
- Kristin Müller-Hausser kennt die Gemeinderatsarbeit bisher nur von der Besucherbank. Über die Platanendebatte fand sie zur außerparlamentarischen Politik, und freut sich nun darüber, dass sie mit der BÜB+ ins Parlament einzieht. Die BÜB+ ging aus der BÜB hervor, die wiederum aus Protest gegen die Fällung einer Allee gegründet wurde. Das Plus im Namen drückt aus, dass es ihnen um mehr als Bäume geht. „Mehr Transparenz im Rathaus ist mir wichtig, gegen die Gerüchteküche.“ Müller-Hausser ist Innenarchitektin, sie lebt in der von ihren Eltern übernommenen „Villa Elmenhorst„, die sie liebevoll sanierte. Ihr Vater, Architekt Dietrich Müller-Hausser, entwarf den denkmalgeschützten Kursaal. Beim Blick über ihren mit Margeriten übersäten Naturgarten sagte sie: „Ich nehme mich selbst nicht so ernst, aber meine neue Aufgabe sehr.“ Sie gebe das Versprechen ab, nicht abzuheben. Als „unangenehm“ habe sie es bislang empfunden, wie Bürger in der Bürgerfragestunde des Gemeinderats zuweilen „abgebügelt“ worden seien. Sie wolle sich dafür einsetzen, dass sich das ändert, für alle, die künftig die Ratsarbeit von der Besucherbank aus beobachten.

- Peter Vögele steht am Herd im „Adler“ und kocht Rührei. Seine Hotelgäste erwarten Frühstück, nach einer – so sein Anspruch – erholsamen Nacht im Hotel. Und auch er habe gut geschlafen, sagt Vogele. „Ich bin mit einem guten Gefühl aufgewacht.“ Am Vortag erhielt er die Gewissheit, dass er fortan wieder im Gemeinderat sitzt. Früher in der CDU, schwenkte er zur FDP um. Sie passe viel besser zu ihm, weil Politik für ihn die Aufgabe hat, Eigenverantwortung zu stärken und Bequemlichkeit zu verhindern. Seine Erinnerung an die Ratsarbeit ist durchweg gut. „Es hat mir immer Spaß gemacht.“ Er lege Wert darauf, dieses Ehrenamt „nicht mit tödlichem Ernst“ zu betreiben, jedoch verantwortungsbewusst. Sein Thema sei der Tourismus, und in Überlingen speziell die Verzahnung mit der Landesgartenschau. Vögele: „Das eine Jahr halten wir durch – müssen aber den Überlingern das gute Gefühl vermitteln, dass uns allen die LGS etwas bringt.“ Der Vater von fünf Kindern im Alter von 21 bis 28 Jahren (“alle studieren, der Jüngste macht eine Kochlehre“) fühlt sich auch in der Klima-Debatte gut bewandert. Sein Vorschlag klingt so pragmatisch wie seine Gerichte badisch traditionell schmecken: „Den ganzen Müll in Deutschland belassen, statt ihn zu exportieren – das baut Druck auf, bis wir verstehen, dass wir vielleicht gar nicht so viel Plastik brauchen.“

- Für Manuel Wilkendorf beginnt der Tag nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse stürmisch. Nach mehreren Monaten Lehrgang stand gestern für seine Segelschüler bei schwierigen Bedingungen die praktische Abschlussprüfung auf dem Programm. „Da ist man als Ausbildungsleiter natürlich auch angespannt“, sagt der Polizeibeamte, der bei der Wasserschutzpolizei für die Abteilung Aufklärung tätig ist. Die Prüfung verlief erfolgreich, ebenso wie Wilkendorfs Wahl zum neuen Stadtrat. „Das ist eine Bezeichnung, an die ich mich erst noch gewöhnen muss“, sagt der 40-Jährige, der künftig gemeinsam mit seinem Vater Michael Wilkendorf und Udo Pursche die Interessen der SPD vertritt. Manuel Wilkendorf selbst hatte nicht mit seiner Wahl gerechnet. Eigentlich wollte er auch gar nicht für den Gemeinderat kandidieren, sondern nur für den Kreistag. Als bei der Nominierungsversammlung der SPD dann aber noch ein Platz auf der Liste offen war, ließ er sich von seinem Vater überreden – obwohl das mit seiner Frau anders besprochen war. Als er am Abend nach der Versammlung nach Nußdorf zu seiner Frau und den beiden kleinen Kindern nach Hause kam, sei es auch dort kurz mal stürmisch geworden, erzählt er. „Am Ende waren wir uns aber einig, dass es meine Bürgerpflicht ist, das Amt verantwortungsvoll auszuüben, wenn die Wähler mir das Vertrauen aussprechen.“ Dass es nun so gekommen ist, verwundert nicht. In Überlingen aufgewachsen, war und ist Manuel Wilkendorf Mitglied in vielen Überlinger Vereinen. Am Tag nach der Wahl überwiegt dann auch die Freude, künftig über die Geschicke seiner Heimatstadt mitbestimmen zu können.

- Benedikt Kitt ist mit 21 Jahren der jüngste im neuen Gemeinderat, er sieht sich als Bindeglied zwischen Jugendgemeinderat und „richtigem“ Gemeinderat. „Das ist krass“, kommentierte er seine Wahl. Seine mehr als 4000 Stimmen schreibt er der „Grünen Welle“ zu, „ich bin aber aber auch einfach deshalb gewählt worden, weil die Jugend mehr Einfluss möchte“. Weitere Gründe für seine Wahl dürfte der in Überlingen bekannte Name Kitt sein, sein Engagement in der Schwerttanzkompanie, in der kirchlichen Jugendarbeit, oder bei den „Guggevamps“, wo er mal die Trompete, mal das Susaphon bläst. Benedikt Kitt ist ein Abi-Abbrecher. „Ich wollte etwas schaffen.“ Statt Schulbank ging er an die Schlachtbank, absolvierte eine Ausbildung, betontermaßen in kleinen Handwerksbetrieben. „Man muss nicht gleich Veganer werden, um das Klima zu schützen, lieber weniger Fleisch, aber wertvolles.“ Für Kommunalpolitik interessiere er sich schon lange, und weil er ständig etwas kritisierte, habe ihn seine Tante aufgefordert, sich einzubringen. Seine Oma, Sybilla Kleffner, frühere LBU-Stadträtin, überzeugte ihn von der Kandidatur für LBU/Die Grünen. Benedikt Kitt: „Leicht wird es nicht, das hat aber auch nie jemand gesagt.“ Seine Freunde sagten: „Wir zählen auf Dich.“

- Sonja Straub erwachte am Dienstag wie an jedem anderen Tag. „Mit einem ganz normalen Gefühl – Alltag.“ Nun sitzt sie am großen Küchentisch ihrer Familie. „Dass ich die Kinder auf den Weg zur Schule bringen muss, das war mein erster Gedanke heute Morgen.“ Mit dem drittbesten Ergebnis auf der CDU-Liste ist die Bäuerin aus Bonndorf neu ins Gremium gewählt worden. Ihre Kinder, neun und elf Jahre alt, seien jetzt im richtigen Alter, dass für sie als Mutter freie Zeit für dieses besondere Ehrenamt entsteht. „Meinen Kindern ist bewusst, dass sie jetzt öfter selbst mal die Spülmaschine ausräumen müssen.“ Auch auf ihrem Hof sei man gut darauf vorbereitet, dass sie mittwochs im Gemeinderat sitzt, während die anderen in den Stall gehen. Ihre Schwiegereltern helfen mit, „und unser Lehrling bekommt mittwochs Urlaubsverbot – aber schreiben Sie das nicht“, sagt sie lachend. Sonja Straub wuchs auf einem Bauernhof in Seelfingen auf, sie ist Landwirtschafts-Inspektorin im gehobenen Verwaltungsdienst. Dass sie innerhalb der CDU ein so gutes Ergebnis erzielte, schreibt sie ihrem Bekanntheitsgrad zu, sie engagierte sich im Kindergarten und später in der Grundschule Hödingen als Elternbeirätin. Sie spielt Posaune im Musikverein Bonndorf, Flügelhorn in der Bauernkapelle Oberschwaben und beide Instrumente in der närrischen Frauenkapelle „Cellolitis“. Wo sie sich im Rat besonders einbringen möchte? „Natürlich bin ich für den Ausbau von Radwegen und Kindergärten, aber das ist ja klar. Nein, ich werde mir das jetzt erst mal alles in Ruhe anhören und dann mit gesundem Menschenverstand entscheiden.“

Neu im Rat sind außerdem:
Die Eheleute Herbert (64) und Bettina Dreiseitl (53, beide Grüne/LBU), die als Landschafts- und Städteplaner weltweit tätig sind. Sie wollen sich für mehr Lebensqualität und eine Verkehrsberuhigung in der Stadt einsetzen.
Ebenfalls für die Fraktion Grüne/LBU zieht Andrej Michalsen in den Gemeinderat ein. Der 61-jährige Anästhesist, Intensiv- und Notfallmediziner hat sich die Stärkung des Zusammenhalts der Bevölkerung zum Ziel gesetzt und möchte sich bei den Themen Verkehr und Gesundheit einbringen.
Mit Alexander Bruns (54) sitzt künftig auch der Ortsverbandsvorsitzende der CDU im Gemeinderat. Der Jurist und Universitätsprofessor sagt: „Die Menschen stehen für mich im Mittelpunkt.“
Mit der BÜB+ zieht nicht nur eine neue Gruppe in den Stadtrat ein, sondern auch neue Köpfe. Neben Kristin Müller-Hausser ist der Vereinsvorsitzende Dirk Diestel (63) neu dabei. Im Rat möchte er sich für mehr Transparenz, Verkehrslösungen und den Erhalt der historischen Altstadt einsetzen. In der Fraktion FWV/ÜfA gab es keine Neubesetzungen.