Als Mitte März einem Fahrlehrer aus dem Kreis Sigmaringen von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wurde, mehrere junge Fahrschülerinnen während der praktischen Fahrstunden sexuell belästigt zu haben, war nch Veröffentlichung der Nachricht auch das Fahrschulteam Schilf/Benkler unter Generalverdacht geraten. Die Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer erlebten in den ersten Tagen einen Spießrutenlauf, wurden beim Bäcker oder Metzger komisch angeschaut, obwohl sie unschuldig waren. Die Fahrschule mit Hauptsitz in Wald will die Branche wieder ins rechte Licht rücken. Denn ihr Image ist angekratzt.

Keine andere Entscheidung erwartet

Dienstbesprechung im Gewerbegebiet Geißwiesen: Etwa 20 Prüfungstermine für die praktische Führerscheinprüfung werden an die Fahrlehrer und Fahrlehrerinnen des Fahrschulteams Schilf/Benkler vergeben. Die meisten Führerscheinanwärter sind zwischen 17 und 20 Jahre. So jung waren auch die Fahrschülerinnen, die sich beim 42-jährigen Fahrlehrer unterrichten ließen. Das Landgericht Hechingen hatte ihn Ende August zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Erst vergangene Woche hatte das Landratsamt Sigmaringen auf Nachfrage des SÜDKURIER mitgeteilt, dass dem Beschuldigten die Fahrlehrerlizenz entzogen wurde. Ein andere Entscheidung hatten die Fahrlehrer auch nicht erwartet, schließlich habe der Ruf der Branche darunter gelitten.

Sie ärgern sich über seine Aussagen

Was die Berufskollegen am meisten ärgert, waren vor Gericht die Aussagen des 42-jährigen Angeklagten, der einer minderjährigen Fahrschülerin an den Po und an den Oberschenkel fasste, der seinen Fahrschülerinnen Komplimente machte, der sich von einer anderen Fahrschülerin im Auto oral befriedigen ließ. Dem Gericht sagte er sinngemäß, dass dies gängige Ausbildungsmethoden seien.

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„Berührungen gehen überhaupt nicht.“
Heino Gabel, Fahrlehrer

Das sind Aussagen, bei denen die Fahrlehrer und Fahrlehrerinnen des Fahrschulteams Schilf/Benkler die Hände vor dem Gesicht zusammenschlagen. „Berührungen gehen überhaupt nicht“, sagt der erfahrene Fahrlehrer Heino Gabel. Einzig und allein in den ersten Fahrstunden würde man die Hand des Fahrschülers anfassen, um ihn mit der Gangschaltung vertraut zu machen. „Und wenn Gefahr in Verzug ist, greifen wir in das Lenkrad, damit das Auto nicht von der Straße abkommt“, sagt Eduard Benkler, der mit Christian Gaa die Fahrschule leitet. Er habe selbst Kinder in diesem Alter und könne immer noch nicht nachvollziehen, was sich während dieser Fahrstunden ereignet habe, für die sich der 42-Jährige verantworten musste.

Waldwege sind verboten

Ebenso haben die Fahrlehrer kein Verständnis dafür, dass der verurteilte Fahrlehrer seine Opfer in abgelegene Waldstücke lotste, wo er sich die Abgeschiedenheit zunutze gemacht hatte. „Das Befahren von Waldwegen ist verboten“, ergänzt Christian Gaa, der den Beruf seit mehr als 20 Jahren ausübt und weiß, dass Fahrlehrer und Fahrschüler miteinander reden, um sich kennenzulernen. „Wichtig ist dabei immer, die nötige Distanz zu wahren.“

Manchmal stimmt die Chemie nicht

Dennoch komme es gelegentlich vor, dass ein Fahrschüler den Fahrlehrer wechselt, weil es menschlich nicht passt, weil die Chemie nicht stimmt. „Dann können die Schüler jederzeit zu uns kommen, um mit uns darüber zu reden“, ergänzt Gaa. Es sei auch in Ordnung, wenn Eltern bei vorheriger Ankündigung bei der Fahrstunde mit dabei wären. Es wird im offenen Gespräch klar und deutlich, dass die Fahrschule nichts zu verbergen hat, dass sie professionell arbeitet und sich im Klaren darüber ist, dass sie junge Menschen ausbildet, die sich ihr anvertraut hat.

Gegner von Dashcams

Um sich gegen solche sexuellen Übergriffe zu schützen, wird landauf und landab der Einsatz von Dashcams im Fahrzeuginneren diskutiert. Christian Gaa hält von der Überwachung mit Kameras nicht viel. „Ich sehe darin keinen großen Sinn. Wenn jemand etwas im Schilde führt, wird er die Kameras einfach deaktivieren“, sagt Gaa, der es vielmehr für angemessen hält, mit den Kameras den Verkehr zu überwachen. „Diese Aufzeichnungen könnten dann als Beweismittel dienen. Denn es unglaublich, wie es hier auf den Straßen zugeht.“

Das Fahrschulteam hat indes den Vorteil, dass sie auf zwei Fahrlehrerinnen zurückgreifen kann, die vermehrt die Fahrschülerinnen praktisch unterrichtet. Aber nicht nur. Das Team vertritt sich gegenseitig, sodass auch die Männer junge Frauen unterrichten oder die Frauen junge Männer, die gerade im ländlichen Raum auf den Führerschein angewiesen sind.

Janina Rieger hält während ihrer Fahrstunde in Meßkirch an, um ihren Fahrschüler unter die Motorhaube schauen zu lassen.
Janina Rieger hält während ihrer Fahrstunde in Meßkirch an, um ihren Fahrschüler unter die Motorhaube schauen zu lassen. | Bild: Dirk Thannheimer
„Das hat kein gutes Bild auf unseren Berufsstand geworfen.“
Janina Rieger, Fahrlehrerin

Janina Rieger gibt an diesem Morgen einem 19-Jährigen die nächste praktische Unterrichtsstunde, fährt als Beisitzerin mit ihm von Wald nach Meßkirch und wieder zurück. Rieger braucht keine Berührungen, sondern verlässt sich auf ihren Instinkt und auf kurze und knappe Anweisungen. Der Fall des Angeklagten habe sie einfach nur sauer und wütend gemacht. „Das hat kein gutes Bild auf unseren Berufsstand geworfen“, sagt Rieger. Die ersten Tage, als die Meldung die Runde, sei wie Voyeurismus gewesen. „Alle waren neugierig, alle wollten mehr wissen“, ergänzt Rieger, die nach der Rückkehr in Wald ihrem Fahrschüler noch einige Tipps und Anregungen mit auf den Weg gibt, bevor er in wenigen Tagen seine Prüfung hat.