- Waldrappteam landet in WWF-Schutzgebiet Oasi Laguna di Orbetello
- Vögel werden erst ab Oktober in die Wildpopulation entlassen
- Nur beim SÜDKURIER: Bilder und Videos von der Landung in Italien

Montagnachmittag war es geschafft: Das Waldrappteam erreichte nach einem letzten Flug das Winterquartier in der Toskana. Erwartet wurden die österreichischen Wissenschaftler und die Waldrappe von den Mitarbeitern des dortigen WWF-Schutzgebiets Oasi Laguna di Orbetello. Wie beim Start in Heiligenberg klickten und liefen auch bei der Landung in Italien die Kameras für Fotos und Videos.
Und für das Waldrappteam war es tatsächlich wieder ein bedeutender Moment beziehungsweise Meilenstein. Bisher wurden für den Weg über die Alpen bis in die Toskana nämlich immer „mindestens zwei Wochen“ benötigt – nur 2011 war man ähnlich schnell, wie Projektleiter Johannes Fritz gestern im SÜDKURIER-Gespräch erklärte.

Dieses Jahr waren es knapp 13 Tage mit insgesamt sieben Etappen, die die Gruppe aus 29 Waldrappen, zwei Ziehmüttern und zwei Piloten unter anderem über den Arlberg und Reschenpass führten. Windgestützt ging es hier sogar bis auf eine Höhe von 2900 Metern. „Fast 300 Meter höher als jemals zuvor“, berichtete Fritz.

Am Apennin wurde eine Höhe von 2300 Metern gemessen. Beim Flug „weit über die Gipfel“. Für die Wissenschaftler war es eine Überraschung, dass die Vögel „so hoch überhaupt mitgehen“, erklärte Fritz. Die Waldrappe, die bereits eigenständig ziehen, haben GPS-Sender, über die die Flugrouten verfolgt werden.
Und die Ergebnisse zeigen: Sie fliegen nicht so hoch wie ihre Artgenossen, die seit Mai in Heiligenberg aufgezogen wurden. Nichts hatte also bislang darauf hingedeutet, dass Waldrappe „problemlos vermögen, so hoch zu fliegen“. Vertrauensvoll seien sie den beiden Ultraleichtflugzeugen gefolgt. Der Vorteil der Flughöhe war Fritz zufolge, dass aufgrund der Barrierefreiheit der direkte Weg gewählt werden konnte. „Man meint, man ist an die Grenze gekommen, und merkt in nächsten Jahr, dass sie noch nicht erreicht war“, erläuterte der Biologe, der das Wiederansiedlungsprojekt aus Faszination für die faktisch ausgestorbenen Zugvögel ins Leben rief. Er ist beeindruckt von dem Leistungsvermögen der Zugvögel.
Noch nie mit Vögeln in vergleichbaren Höhen
Fritz' Angaben nach sei noch nie jemand mit Vögeln in vergleichbare Höhen aufgestiegen. Den Erfolg sieht er in der guten Prägung der Waldrappe auf die beiden Ziehmütter Anne-Gabriela Schmalstieg und Helena Wehner begründet. Die Frauen saßen in den beiden Ultraleichtflugzeugen hinter den Piloten Johannes Fritz und Walter Holzmüller und behielten die Waldrappe im Blick.

Danach befragt, was während dieser Handaufzucht anders gemacht worden sei als bei den vorherigen, antwortete Fritz: Nichts. Aber: „Was ich schon beobachte ist, dass wir uns immer weiter steigern“, sagte der Projektleiter. Das Team schaffe es, dass die Abläufe in der Betreuung der Vögel immer besser funktionierten. So hatte auch Walter Holzmüller beim Start in Heiligenberg berichtet, dass die Waldrappe den Fluggeräten von Jahr zu Jahr besser folgten. Zu den aktuellen Rekordergebnissen könnte ebenfalls die Lage des Trainingscamps am Segelfluggelände Heiligenberg beigetragen haben. „Wir hatten viel Platz, das Wetter war gut und unter der Woche war kaum etwas los“, erklärte Fritz. Im Überlinger Teilort Hödingen sei es auch super gelaufen – aber nun noch ein bisschen besser.
Unterwegs ging lediglich Weibchen Hedwig kurzzeitig verloren. Nach der Landung nahe Landegg wurden nur noch 28 Tiere gezählt. Fritz vermutet, dass der Waldrapp durch eine Greifvogelattacke kurzzeitig von den anderen getrennt wurde und so den Anschluss verlor. Dank ihres GPS-Senders und Sichtmeldungen konnte Hedwig wieder von Ziehmutter Helena Wehner eingefangen werden. Steinadlerattacken waren in diesem Jahr nur zwei zu verzeichnen. „Das war weniger dramatisch als in den Vorjahren“, berichtete Fritz im SÜDKURIER-Gespräch. Wegen der Wolken seien die Jagdbedingungen für die Steinadler ungünstig gewesen. Gelingt ein Angriff, werden die Vögel kurzzeitig vertrieben.

Risiko besteht, dass Waldrappe weiterfliegen
Das eine Mal seien die Waldrappe zehn Minuten lang nervös gewesen. „Das haben wir bisher nicht beobachtet. Sie haben dann die Nähe der Fluggeräte gesucht“, so der Projektleiter. In solchen Fällen ist es an den Piloten, darauf zu achten, dass die Waldrappe nicht in die Schirme der Ultraleichtflugzeuge geraten. In Italien wurden die Vögel in eine Voliere innerhalb des Schutzgebiets gebracht. Denn das Risiko ist groß, dass sie wieder abfliegen.

Erst im Oktober sollen sie kontrollierte Freiflüge unternehmen dürfen und darauf nach und nach in die Wildpopulation entlassen werden. Anne-Gabriela Schmalstieg und Helena Wehner werden auch diesen Weg begleiten. Allerdings nicht mehr so eng wie während der Handaufzucht, damit die Waldrappe ein eigenständiges Leben beginnen. Für die Menschen startet derweil die Auswertung der umfangreichen Datensätze, die während der Migration gesammelt wurden. Fritz hofft, aus den Angaben zu Herzfrequenz, Flügelschlägen und Position in der Luft umfassende Rückschlüsse auf das Verhalten von Zugvögeln ziehen zu können. Andere Artenschutzprojekte könnten profitieren.



Waldrappteam: „Wir machen weiter“
Nachdem die Europäische Kommission eine zweite Förderung des Wiederansiedlungsprojekts „Reason for Hope“ abgelehnt hatte, reichte das Waldrappteam seinen Antrag kürzlich in modifizierter Form ein zweites Mal ein. Die Wissenschaftler hoffen nun auf eine weitere Förderung ab 2021, während das Jahr 2020 zwischenfinanziert werden muss. Deshalb wird es kommendes Jahr auch keine Handaufzucht am Bodensee geben. Die diesjährige menschengeführte Migration war die 14. Ist nun vielleicht Schluss? Die Wissenschaftler versprechen: „Wir machen weiter.“ Fritz zufolge wird nun intensiv versucht, Geldmittel aufzutreiben. Weitere Informationen: http://www.waldrapp.eu