Überlingen – Klagen über den Mangel an Altenpflegern sind allgegenwärtig und werden stetig lauter. Doch wer kennt schon die tägliche Arbeit in den Heimen? Wer kennt die Schwierigkeiten und den oft kritisierten Zeitdruck konkret, mit denen die Kräfte zu kämpfen haben? Um Entscheidungen für das geplante Überlinger Pflegezentrum in Härlen fundiert und mit Weitblick treffen zu können, sollten die Gremien zumindest einige Eindrücke bekommen. Das dachten sich Wolfgang Schaub, Wirtschaftsleiter der Altenheime des Spital- und Spendfonds St. Franziskus und St. Ulrich, und dessen Pflegeteam.

Video zeigt Pflegesituationen in verschiedenen Größen

Zur Vorbereitung auf die konkreten Beratungen in den kommunalpolitischen Gremien hatten sie daher in Eigenregie ein Video gedreht und Pflegesituationen in verschiedenen Größen nachgestellt. Oberbürgermeister Jahn Zeitler erklärte vor dem Ausschuss für Finanzen, Verwaltung und Spital: "Herr Schaub und seine Mitarbeiter haben dies vorgeschlagen und ich fand das eine hervorragende Idee." Durchweg hell begeistert war auch das Gremium vom Ergebnis der Präsentation und von dem Anschauungsmaterial, das als hilfreich empfunden wurde.

OB: Ursprünglich wollte man sich an der Mindestgröße der Zimmer orientieren

Entscheidender Anstoß zum Projekt des neuen Pflegezentrums war die Landesheimbauverordnung aus dem Jahr 2009 gewesen, die ab 2019 nur noch Einzelbelegung von Zimmern in den Einrichtungen zulässt – abgesehen von Übergangsfristen für den Bestand. Zudem waren Schwierigkeiten und massive Kostensteigerungen beim dritten Sanierungsabschnitt im Altenheim St. Ulrich hinzugekommen. "In den Vorschriften gibt es Mindestgrößen für die Zimmer", erklärte OB Zeitler, "und wir dachten natürlich, daran orientieren wir uns – schon aus Kostengründen." Bei rund 20 Millionen Euro liegen derzeit mehrere Schätzungen. Doch die Besichtigung von anderen Einrichtungen und spätestens der Film des Pflegeteams habe nachdenklich gemacht.

Größere Zimmer würden Pflege wesentlich erleichtern

Bei Betrachtung der Situationen war auch dem Gremium schnell klar geworden, welch großen Unterschied und welche Erleichterung bei der Arbeit wenige Quadratmeter mehr bei der Zimmergröße darstellen können. Verglichen hatten die Mitarbeiter ein Zimmer mit der nach der Landesheimbauverordnung vorgeschriebenen Mindestgröße von 16 Quadratmetern und einen Raum mit 20,5 Quadratmetern. Hinzu kommt jeweils noch der Sanitärraum. Dabei wurde deutlich, um wie viel einfacher die Pflegebedürftigen in dem nur wenig größeren Zimmer aus dem Bett gehoben werden können. Und welche "Klimmzüge" im Standardraum von zwei Pflegern gemacht werden müssen, um die Menschen in den Stuhl oder Rollstuhl zum Essen an den Tisch zu setzen. Wenn es zu eng ist, kann man nur von einer Seite des Bettes anpacken, was den Vorgang sehr schwierig und noch kräftezehrender macht. Hat man auf beiden Seiten Platz, ist es einfacher und viel ergonomischer.

Bewohner könnten Zimmer noch etwas persönlicher gestalten

Neben den besseren Arbeitsbedingungen sei auch etwas mehr Individualität möglich, erklärte Schaub: "Die Bewohner haben dann die Möglichkeit, ihr Zimmer noch etwas persönlicher zu gestalten." Diese verbliebene Privatheit sei ein ganz wichtiger kleiner Wohlfühlfaktor. Überhaupt trage ein etwas höherer Standard zur Gesamtqualität der Einrichtung bei und zu einer nachhaltig guten Positionierung am Markt. Auch wenn man sich derzeit über sehr gute Belegung freuen könne, gelte es mit Blick auf heranwachsende private Konkurrenz, vorausschauend in die Zukunft zu blicken.

Fläche für Zimmer geht von Allgemeinfläche ab

Zeitler und Schaub waren sich einig, dass es Ziel sein könne, bei der Konkretisierung eines Konzepts die Zimmer etwas größer zu planen – zu Lasten von Gemeinbedarfsflächen, damit der Gesamtumfang und damit die Kosten nicht wesentlich zunähmen. "Was nutzen den Menschen so großzügig gestaltete Gänge, in denen Bewohner einsam herumsitzen", sagte Zeitler. "Wir wollen das Bauvolumen natürlich nicht aufblähen." Diesen Wunsch teilte auch der Ausschuss, wobei Stadtrat Robert Dreher (FWV/ÜfA) die Folgen für die Zuschüsse hinterfragte. Kämmerer Stefan Krause bekräftigte dabei, dass eine großzügigere Bauweise "nicht förderschädlich" sei.

Pflegezentrum, kein Pflegeheim

"Ein Kompliment für den informativen Film", meinte Raimund Wilhelmi (FDP): "Das hätten Sie uns in einem noch so langen Vortrag nicht so anschaulich machen können." In diesem Zusammenhang betonte Schaub mehrfach: "Bitte verwenden Sie nur den Begriff 'Pflegezentrum' und nicht 'Pflegeheim'." Denn zwar machten die hundert stationären Pflegeplätze das Gros der Einrichtung aus, doch es seien unter anderem auch eine ambulante Pflege, ein Bereich für Demenz und eine Kurzzeitpflege vorgesehen, die allesamt nach ganz anderen Richtlinien abgerechnet würden.

Altenheime stehen wirtschaftlich wieder auf solider Grundlage

  • Die Altenheime St. Franziskus und St. Ulrich des Spital- und Spendfonds in Überlingen stehen wirtschaftlich wieder auf einer sehr soliden Grundlage. Dies bestätigte Wirtschaftsprüfer Alexander Eckert von der Wirtschaftsberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Wibera dem Ausschuss für Finanzen, Verwaltung und Spital bei der Vorberatung des Jahresabschlusses für 2017, den der Gemeinderat in seiner gestrigen Sitzung auch beschloss.
  • Der Bilanzgewinn und Ergebnis des Eigenbetriebes liegen bei 53 000 Euro und damit etwas höher als im vorangegangenen Jahr (knapp 49 000 Euro). Noch 2015 stand hier ein Minus von gut 290 000 Euro. Grundlage für die positive Entwicklung war insbesondere die Aufstockung des Eigenkapitals bei der Trägerstiftung durch die Stadt im Juni 2017 um insgesamt 2,5 Millionen Euro. Und nach einer Durststrecke mit mehreren Sanierungsetappen schrieb das Alten- und Pflegeheim St. Ulrich ab 2016 schwarze Zahlen und konnte das abnehmende Defizit im kleineren St. Franziskus mehr als ausgleichen.
  • Die Ertragslage hat sich nach einer Erhöhung der Pflegesätze und einer Steigerung der Bettenauslastung deutlich verbessert. Die Erlöse stiegen um knapp 300 000 Euro auf rund 7,6 Millionen Euro. Wohlwollend zur Kenntnis nahmen die Gremien die kontinuierlich gestiegene Auslastung auf mehr als 95 Prozent. Bei den Aufwendungen einzusparen, fällt bei den Altenheimen schwer, da 80 Prozent auf die Personalkosten entfallen.
  • Beschäftigt waren in beiden Häusern im vergangenen Jahr 98 Vollzeitkräfte. Inzwischen ist die Zahl auf 106 gestiegen. Ziel der Leitung sind 112 Beschäftigte. Erfreulich ist für Wirtschaftsleiter Wolfgang Schaub, dass es bislang keine ernsthaften Engpässe beim Personal gab und die Arbeitsplätze hier gefragt seien. Es gebe andere Regionen, in denen Pflegebetten nicht belegt werden könnte, da das Personal fehle. Die Mitarbeiter gehörten 17 Nationen an und kämen unter anderem aus Madagaskar und Sri Lanka. "Ohne sie könnten wir die Aufgaben nicht erfüllen." Die Einrichtungen hätten einen gesunden und stabilen Mitarbeiterstamm, der allerdings allmählich "in die Jahre" komme. Wichtiges Ziel sei es daher, genügend jüngeren Nachwuchs für die Häuser zu gewinnen.