In vielen Eltern wohnen dieselben Urängste: Wie kann ich mein Kind schützen? Wie kann ich verhindern, dass ihm etwas passiert, ohne gleichzeitig zur Helikoptermutter oder zum Helikoptervater zu werden – denn zur Selbstständigkeit muss der Nachwuchs ja auch erzogen werden.
Zu einem sorgsamen Umgang erziehen
Gefahren für kleine Kinder lauern oft im Alltag. Planbare, mit denen man umgehen kann, und solche, die überraschend kommen. Schützen kann man sein Kind vor allem vor letzteren nicht – aber es zu einem sorgsamen Umgang erziehen und wachsam sein, das könne man schon, sagt Harald Müller von der polizeilichen Beratungsstelle.

Pauschalen Fahrplan gibt es nicht
Einen pauschalen Fahrplan gebe es nicht. „Es kommt immer darauf an, wie weit das Kind ist und ob es eher vernünftig oder leichtsinnig ist.“ Aber auch bei vernünftigen Kindern dürfe man eins nicht vergessen: „Man kann zum Beispiel den sicheren Schulweg noch so oft mit einem Kind einstudieren. Und dann steht eines Morgens die Müllabfuhr da und die Welt ist für das Kind eine andere.“
Eine Gefahr biete aber auch das eigene Zuhause: „Wo sich Eltern und Kinder eigentlich sicher fühlen, lässt manchmal die Achtsamkeit nach. Und da passieren dann erfahrungsgemäß die meisten Unfälle“, schildert der Beamte.
Auch zu Hause wachsam sein
Wichtig sei daher, auch zu Hause sehr wachsam zu sein und zum Beispiel den heimischen Hof nicht als sichere Zone zu erachten: „Auch da kann mal ein Ball auf die Straße rollen und da rennt das Kind vielleicht schneller hinterher als sonst, weil es sich sicher fühlt, und meint, die Umgebung zu kennen.“
Nicht bei Rot über die Ampel gehen
Was aber können Eltern nun konkret tun? „Das Wichtigste ist, selbst ein gutes Vorbild zu sein“, sagt Müller. „Das beginnt beim Autofahren, dass man sich anschnallt und dafür sorgt, dass die Kinder auch immer angeschnallt sind. Das geht weiter damit, richtig zu schauen, wenn man die Straße überquert. Und natürlich: Nicht bei Rot über die Ampel zu gehen.“

Er habe schon oft in der Verkehrserziehung erlebt, dass ein Kind ihm sage, mit Mama und Papa dürfe man, wenn es eilig ist, auch mal bei Rot über die Ampel gehen. „Und schon haben wir das Problem, denn dann denkt das Kind irgendwann, es sei jetzt groß und habe es auch eilig – und geht bei Rot über die Ampel.“ Ein Problem seien natürlich auch andere Erwachsene, die vor den Augen von Kindern bei Rot über die Straße gehen. „Da hilft es dann, dem Kind zu sagen: Schau, der macht das falsch, das darf der nicht – aber wir wissen ja, wie man es richtig macht und bleiben stehen.“
Auch, wenn jedes Kind anders ist in seinen Fähigkeiten, gibt es doch gewisse Orientierungspunkte für Eltern: „Mehrere Dinge gleichzeitig einordnen und sortieren kann ein Kind etwa ab dem achten Lebensjahr. Deshalb sagen wir, dass die Kinder ab der zweiten Klasse relativ sichere Fußgänger sein können – aber noch keine sicheren Radfahrer.“ Erst ab der dritten Klasse geht es los mit der Motorik für Radfahren, deshalb findet in der vierten Klasse auch die Radfahrausbildung statt. „Da muss man dann ja auch die ganzen Verkehrsregeln lernen und umsetzen“, sagt der Polizist.
Achtsamkeit bei den Kleinen
Ein Kindergartenkind oder ein Erstklässler könne eben diese Gleichzeitigkeit noch nicht sofort umsetzen – auch nicht als Fußgänger. „In der Verkehrserziehung im Kindergarten kann man das schön beobachten“, sagt Müller. „Wenn wir zum Beispiel beim Überqueren der Straße Halt! sagen, kann das Kind noch gar nicht sofort anhalten. Es braucht etwas Zeit, bis es das Gehörte umsetzen kann. Deshalb ist es auch so wichtig, dass gerade kleine Kinder anhalten, bevor sie die Straße überqueren. Sie können noch nicht gleichzeitig gehen, wahrnehmen ob ein Auto kommt und dann die Konsequenz daraus ziehen.“
Ein ganz großes Thema ist natürlich in den Bodenseegemeinden auch das Wasser: „Auch hier muss ich mein Kind genau einschätzen – wie vernünftig es ist“, sagt Müller und findet: „Bei uns gehört es unbedingt dazu, dass ein Kind so früh wie möglich schwimmen lernt.“ Ansonsten könne man die Gefahren am See mit einem Kind ebenso einüben, wie die Gefahren im Straßenverkehr bei einem ganz normalen Spaziergang. „Das kann man alles spielerisch vermitteln“, sagt Müller. „Aber auch hier darf man nicht vergessen: Wenn die Müllabfuhr dasteht oder irgendetwas anderes, das das Straßenbild verändert, dann ist die Welt für das Kind eine andere.“
Große Kinder, große Sorgen…
Nina Helmke aus Uhldingen hat vier Kinder, zum Zeitpunkt des Gesprächs zwischen neun und 22 Jahren alt.
Frau Helmke, Sie haben vier Kinder – das Älteste ist erwachsen, das Jüngste neun Jahre alt. Was können Sie als erfahrene Mutter anderen Eltern zum Umgang mit Sorgen und Ängsten raten? Wie schafft man es, verantwortungsbewusst zu sein – ohne zur Helikoptermutter oder zum Helikoptervater zu werden?
Indem man sich immer wieder vor Augen hält, dass Kinder auch Grenzen selber entdecken müssen, auch Niederlagen einstecken müssen. Auch mal Schrammen mit nach Hause bringen dürfen, ohne dass daraus ein Drama entsteht. Ich erinnere mich an meine Kindheit, in der ich ständig draußen war, es gab kein Handy und man ging heim, wenn es dunkel wurde. Unsere Eltern wussten nicht, was wir machten. Wir haben gestritten, gespielt, gekämpft, wurden auch mal ausgegrenzt, mussten mit allem klarkommen. Ich glaube nicht, dass so etwas schadet. Heutzutage erlebe ich viel zu oft, dass sich vorschnell eingemischt wird.
Wie ist das denn bei Ihnen? Wie gehen Sie mit Ihren Ängsten, die Sie ja sicher trotzdem haben, um?
Natürlich möchte ich am liebsten immer wissen, was meine Kinder machen, wie es ihnen geht, wo sie sind, aber das ist völlig unrealistisch. Sie müssen auch ihre eigenen Erfahrungen machen und ihre eigenen Grenzen finden. Auch mal auf die Nase fallen. Wenn man sie vor allem bewahren will, wie sollen sie dann im Leben mit Negativ-Erfahrungen – die jeder durchleben muss – klarkommen? Die eigenen Ängste übertragen sich auf die Kinder. Auch dies muss man sich vor Augen halten. Möchte man ein Kind, welches vor allen möglichen Situationen Angst hat, überall Gefahren lauern sieht?
Wo liegt aber die Grenze zwischen Erfahrungen machen lassen und Gefahren verhindern?
Natürlich ist es klar, dass man den Kindern den korrekten Umgang im Straßenverkehr beibringen muss, Zuverlässigkeit das A und O ist, aber Vertrauen gehört auch dazu. Gegenseitiges.
Wie verändern sich denn die Ängste und Sorgen, wenn die Kinder älter werden?
Es gibt ja diesen schönen Spruch: „Kleine Kinder – kleine Sorgen. Große Kinder – große Sorgen.“ Das kann ich nur so unterschreiben. Aber vorweg: Ängste und Sorgen sind für mich zwei verschiedene Dinge. Selbstverständlich mache ich mir Sorgen um meine Kinder, deren Zukunft. Ich habe aber auch das Vertrauen, dass sie ihre Wege gehen werden. Jedoch sind die Sorgen gerade in der Pubertät nicht mit dem zu vergleichen, über das man sich im Kleinkind-/Kinderalter sorgt. Der Freundeskreis hat im Teenageralter einen wesentlich größeren Einfluss auf das Kind als die Eltern. An all das muss man sich erstmal gewöhnen und natürlich macht man sich Sorgen. Dies abzuschalten, das ist nicht möglich und auch nicht nötig meines Erachtens nach.