Herr Schöchl, in Hitzesommern wie 2022 trocknen in Deutschland die Seen und Flüsse aus. Da blutet einem Werft-Chef doch das Herz, oder?
Ja, natürlich. Die Lage stellt sich für die Binnengewässer wirklich drastisch dar. Einer der wichtigsten Seen Österreichs für den Wassersport, der Neusiedlersee, hat diesen Sommer extrem an Fläche verloren. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so schlimm, ist es fast überall. Uns Sportbootbauer stellen solche Phänomene vor große Herausforderungen.

Wie reagiert die Branche?
Wir von Sunbeam Yachts fokussieren einen Teil unserer Entwicklungsarbeit auf Boote mit variablem Tiefgang. Bei extremem Niedrigwasser sind Kielyachten in Binnenseen nicht mehr einsatzfähig, daher geht der Trend zu höhenverstellbaren Systemen, wie Kielschwertern oder Hubkielen.
Solche Boote gibt es schon …
Die Systeme werden immer einfacher bedienbar und nehmen im Boot immer weniger Platz und damit Komfort weg. Außerdem arbeiten wir daran, negative Eigenschaften auf die Hydrodynamik zu minimieren. Im Wasser laufen solche Boote heute ähnlich gut wie klassische Yachten.

Wie ist die Nachfrage der Kunden?
Wir merken ein deutlich anziehendes Kundeninteresse in dem Maße, wie Hitzesommer an Häufigkeit zunehmen. Mit so einem Boot können Sie eben auch bei Wasserständen von deutlich unter einem Meter sicher segeln. Bei Sunbeam Yachts rüsten wir mittlerweile zwei unserer drei Bootstypen mit solchen variablen Kielen aus.
Welche Trends gibt es noch?
Wir merken bei Segelbooten ganz deutlich, dass die Kunden flexible Lösungen wollen. Das fängt beim Transport der Boote an, der möglichst einfach sein soll. Es gibt beispielsweise immer mehr Segler, die ihr Boot unter der Saison in andere Gewässer versetzen. Zu große und breite Rümpfe stören da. Das Boot muss einfach einfach sein. Und es geht um Mehrwert neben dem reinen Segeln.

Worin kann der Mehrwert solcher Segelboote bestehen?
Auf modernen Booten muss man neben dem Segeln noch anderen Freizeitaktivitäten bequem nachgehen können. Lesen, sich sonnen, im Internet surfen, baden. Bei der Sunbeam 32.1 haben wir die Fläche an Deck maximiert. Auf dem Vorschiff kann man jetzt entspannt liegen, während hinten im Cockpit nur eine Person das gesamte Boot bedient. Stolperfallen wie Schoten und Klemmen sind komplett aus dem Cockpitbereich verbannt. In der Mitte des Bootes wiederum ist viel Freiraum und Gäste können dort einfach bequem den Segeltag genießen.
Wie wichtig ist die intuitive Bedienung all der Strippen, Hebel und Winschen auf modernen Booten?
Das ist ein Megathema. Die alten Seebären, deren einziges Hobby das Boot war und die jedes noch so kleine Detail perfekt kannten, werden weniger. Ein Boot muss heute bestenfalls in zehn Minuten segelbereit sein. Der Faktor Zeit auf See wird immer wichtiger. Auf- und Abbau sollen möglichst kurz, die entspannte Zeit auf dem Wasser maximal sein.

Was ist mit dem Thema Nachhaltigkeit?
Eigentlich gibt es nichts Nachhaltigeres als mit einem Segelboot, das im Normalfall viele Jahrzehnte im Einsatz ist, nur mit der Kraft des Windes, seine Freizeit zu verbringen. Davon abgesehen setzen wir, wo es geht, auf nachhaltige Materialien. Das geht nicht überall, weil deren Eigenschaften sich nicht immer mit dem harten Einsatz auf See vertragen. Oft geht es aber. Teak-Decks gibt es bei uns beispielsweise nur noch auf besonderen Wunsch. Standard ist ein anderes, ebenfalls natürliches Deckmaterial, das aus Reisschalen und Mineralsalzen aufgebaut ist und das hervorragende Eigenschaften besitzt. Was den Antrieb betrifft, setzen sich Elektromotoren durch. Bei uns sind alle Modelle auch als elektrifiziert erhältlich.
Haben Sie während der Corona-Pandemie profitiert?
Die Auftragseingänge haben bei uns stark zugelegt. Trotz Lockdowns und Lieferkettenproblemen haben wir es geschafft, die Bestellungen durchgängig abzuarbeiten. Bei neuen Segelbooten haben wir aktuell Lieferzeiten von zwölf bis 15 Monaten bis zur Auslieferung. Tendenz fallend.
Was muss man für ein Segelboot mittlerer Größe ausgeben?
Das ist von Werft zu Werft und je nach Ausstattung und Größe sehr unterschiedlich. Bei uns liegt das Einstiegsmodell mit einer Länge von 6,85 Metern in einer ordentlichen Ausstattung ab 55.000 Euro. Unser größtes Boot mit einer Länge von zehn Metern liegt bei etwa 300.000 Euro.
Summen, die sich viele Normalsterbliche nicht leisten können. Wie sieht es bei Gebrauchtbooten aus?
Der Gebrauchtbootmarkt war als Folge der Corona-Krise und der sich anschließenden Teilknappheit und Lieferprobleme für neue Boote lange Zeit extrem überhitzt. Für gute Gebrauchte hat man bis vor Kurzem noch fast so viel bezahlt wie für neue Segelschiffe. Aber die Phase kommt jetzt zu einem Ende. Die Gebrauchtpreise im Markt sinken.
Goldene Zeiten für Bootsbauer?
Die hohe Nachfrage freut uns, die extrem gestiegenen Rohstoffpreise setzen uns aber zu. Unsere Gewinne sind erheblich unter Druck. Seitdem ich seit knapp zwei Jahren bei Sunbeam Yachts am Ruder bin, trimme ich unsere Werft auf Effizienz. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, als österreichischer Handwerksbetrieb gegen die Großen der Branche bestehen zu können. Die Preissteigerungen können auch wir nicht voll an die Kunden weitergeben. Wir setzen daher auf einen Mix aus weniger Eigenfertigung, mehr Automatisierung und der hohen Kompetenz unserer Facharbeiter vor Ort.