Nur noch wenige Kinderklamotten hängen an der Stange. Die Regale sind leer, der Boden gefegt. Die letzten Tage vom Wolken Kuckucks Kinderladen brechen an. In Kürze übergibt Inhaberin Lidia Braun die Schlüssel an den Vermieter. Ihre Mutter führte das Geschäft, dann wechselten sie irgendwann die Rollen. Etwa neun Jahre lang stand Braun morgens im Laden, ihre Mutter übernahm mittags, die perfekte Kombination, wie sie sagt. „Kinder und Job waren gut vereinbar.“ Die Zeit als Einzelhändlerin sei nun aber vorbei. Das Geschäft lohne sich nicht mehr, sagt sie. Bald wechselt die studierte Betriebswirtin in einen Bürojob.

„Meersburg kommt nach Überlingen“

Die Schließung sei das Ergebnis einer längeren Entwicklung, sagt Braun. Einerseits sei da der Online-Handel und seine Auswirkungen. „Wer Kinderbekleidung kaufen will, kann das genauso im Internet machen und dann zurückschicken.“ Der Besuch in Geschäften vor Ort sei für jüngere Kunden daher weniger attraktiv, eher die ältere Generation kaufe noch vor Ort. Andererseits seien da die Park- und Verkehrssituation. Ihrer Auffassung zufolge fahren Einheimische zum Einkaufen eher nach Konstanz, Singen oder Ravensburg, statt nach Überlingen.

Räumungsverkauf beim Wolken Kuckucks Kinderladen.
Räumungsverkauf beim Wolken Kuckucks Kinderladen. | Bild: Cian Hartung

Auch mangelndes Angebot sei ein Aspekt, sagt Lidia Braun. „Es gibt wenig Anreiz für die Menschen, in die Stadt zu kommen.“ Attraktiv für Einheimische seien noch Angebote der Grundversorgung, beispielsweise Apotheken oder Optiker. Daneben gebe es aber zunehmend Dienstleistungen wie Friseure oder Nagelstudios, hauptsächlich touristisch-orientierte Geschäfte drängten in die Innenstadt. Sie formuliert es folgendermaßen: „Meersburg kommt nach Überlingen.“

Alles muss raus

Schließen wird demnächst auch der Seifenladen in der Christophstraße. Dort hängt seit einiger Zeit ein Plakat mit der Aufschrift „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“. Die Inhaberin will sich gegenüber dem SÜDKURIER zu den Hintergründen der Schließung jedoch nicht äußern. Sie bestätigt aber, dass in den kommenden Monaten ein neues Geschäft dort einzieht.

Räumungsverkauf – auch der Seifenladen in der Christophstraße schließt.
Räumungsverkauf – auch der Seifenladen in der Christophstraße schließt. | Bild: Cian Hartung

Zum Monatswechsel schließt auch das Outlet-Geschäft an der Kreuzung Christophstraße/Marktstraße. Dieses gehört zu Marco Moden ein paar Meter weiter. Raphael Igel, Geschäftsführer der Kette, erklärt, dass dieser Schritt wirtschaftliche Gründe habe. Der Verkauf in zwei Läden lohne sich nicht mehr. „Wir wollen uns künftig nur noch auf ein Geschäft konzentrieren.“

Eine Touristin stöbert an der Klamottenstange vom Outlet nach geeigneter Bekleidung.
Eine Touristin stöbert an der Klamottenstange vom Outlet nach geeigneter Bekleidung. | Bild: Cian Hartung

Er sagt zudem: „Die Überlinger Innenstadt hat an Attraktivität verloren.“ Die Gründe sieht er, wie auch Lidia Braun, in der Park- und Verkehrssituation in der Stadt. Für das Geschäft im La Piazza gelte das dagegen nicht. Dort habe man die Ladenfläche kontinuierlich vergrößert und stabile Einnahmen. Igels Informationen zufolge wird die Ladenfläche in der Christophstraße vorerst leer stehen.

Schlechte Stimmung herrscht hier nicht

Nadine Wendt, Filialleiterin des Überlinger Geschäfts von Marco Moden, bedauert diese Entwicklung. Die Mitarbeiter würden in den anderen Geschäften eingesetzt. „Es ist einfach sehr schade, dass wir eines unserer Geschäfte schließen müssen. Doch wir machen das Beste daraus.“ Sie hoffe, dass es langfristig mehr Anreize für Einheimische geschaffen werde, dass Einheimische auch in der kalten Jahreszeit zum Einkaufen nach Überlingen kämen.

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Schlechte Stimmung herrscht hier grundsätzlich nicht. Wendt erklärt, dass man bald das Hauptgeschäft modernisieren werde: neuer Wandanstrich, neues Regalkonzept, neue Umkleiden. Wendt schätze an ihrer Arbeit den Kontakt mit den Kunden, sagt sie. „Wir haben hier eine große Stammkundschaft und im Sommer sind viele Touristen da.“ Seitdem die Baustelle der Jakob-Kessenring-Straße fertig sei, herrsche hier auch wieder mehr Ruhe.

Stadt: „Überzogene Vorstellungen privater Anbieter“

Wie die allgemeine Situation bei den Leerständen ist, ist aktuell nicht klar. Im November 2023 gab es in der Innenstadt 22 Leerstände, eine aktuelle Zahl lag der Stadtverwaltung Überlingen auf SÜDKURIER-Anfrage zuletzt nicht vor. „Die Zählung findet im Herbst statt, da erfahrungsgemäß in dieser Zeit die meiste Bewegung auf dem Markt für Einzelhandelsimmobilien stattfindet“, hieß es von Pressesprecherin Andrea Winkler.

Stillstand herrscht aber nicht, so die Botschaft: In der Christophstraße seien Co-Working-Flächen entstanden. Geschäfte sind nach dem Umbau wieder bezogen worden (Bodensee-Fotogalerie) oder hätten nach Umzug wieder eröffnet (Marc O‘Polo in der Münsterstraße). Der Automaten-Späti hat am Landungsplatz eröffnet, das Showtime-Fotostudio in der Münsterstraße nahm seinen Betrieb auf.

Inan Ödünc hat Ende Juli den Automaten-Späti am Landungsplatz eröffnet.
Inan Ödünc hat Ende Juli den Automaten-Späti am Landungsplatz eröffnet. | Bild: Cian Hartung

Das Interesse am Standort Überlingen sei vorhanden, leider sei die Umsetzung aber schwierig: „Überzogene Kauf- oder Mietpreisvorstellungen privater Anbieter können diesem positiven Effekt jedoch entgegenwirken – leider“, so die Stadt Ende Juni.