„Das ist eine Postkarte“, sagt Johannes Oerding beim Blick über den Meersburger Schlossplatz am Freitagabend und schwärmt. Dort haben sich in der lauen Abendstimmung rund 4000 Fans versammelt. Zum zweiten Mal ist der Hamburger Popsänger und Songwriter zu Gast – und hat offenbar nicht nur in seiner nördlichen Heimat, sondern auch am Bodensee eine treue Fangemeinde gefunden. Etliche kommen mit Hut zum Konzert, manche sogar mit einem original englischen „Pork-Pie“, der zum charakteristischen Markenzeichen von Oerding auf der Bühne geworden ist.
Oerdings Gäste lernen sich kennen
Gleich zu Beginn packt er seine Entertainer-Qualitäten aus, fordert seine Gäste auf, sich zu begrüßen und näher kennenzulernen. Und schwingt sich gleich auch selbst von der Bühne in die erste Reihe, um dort ein paar Hände zu schütteln. Zum Beispiel die des neunjährigen Lino, der „nicht zum ersten Mal“ auf einem Oerding-Konzert ist. Im Laufe des Konzerts bekommt Lino immer wieder Tipps, Oerdings eigene Fehler zu vermeiden, die er etwa im Lied „nie wieder Alkohol“ oder „Morgen“ besingt, bei dem es ums Aufschieben geht.
Diese Nähe ist es, die seine Fans – von denen die Mehrheit weiblich zu sein scheint – an Johannes Oerding lieben. „Er singt einfach so poetisch und gefühlvoll“, sagt eine ältere Dame, die mit ihrer Freundin aus Riedlingen angereist ist. Das Ticket hat sie zum Geburtstag bekommen. Ein Pärchen aus Singen, er stilecht mit Hut, sieht dies ebenso. Doch „der wahre Fan ist sie“, sagt er.
Wegen Johannes von Vorarlberg nach Meersburg
Zu den wahren Fans gehört auch Martin Peter, der aus Vorarlberg angereist ist. Vor allem Oerdings Sessions während der Corona-Zeit, etwa mit Max Giesinger, Tim Bendzko oder Clueso haben ihn begeistert. In vier Staffeln der Songtauschshow „Sing meinen Song“ sang Johannes Oerding Hits von Peter Maffay, den Fantastischen Vier und etlichen anderen.

In Meersburg gibt der Unterhalter, der immer für eine Überraschung gut ist, mit erstaunlich hoher Stimme Whitney Houstons „I will always love you“ zum Besten und lässt – unter dem Vorwand, den Text vergessen zu haben – eine Besucherin die Lücke füllen – mit einer Gänsehaut-Stimme, die das Publikum zum Toben bringt.
Der Sänger schreibt live Song mit ChatGPT
Und schließlich zieht der Sänger von der Bühne durch die Menschenmenge über den gesamten Schlossplatz – „ich will euch kennenlernen“ –, schüttelt überall Hände, um schließlich auf eine Besucherin zu treffen, die sich als Petra aus Kempten vorstellt.
„Dir schreib ich jetzt ein Lied“, sagt Oerding und lässt einen KI-Chatbot mithilfe einiger Stichworte einen Text erstellen, den er anschließend in eine Melodie packte. Das Ergebnis der KI, „Petra, du Boxenluder von Kempten“ – wofür er sich später entschuldigte –, brachte nicht nur den Musiker, sondern die gesamte Menge zum Lachen. Oerdings Fazit: „So lange ChatGPT solche Texte schreibt, schreibe ich weiter.“
Neben seinen wohl bekanntesten Hits, „Kreise“, „An guten Tagen“, „Für immer ab jetzt“ oder „Heimat“ findet auch Oerdings persönlichster Song Platz im gut zweistündigen Programm: „Eins-zu-Eins-Gespräch“. Das Lied hat er seinem mittlerweile verstorbenen Vater gewidmet. Zu ihm war das Verhältnis offenbar nicht immer einfach, so der Sänger.
Das verspricht er beim letzten Song
Es war sicherlich nicht das letzte Konzert von Johannes Oerding am Bodensee. „Ich komme wieder“, verspricht er nach den Zugaben „Wenn du lebst“ und „Ich bin bald zurück“. Offenbar zieht es ihn öfter an den See, zuletzt 2023 beim Markdorf Open Air und 2022 in Radolfzell. Seine Eltern hatten eine Ferienwohnung auf der Höri, verriet er einmal im Interview, wo die Familie oft Urlaub gemacht habe. Zunächst aber geht es wieder zurück in den Norden. Die nächsten Tourtermine: 3. Juli in Fulda, 4. Juli in Dresden, 5. Juli in Zwickau und 6. Juli in Eckernförde.
An dem Abend bekommen die Besucher übrigens auch einen Sänger zu hören, dessen Karriere gerade erst zu beginnen scheint. Der erst 23-jährige Österreicher Jacob Elias darf im Vorprogramm seine bislang erfolgreichsten Songs zum Besten geben. Oerding dankt dem Publikum auch für dessen Unterstützung – „besucht ihn doch noch am Merchandising-Stand“ –, ebenso wie den vielen Helfern oder den geduldigen Anwohnern am Schlossplatz – die aus Sicht es Publikums aber wohl eher zu beneiden waren.