Körbe aus Savannengras, Zutaten aus Kochbananen, bunte Kleider: Wer Johanna Herrmanns Afro-Shop betritt, kommt in eine Welt fernab des Bodensees. Seit Juni 2023 betreibt sie das Geschäft eKhaya in der Jakob-Kessenring-Straße. Der Start sei damals gut gewesen, erinnert sie sich. Doch bald darauf begann die Baustelle vor ihrer Haustür: aufgerissener Asphalt, Baumaschinen, Lärm, eingeschränkte Laufkundschaft. Die Einnahmen blieben aus, der Besitzer der Ladenzeile erließ ihr einen Teil der Miete. Für Herrmann erschienen die Bauarbeiten endlos. „Das war eine schlimme Zeit.“ Nun ist die Straße fertig, die Laufkundschaft ist zurück. „Ich hoffe, dass jetzt wieder Leben in die Straße kommt“, sagt sie.
„Straße ist deutlich attraktiver geworden“
Optimistisch ist auch Herrmanns Nachbar Stefan Joos. Er ist Betreiber des Capri Hotels und des gleichnamigen Plattenladens. „Die Straße ist deutlich attraktiver geworden, das hat man bereits in den Tagen gemerkt, wo sie für die Öffentlichkeit geöffnet war.“ Für ihn bleiben aber Fragen: Welche Folgen wird die Verkehrsberuhigung mit den Pollern haben? Am Beginn der Klosterstraße sind versenkbare Poller vorgesehen, die den Verkehr beruhigen sollen. Zwischen 5.30 und 11 Uhr und 18 und 19 Uhr kann dieser für Lieferverkehr und Anlieger abgesenkt werden. Diese Regelung soll nun zunächst bis zum 31. Oktober umgesetzt werden, wie der Gemeinderat Mitte März beschloss.

Ob Anfahrt, Abfahrt oder Parksituation – Joos fragt sich, wie das die Ankunft und Abfahrt seiner Gäste beeinflussen wird. „Ich habe manchmal auch ältere Gäste, die nicht so gut zu Fuß sind“, sagt er. Eine andere Frage des Unternehmers: Was passiert mit den leeren Ladenzeilen in der Straße? Da wäre gegenüber von ihm beispielsweise der Döner-Laden, der einem Brand zum Opfer fiel. Seit langer Zeit ist dort nichts passiert. Er fragt sich, warum man dies nicht als Anlass genommen habe, um „alles einem Rutsch“ zu sanieren, wie es Joos formuliert. „Sonst habe ich hier in einem halben Jahr wieder einen Kran vor dem Laden.“
In einigen Fenstern hängt: „Laden zu vermieten“
Auch an anderen Punkten der Straße herrscht Leere, wie ein Rundgang über die teilweise noch sandige Straße zeigt. Doch die Stadt Überlingen hofft, dass sich dies bald ändert – mit sogenannten Founder Walks. Am 11. April und am 27. Juni führt Wirtschaftsförderer Stefan Schneider Gründer und junge Unternehmer durch die Stadt. Die Ziele: Kontakte knüpfen, sich vernetzen – und sich möglicherweise auch für einen der frei stehenden Ladenzeilen interessieren. In der Jakob-Kessenring-Straße seien „die Mieten noch recht günstig“, sagte Oberbürgermeister Jan Zeitler zuletzt.
Bisher verzeichne die Stadt eine gute Resonanz, heißt es auf SÜDKURIER-Anfrage. „Die Anmeldungen für beide Termine liegen bei zehn möglichen Gründern, können jedoch noch variieren“, sagt Pressesprecherin Miriam Lara Robertus.
Ohnehin hoffen OB und Stadtverwaltung, dass nun auch mehr Passanten den Weg in diesen Abschnitt der Altstadt finden. Durch die Möblierung mit Sitzgelegenheiten möchte man „eine längere Verweildauer sowie insgesamt eine verbesserte Aufenthaltsqualität“ erreichen, heißt es von der Pressestelle der Stadtverwaltung. „Wichtig ist, dass die Gastronomie in einigen Bereichen die Außenbewirtschaftung verstärken kann“, sagt Sprecherin Miriam Lara Robertus. „Dadurch verbessern sich auch die Umsatzmöglichkeiten im Sommer.“
Warum sich die Stadt für Granit aus China entschied
Damit Einheimischen oder Touristen die neugestaltete Straße ins Auge fällt, ließ die Stadt die Kessenring-Straße mit Granitsteinen in unterschiedlichen Farben pflastern. Diese stammen aus der 11.000 Kilometer entfernten chinesischen Provinz Fujian. Sie wurden nach Deutschland verschifft, hier geschnitten und am Bodensee verlegt. Granit wird aber auch in Deutschland und in Europa abgebaut – warum also ausgerechnet Steine aus China?
Aus Kosten- und Qualitätsgründen habe sich die Stadt für den Untergrund aus Fernost entschieden, heißt es dazu von der Pressestelle. „Wir möchten betonen, dass bei der Auswahl unserer Lieferanten und Materialien auch soziale und ökologische Aspekte eine maßgebliche Rolle spielen. Aus diesem Grund wurden alle Pflastersteine, die in der Jakob-Kessenring-Straße verlegt wurden, aus ‚Fair-Stone-Betrieben‘ bezogen“, sagt Robertus. Dies ist ein Umwelt- und Sozialstandard für den Import von Natursteinen. Dieser soll sicherstellen, dass die Steine unter fairen Arbeitsbedingungen abgebaut und gehandelt werden.