Die Hanse 360 ist ein schönes Schiff. Elegante Seitenline, geräumiges Cockpit und eine Kajüte, in der bis zu sechs Erwachsene Platz finden. Ein Kühlschrank ist an Bord und sogar ein kleines Bad kann auf Wunsch eingebaut werden. Es ist so etwas wie ein Familien-Caravan, nur eben auf dem Wasser.

Technisch ist das 10,60 Meter lange Segelboot über jeden Zweifel erhaben. Das Fachmagazin Yacht attestierte ihr eine „geradezu chirurgisch präzise Ruderwirkung und viel Segelfreude“. Das Problem: Auf dem Bodensee wird das neueste Boot der Greifswalder Hanse-Werft wahrscheinlich nie heimisch werden: Sie ist mit knapp vier Metern einfach viel zu breit.

Neuerscheinung 2025: Hanse 360. Mit einer Länge von 10,60 Metern und einer Breite von fast vier Metern ist das Schiff sehr breit gebaut. ...
Neuerscheinung 2025: Hanse 360. Mit einer Länge von 10,60 Metern und einer Breite von fast vier Metern ist das Schiff sehr breit gebaut. Das ist gut für den Komfort. In einen gewöhnlichen Hafenliegeplatz am Bodensee passt das Boot aber nicht mehr hinein. | Bild: Rosenberger, Walther

Von Größe besessen

„Neue Boote werden immer dicker“, sagt Claus-Ehlert Meyer, Geschäftsführer des Deutschen Boots- und Schiffbauer-Verband (DBSV). Seit Jahren gehe der Trend bei den großen Sportbootwerften in Richtung immer üppigerer Schiffe. Von einer Branche, die „von Größe besessen ist“, sprach jüngst sogar der italienische Yacht-Experte Alberto Mariotti.

Tatsächlich gilt das, was für die Superyachten der Tech-Milliardäre und Oligarchen seit Jahren als Binsenweisheit ins Allgemeinwissen eingesickert ist, auch zunehmend für den Bereich normaler Sportboote: Nur die Größe zählt.

Bavaria und Hanse bauen keine schmalen Schiffe mehr

Besonders die europäischen Sportbootwerften, die Segel- oder Motorboote in Serienproduktion herstellen, haben seit der Jahrtausendwende kleinere Modelle aus ihren Katalogen ausgemustert. Die Greifswalder Werft Hanse-Yachts oder die im bayrischen Giebelstadt ansässige Bavaria-Yachts etwa, die größten deutschen Sportbootwerften, böten Schiffe unter 3,40 Meter Breite gar nicht mehr an, sagt etwa Clemens Meichle, ehrenamtlicher Geschäftsführer im Verband der Bodenseewerften. Kleinere Serien seien in der Vergangenheit nach und nach eingestellt worden.

Mehr Komfort, mehr Breite

Ähnlich sieht es auch bei großen Sportbootwerften aus dem benachbarten Ausland aus, etwa beim französischen Marktführer Jeanneau/Beneteau oder den skandinavischen Bootsbauern Hallberg-Rassy oder X-Yachts. Auch ihre Schiffe wachsen des Komforts wegen seit Jahren erheblich in die Breite.

Clemens Meichle, Wassersport-Urgestein am Bodensee und ehrenamtlicher Geschäftsführer des Verbands der Bodenseewerften.
Clemens Meichle, Wassersport-Urgestein am Bodensee und ehrenamtlicher Geschäftsführer des Verbands der Bodenseewerften. | Bild: Anette Bengelsdorf

Für die süddeutschen Binnenseen und die alpinen Gewässer in der Schweiz und in Österreich hat der Trend zum Dickschiff erhebliche Auswirkungen. Am Bodensee etwa ist die Breite der Liegeplätze in den meisten Häfen für Sportboote auf maximal drei Meter begrenzt.

Oft stünden die sogenannten Dalben, die die Schiffe in den Häfen voneinander abtrennen, nur 2,50 oder 2,80 Meter auseinander, wie Clemens Meichle, ehrenamtlicher Geschäftsführer im Verband der Bodensee-Werften sagt. Die neuesten Schiffs-Modelle, die in den Werften Europas produziert werden, passen da seit Jahren nicht mehr hinein.

Bei Hallberg-Rassy (HR), einem schwedischen Traditionsbetrieb für Segelboote, heißt es, Gewässer wie der Bodensee seien fürs Neugeschäft schon längst kein Markt mehr. „Wir verkaufen fast nur an die Küsten“, sagt Horst von Hörsten, HR-Geschäftsführer in Deutschland. Anders als am Bodensee sei die Breite der Liegeplätze dort in den vergangenen Jahrzehnten stetig den Bedürfnissen des Markts angepasst worden.

Nach Angaben des DBSV beträgt die Breite der Liegeplätze an Nord- und Ostsee mitunter fünf Meter und mehr. „Da passen alle neuen Modelle rein“, sagt Verbandschef Meyer. Die Breite der Boxen habe sich hier in den vergangenen Jahrzehnten nahezu verdoppelt.

Boxen am Bodensee nicht breiter als drei Meter

Am Bodensee bleibt deren Größe dagegen seit Jahrzehnten konstant. Platz ist in dem Binnengewässer anders als am Meer Mangelware und ausgebucht sind die Liegeplätze sowieso. Größere Boots-Parkplätze machten da gar keinen Sinn, sagt Fachmann Ehlert.

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Manche Experten sehen das nicht ganz so. Denn, weil die Parkplätze nicht mitwachsen, gleicht der Bodensee mittlerweile einem maritimen Museum. Viele auf dem Wasser befindlichen Schiffe sind eigentlich Oldtimer, die 40, 50 oder mehr Jahre auf dem Buckel haben.

Die damals vorherrschenden schlanken Bootsformen passen überall in die Häfen, daher halten die Eigner an den Schaluppen fest. Der Neuboot-Markt dagegen ist ausgetrocknet. Auf der vor wenigen Tagen zu Ende gegangenen Messe Interboot in Friedrichshafen beklagte die Branche wieder einmal „sehr, sehr schleppende Verkäufe“, was allerdings auch an immer höheren Preisen liegt.

Ist der Bodensee von Innovationen abgenabelt?

Aber es gibt noch einen anderen Aspekt. „Von vielen Innovationen im Bootsbau sind die Wassersportler am Bodensee abgeschnitten, zumindest, wenn sie auf Schiffe der Großwerften zurückgreifen wollten“, sagt Bootskenner Meichle. Diese gelten durchaus als innovativ und haben in den letzten Jahren mit Neuentwicklungen vor allem auf die zunehmenden Komforttrends der Kunden reagiert.

Diese verlangen bei Segelbooten weniger sportliche Schiffe, sondern legen generell eher auf Komfort, einfache Bedienung und gutmütiges Segelverhalten wert. Außerdem seien die in Serienproduktion hergestellte Fabrikate der Großwerften vergleichsweise günstig, sagt DBSV-Fachman Meyer.

Antonius Ott baut in seiner gleichnamigen Werft in Meersburg sowohl Klassiker wie die Aphrodite 101 oder das H-Boot, als auch neuere ...
Antonius Ott baut in seiner gleichnamigen Werft in Meersburg sowohl Klassiker wie die Aphrodite 101 oder das H-Boot, als auch neuere Bootstypen wie die 806 International oder die Diamant. | Bild: Rosenberger, Walther

Mit ihrem Geschäftsmodell, nur auf Dickschiffe zu setzen und die Kunden auf den Binnenseen sich selbst zu überlassen, fahren die Großwerften aber auch ein erhebliches Risiko. Andere beginnen in die Lücke zu stoßen. Von den edlen skandinavischen Werften setzt etwa Faurby seit einiger Zeit wieder auf schmale und sportliche Segelschiffe.

In Österreich hat sich die Schöchl-Werft mit ihrer Marke Sunbeam sogar auf schlanke Boote für Binnenseen spezialisiert. Am Bodensee wiederum hat die Ultramarin-Werft vor fünf Jahren die Marke Bente wiederbelebt und plant mit der Bente 25 aktuell ein neues, dem See angepasstes Segelboot, das mit nur 2,55 Meter Breite überall durchpasst. Und der Meersburger Bootsbauer Ott-Yacht hat mit der Diamant und der International 806 mittlerweile auch Schlank-Schiffe im Programm. Die Hoffnung, dass der Bodensee nicht immer ein Schiffs-Museum bleibt, sie besteht also fort.