„Seit bald drei Wochen sitzen wir in einem virtuellen Klassenzimmer, mit 22 Matheschülerinnen und -schülern der Klasse 9 an der Realschule Überlingen. Über das Internetprogramm Moodle bekommen sie eine Einführung in die neue Thematik. Im Paket ist auch der Wochenplan, den sie vom normalen Unterricht gewöhnt sind. Übungen und kleine Video-Tutorials ergänzen das Ganze.
Täglich sind wir im Kontakt und die Schüler senden mir ihre Lösungen. Ich schaue sie mir an und gebe Rückmeldung. Das ist natürlich etwas komplizierter (hochladen, downloaden, wieder hochladen), aber machbar. Ihr Einsatz wird am Ende auch mit Fleiß-Noten belohnt.
Eltern sitzen mit im virtuellen Klassenzimmer
Die Klasse ist sogar angewachsen. Es haben sich ein paar Eltern geoutet, dass sie mit ihren Kindern heimlich im virtuellen Klassenzimmer sitzen. O-Ton einer Mutter: ‚Corona sei Dank bin ich wieder da, wo ich nie mehr hin wollte – Mathe lernen…‘ Eine andere meinte: ‚Oh, ich bin überrascht, was ich noch von meinem Matheunterricht weiß. Ich habe viel Spaß mit meiner Tochter im Matheunterricht.‘
„Es herrscht eine beeindruckende Solidarität“
Jedenfalls sind die Schüler lieb und vor allem fleißig. Ich erlebe eine sehr große gegenseitige Empathie und es herrscht eine beeindruckende Solidarität. Da hilft einer dem anderen. Bevor ich antworten kann, springt schon einer ein und sagt, er könne gerne helfen. Ich erlebe hier eine ganz besondere und neue Form der Begegnung. Der Kontakt geht über E-Mail, Moodle und Whatsapp, dabei haben wir klare Regeln, zum Beispiel nur sachliche Informationen und keine sensiblen Daten. Besondere Zeiten erfordern eben besondere Maßnahmen.

Wir sind gerade im Stoffgebiet der Geometrie und die Aufgabe war, verschiedene Körper selber herzustellen. Am Ende werden dann die Oberfläche und das Volumen berechnet. Für solches Basteln bleibt im normalen Unterricht sonst kaum Zeit, nun ist es eine willkommene Abwechslung. Für alle.
Die Schüler lernen nicht nur Mathe, sie sind in Gedanken auch außerhalb ihrer vier Wände. Daher haben sie Grußbotschaften auf ihre geometrischen Bastelergebnisse geschrieben.
Für mich als Klassenlehrer und Mathelehrer und für unsere 9e ist das eine einzige Hoffnungsgeschichte. Ich erlebe sie von einer ganz anderen, noch freundlicheren Seite.
Wir mussten leider unsere Klassenfahrt nach Berlin absagen, aber wir wachsen auf eine besondere Art und Weise zusammen. Später wird man sicher sagen, weißt Du noch, wir waren doch die Corona-Klasse.“