Die Waldrappe sind wieder da. Nahezu gleichzeitig mit Zoppo schnupperte die zwei Jahre jüngere Vincino erstmals wieder die Luft ihres Brutgebiets. Sie hatte sich auf ihre eigene Orientierung verlassen und wirkte am Ziel noch etwas unentschlossen. Der Vogel hatte 2019 beim Heiligenberger Segelflugplatz fliegen gelernt.

Aufmerksam beobachtet Anne-Gabriela Schmalstieg die ersten Rückkehrer dieses Jahre. Auch alle anderen Flugbewegungen der Kandidaten, die sich von der Toskana auf dem Weg über die Alpen gemacht haben.

Anne-Gabriela Schmalstieg
Anne-Gabriela Schmalstieg | Bild: Liechtenstein

„Im Moment ist das Wetter nicht optimal und die Tiere haben viel Gegenwind“, beschrieb Anne-Gabriela Schmalstieg am Wochenende die derzeitige Situation. „Wahrscheinlich dauert es noch eine gute Woche, bis die nächsten Waldrappe hier angekommen.“ So lange will die Ziehmutter der drei Überlinger Generationen noch warten, bis sie aktiv auf die Tiere zugeht. „Auf ihren Namen hören die Tieren natürlich nicht wirklich“, sagt sie: „Doch sie erkennen mich nach wie vor als ihre frühere Ziehmutter.“

Voliere auf der Obstwiese bei den Goldbacher Weinbergen

Das war auch vergangenes Jahr so, als die ersten hier aufgezogenen Waldrappe eigenständig aus dem wärmeren Italien an den Bodensee gekommen waren. Ist die Gruppe der geschlechtsreifen Tiere groß genug, fängt Anne-Gabriela Schmalstieg die Vögel ein und bringt sie in die Voliere auf der Obstwiese bei den Goldbacher Weinbergen. Dort hatte der Verein zur Erhaltung der Hödinger Kulturlandschaft schon 2020 eine künstliche Brutwand gezimmert, die damals allerdings aus Pandemiegründen verwaist bleiben musste. Insgesamt zählen derzeit 36 Tiere aus den Jahren 2017 bis 2019 zu den möglichen Rückkehrern.

Noch ist die künstliche Brutwand mit der Voliere verwaist, in der die ersten Waldrappe für die Wiederansiedlung brüten sollen. ...
Noch ist die künstliche Brutwand mit der Voliere verwaist, in der die ersten Waldrappe für die Wiederansiedlung brüten sollen. Ziehmutter Anne-Gabriela Schmalstieg will warten, bis eine größere Gruppe geschlechtsreifer Tiere hier eingetroffen ist, um sie dann hierher zu bringen. | Bild: Hanspeter Walter

Wie zutraulich mancher Waldrapp sogar gegenüber Fremden sein kann, erlebten aufmerksame Beobachter in diesen Tagen bei Salem-Weildorf und Frickingen-Lampach. In diesem Gebiet hatte sich Zoppo auch im Vorjahr mit einer Gruppe von rund zehn Tieren aufgehalten und offensichtlich wohlgefühlt.

Quasi auf Du und Du waren sie in den vergangenen Tagen schon mit dem standorttreuen Zoppo und fotografierten den Waldrapp beim Futtersuchen auf der Feuchtwiese, wie dem „Animal Tracker“ im Netz zu entnehmen ist. „Er ist sehr zutraulich“, kommentierten die Beobachter die aktuellen Bilder aus nächster Nähe, die sie hier hochgeladen haben.

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Der zwei Jahre jüngeren Vincino, die vor zwei Jahren in Heiligenberg fliegen gelernt hatte und erstmals wieder zurück am Bodensee ist, hat einen anderen Lieblingsplatz entdeckt. Sie tauchte nach anfänglichen Zick-Zack-Flügen am Ende ihrer Anreise zuletzt regelmäßig beim Unterfrickhof in der Nähe des Billafinger Sielmannweihers auf.

Erste 16 Jungtiere sind im Tierpark Rosegg in Österreich geschlüpft

Die zweite kurze winterliche Episode im April dürfte die Tiere südlich des Alpenhauptkamms nicht gerade in Aufbruchstimmung versetzen. So verweilt Enea seit einiger Zeit im Vinschgau unterhalb des Reschenpasses. Unterdessen freunden sich in Österreich seit vergangener Woche zwei neue Ziehmütter mit den ersten 16 Jungtieren an, die im Tierpark Rosegg geschlüpft sind, wie das Projektteam von Johannes Fritz mitteilte. Weitere 16 kommen in diesen Tagen dazu und sollen die vierte Generation bilden, die die neue Population am Bodensee verstärken soll. Im Alter von etwa sechs Wochen werden sie dann voraussichtlich Mitte Mai nach Hilzingen im Hegau gebracht, wo sie später auf dem Flugplatz Binningen ihre ersten Flugübungen absolvieren sollen.

Waldrapp-Camp zieht nun in den Hegau weiter

Auch der zweite Standortwechsel trägt dazu bei, dass die Jungvögel nicht von älteren Rückkehrern aus der Toskana verwirrt werden – oder umgekehrt. So waren die ersten beiden Generationen 2017 und 2018 in Hödingen flugbereit gemachte worden, dann wurde mit Rücksicht auf mögliche erste Rückkehrer der Standort für die dritte Generation nach Heiligenberg verlegt. Dort fiel das nächste Kapitel im Vorjahr der Corona-Pandemie zum Opfer. Da in diesem Jahr schon die ersten Heiligenberger Tiere eintreffen – dazu gehört auch die junge Vincino in Billafingen – zieht das Waldrapp-Camp nun in den Hegau weiter. Dorthin hatten die letztjährigen Rückkehrer schon gerne Ausflüge unternommen, blieben allerdings ihrem Lieblingsbiotop im Salemer Tal treu und kehrten immer wieder dorthin zurück.

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