatorische Anzug, in den wir hineingewachsen sind, zwickt mittlerweile an einigen Stellen. Wir brauchen einen neuen.

Sie sind also der Zeppelin Chef der schlechten Nachrichten?
Benz: Ich bin ein Firmenchef, der mit anderen Herausforderungen umgehen muss als sein Vorgänger. Wir müssen bei den Kosten auf die Bremse treten und mit weniger Personal in der Verwaltung auskommen. Erste Schritte habe ich gleich nach meinem Eintritt ins Unternehmen eingeleitet. Seitdem steht die Effizienzsteigerung und Ergebnissicherung bei Zeppelin oben auf der Agenda.
Was genau beinhalten die Kosten- und Sparmaßnahmen?
Benz: Wir hinterfragen jeden Jobaufbau in Verwaltungsfunktionen. Als Resultat haben wir im bisherigen Jahresverlauf deutlich weniger Mitarbeiter neu eingestellt als letztes Jahr. Gleichzeitig laufen Programme zum freiwilligen Ausscheiden von Mitarbeitern aus dem Unternehmen, etwa über Abfindungsprogramme oder Altersteilzeit. All diese Maßnahmen sind mit dem Betriebsrat abgestimmt. Und sie haben dazu geführt, dass wir 2025 voraussichtlich das Ergebnis aus dem Vorjahr halten können.
Wie sehen denn die Kennziffern zum Halbjahr 2025 aus?
Benz: Wir sind beim Ergebnis auf Plan und werden einen Gewinn erzielen, der nahezu auf dem Niveau des Vorjahres liegt. Angesichts des weiterhin sehr fordernden konjunkturellen Umfeldes ist das ein Erfolg, der mit einem Weiter-so nicht möglich gewesen wäre.

Die Bundesregierung macht gerade Milliarden für neue Infrastruktur frei. Sparen Sie in einen möglichen Aufschwung hinein?
Benz: Was die Verkäufe von Baumaschinen in Deutschland angeht, sind wir 2024 auf ein Niveau der Jahre 2017 und 2018 zurückgefallen. Die Jahre dazwischen würde ich für uns als Sonderkonjunktur bezeichnen. Wir sind jetzt in gewisser Weise wieder in der Normalität angekommen, und wir müssen unsere Kostenstrukturen wieder auf dieses Niveau zurückführen. Dann werden wir auch dauerhaftgutes Geld verdienen. Wir können nicht nur aufs Prinzip Hoffnung setzen.
Wie geht es jetzt weiter?
Benz: Es deutet sich an, dass die Talsohle 2025 erreicht ist. Auf der diesjährigen Bauma – der weltweit größten Messe für Baumaschinen – konnten wir sehr viele Neuaufträge gewinnen. Wir haben im laufenden Jahr einen hervorragenden Auftragseingang an Baumaschinen, der allerdings erst in Umsatz umgemünzt werden muss.
Wird weiter gespart?
Benz: Wir brauchen auch strukturelle Reformen im Konzern. Unsere Geschäftseinheiten haben sich in den vergangenen Jahren zu kleinen Konzernen im Konzern entwickelt. Wir hinterfragen daher gerade auf jeder Ebene, welche Funktionen in Zukunft noch nötig sind und stellen die Frage, was vereinheitlicht werden kann und wo wir schlanker werden müssen. Da spielt mit hinein, dass wir 2000 neue Mitarbeiter aus der jüngsten Übernahme ins Unternehmen integrieren müssen. Wir müssen es hinbekommen, im Geschäft zu wachsen, ohne dass unsere administrativen Strukturen mitwachsen. Das ist mein Ziel und da sind wir auf einem guten Weg.

Welche Stellen stehen im Fokus Ihrer Sparbemühungen?
Benz: Es geht vorrangig um die Verwaltung und die Zentralfunktionen, der sogenannte Overhead. Hier müssen die Kosten runter. In anderen Bereichen stellen wir sogar ein. Im Moment suchen wir händeringend Servicetechniker.
Läuft das konfliktfrei, auch mit Blick auf den Betriebsrat?
Benz: Wir machen diese Veränderungen mit den Mitarbeitern und nicht gegen sie. Die langfristige Wettbewerbsfähigkeit leitet unser Tun. Der Betriebsrat ist eng eingebunden und unterstützt die Maßnahmen. Wir ringen um die richtigen Lösungen, konnten uns bisher aber danach immer noch in die Augen schauen. Das Ziel ist, dass Zeppelin auch in Zukunft fit ist. Ich habe von Peter Gerstmann eine gesunde Bilanz übernommen, aber es geht nun darum, dies auch für die Zukunft im Interesse der Mitarbeiter und des Gesellschafters sicherzustellen. Das ist jetzt ein Fitnessprogramm für Zeppelin. Da müssen wir gemeinsam durch.
Mit einer Umsatzrendite von nicht einmal drei Prozent, gemessen am Vorsteuerergebnis, ist Zeppelin nicht sehr ertragsstark. Wie profitabel soll Zeppelin denn werden?
Benz: Intern haben wir das Ziel, eine Marge von mindestens sechs Prozent zu erreichen. Das Geld, das wir erwirtschaften, ist nicht dazu da, einen Aktienkurs zu stützen oder den Managern Boni auszubezahlen, sondern fließt gänzlich zurück ins Unternehmen. Durch die Übernahme des Cat-Geschäfts von Pon haben sich unsere Verbindlichkeiten im mittleren dreistelligen Millionen-Bereich erhöht. Wir sind bilanziell absolut gesund, unser Ziel ist es jedoch, diese Verbindlichkeiten innerhalb von fünf Jahren wieder abzutragen.

Bleibt noch Geld für Investitionen übrig?
Benz: Dafür ist Geld da. Wir investieren zum Beispiel in neue Software (ERP) und neue Produkte, etwa um dezentrale Lösungen für den Energiemarkt der Zukunft anzubieten.
Jenseits des Baumaschinenhandels hat Zeppelin noch andere Geschäftsfelder. Wie laufen die?
Benz: Mit unseren Produkten bedienen wir nahezu alle Megatrends wie Energiewende und Speicher, Hochbau, Infrastruktur oder Recycling. Wir haben in diesen Bereichen so viele Chancen, dass wir sehr optimistisch in die Zukunft blicken können. Mit der neuen Aufstellung wollen wir den Konzern-Umsatz bis 2030 von fünf auf sieben Milliarden Euro steigern.
Weltwirtschaftlich gibt es Gegenwind. Wie stark bremst Sie der Zollkrieg mit den USA aus?
Benz: Wir sehen bis heute durch die US-Zölle sehr geringe bis keine Belastungen. Der Großteil unserer Cat-Baumaschinen wird nicht aus den USA geliefert. Die Mobilbagger kommen vorwiegend aus Frankreich, die Kettenbagger teilweise aus Japan. Aus den USA kommen vor allem große Minenfahrzeuge, die jedoch nicht für den Großteil unseres Umsatzes verantwortlich sind. Wichtig ist, dass sich der Zollkrieg nicht auf andere Länder ausweitet.
Ist die Ukraine noch ein Markt für Zeppelin?
Benz: Wir haben in der Ukraine rund 150 Mitarbeiter und liefern neben Baumaschinen auch große Stromgeneratoren, um die Energieversorgung dort aufrecht zu halten. Sobald dort Frieden herrscht, wird die Ukraine einen großen Aufbaubedarf haben. Daher ist und bleibt das Land für uns hochinteressant.
Was ist mit dem Standort Friedrichshafen?
Benz: In Friedrichshafen ist schwerpunktmäßig das Zeppelin Geschäft mit großen Industrie-Anlagen, etwa für die Chemiebranche, beheimatet. Die Produktion der Kunden wandert hier seit einigen Jahren in Länder ab, in denen Energie günstiger ist. Das ist kein Konjunktur-, sondern ein Strukturthema. Daher müssen wir derzeit auch in Friedrichshafen Personal anpassen, stehen aber uneingeschränkt hinter dem Standort. Das sage ich nicht nur als Zeppelin-Chef, sondern auch als geborener Häfler.

Bundeswirtschaftsministerin Reiche geht gerade daran, bei der Energiewende einen Gang herauszunehmen. Trifft das Zeppelin?
Benz: Es ist völlig klar, dass Deutschland eine Energiewende braucht. Die Frage ist, in welcher Geschwindigkeit und zu welchen Kosten. Die Energieversorgung wird dezentraler und CO2-reduzierter. Das ist einer der Wachstumspfade, die Deutschland und Zeppelin in die Zukunft tragen werden. Ob es dabei ein oder zwei Jahre länger dauert, spielt keine Rolle. Ich bin daher optimistisch. Das ständige Schlechtreden von Deutschland als Standort regt mich auf. Das Glas ist halb voll und nicht halb leer.
An der Standort-Kritik ist also nichts dran?
Benz: Hohe Energiepreise und Bürokratie sind natürlich ein Thema. Und wahrscheinlich haben manche in Deutschland auch vergessen, dass wir in einem harten internationalen Wettbewerb stehen. Aber wir brauchen in Deutschland gar nicht so viele Schalter umzulegen, um wieder erfolgreich zu sein. Deutschland ist noch immer ein guter Standort, in dem man produzieren, Gewinne machen und gut ausgebildete Menschen beschäftigen kann. Wir müssen nur weniger lamentieren und mehr anpacken und zu einer pragmatischen und vernunftgesteuerten Politik zurückkehren – dann werden wir auch wieder zur “Umsetzungsrepublik Deutschland“.