Noch ist es ruhig auf den Straßen in der Überlinger Innenstadt. Vereinzelt sind Spaziergänger unterwegs: ein einsamer Hänsele mit seiner Karbatsche in der Hand, zwei ältere Damen, ein Mann mit seinem Hund. Es ist 18.25 Uhr. In gut einer halben Stunde wäre die Stadt eigentlich gefüllt mit zahlreichen Hänsele, Mäschgerle und Zuschauern. Denn es ist Fasnetssamstag, der Tag an dem normalerweise der Hänselejuck stattfindet.

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In Zeiten von Corona muss die Veranstaltung wie alle anderen närrischen Aktionen ausfallen. Dennoch hat sich die Überlinger Polizei vorbereitet. „Die Fasnet ist den Bürgern hier in der Stadt heilig. Es kann durchaus sein, dass sich einige Narren treffen und sich nicht an die Vorschriften halten“, erklärt Stephan Stitzenberger, Leiter des Polizeireviers Überlingen.

Bevor es auf Streife durch die Überlinger Innenstadt geht: Stephan Stitzenberger, Leiter des Überlinger Polizeireviers, ist gespannt, ...
Bevor es auf Streife durch die Überlinger Innenstadt geht: Stephan Stitzenberger, Leiter des Überlinger Polizeireviers, ist gespannt, was der Abend für ihn und die anderen Beamten bringt. | Bild: Mona Lippisch

Unterstützung gibt es für die Überlinger Beamten sogar aus Göppingen. Drei Einsatzfahrzeuge sind von dort gekommen. Etwas mehr als 20 Polizisten sind am Samstagabend also im Einsatz. Und mit dabei ist auch der SÜDKURIER, der die Beamten auf der Streife begleiten darf.

Mit der Polizei unterwegs durch die Innenstadt: Gegen 19 Uhr ist auf den Straßen zwischen Franziskanertor und Hofstatt einiges los.
Mit der Polizei unterwegs durch die Innenstadt: Gegen 19 Uhr ist auf den Straßen zwischen Franziskanertor und Hofstatt einiges los. | Bild: Mona Lippisch

Mittlerweile ist es 18.50 Uhr. In wenigen Minuten würden sich die mehr als 1000 Hänsele sonst am Hänselebrunnen treffen und von dort, begleitet durch die Narrenmusik, in die Stadt und schließlich zur Hofstatt jucken. Ein Grund für die Polizei, sich mit ausreichend Kräften am Brunnen zu positionieren und darauf zu achten, dass es hier zu keiner Ansammlung kommt.

Die Überlinger Polizisten haben für den Abend Unterstützung aus Göppingen bekommen.
Die Überlinger Polizisten haben für den Abend Unterstützung aus Göppingen bekommen. | Bild: Mona Lippisch

Bisher ist es ruhig. Ein paar wenige Menschen sind rund um den Hänselebrunnen unterwegs. Darunter auch ein Mann, der auf der Straße mit seiner Karbatsche schnellt.

Kurz vor 19 Uhr: Einsamer Schneller am Hänselebrunnen Video: Mona Lippisch

Auch die Überlinger Narrenmutter Wolfgang Lechler und Narrenpolizist Peter Graubach sind am Brunnen eingetroffen. Lechler sagt: „Ich will, dass hier alles mit rechten Dingen zugeht und sich keine Hänsele versammeln. Wir haben den Zunftmitgliedern extra gesagt, dass niemand kommen soll. Ich hoffe, das bleibt auch so.“

Narrenpolizist Peter Graubach und Narrenmutter Wolfgang Lechler sehen am Hänselebrunnen nach dem Rechten.
Narrenpolizist Peter Graubach und Narrenmutter Wolfgang Lechler sehen am Hänselebrunnen nach dem Rechten. | Bild: Mona Lippisch

Etwas weiter entfernt legt sich derweil ein Hänsele mit einigen Beamten an. Die Polizisten hatten den jungen Mann angesprochen, weil er mitten auf der Straße Karbatsche schnellte und nicht damit aufhören wollte, als die Beamten auf ihn zugingen. Nun bekommt der Mann einen Platzverweis.

Zeigt sich nach einem Platzverweis uneinsichtig: Ein junger Mann im Hänselehäs wird von der Polizei kontrolliert.
Zeigt sich nach einem Platzverweis uneinsichtig: Ein junger Mann im Hänselehäs wird von der Polizei kontrolliert. | Bild: Mona Lippisch

Mittlerweile ist es etwas später als 19 Uhr. Die Situation hat sich in den vergangenen zehn Minuten verschärft. An der Straße bis zum Franziskanertor haben sich etwa 200 Zuschauer versammelt. Die meisten sind verkleidet und warten, ob es etwas zu sehen gibt.

Und das gibt es auch: Etwa 55 Hänsele sind unterwegs, schnellen Karbatsche und schreien „juhu“. Einige Besucher haben Musikboxen mitgebracht und spielen lautstark den Überlinger Narrenmarsch ab.

Für die Polizei ist klar: Der kleine Umzug muss beendet werden. „Das hier ist organisiert, das ist abgesprochen. Unsere Einsatzkräfte werden nun auf die Hänsele, also die Treiber des Geschehens, zugehen und sie bitten, nach Hause zu gehen“, erklärt Stephan Stitzenberger. „Denn wenn die Treiber erst einmal weg sind, dann gibt es für die Zuschauer auch keinen Grund zum Bleiben.“

Dieser Hästräger winkt den Menschen auf der Straße zu. Eigentlich hatte es die Überlinger Narrenzunft ihren Mitgliedern untersagt, am ...
Dieser Hästräger winkt den Menschen auf der Straße zu. Eigentlich hatte es die Überlinger Narrenzunft ihren Mitgliedern untersagt, am Fasnetssamstag im Häs auf die Straße zu gehen. | Bild: Mona Lippisch

Als die Beamten auf die Menschen zugehen, zeigen sich viele einsichtig, andere dagegen wollen den Platzverweis nicht einfach hinnehmen. So etwa auch ein Hänsele, den die Polizisten Stephan Stitzenberger und Andreas Rieß auf der Hofstatt antreffen. Auch dort haben sich derweil einige Besucher versammelt.

Auf der Hofstatt ist am Samstagabend einiges los. Doch schon nach einer kurzen Zeit hat die Polizei die Lage unter Kontrolle und die ...
Auf der Hofstatt ist am Samstagabend einiges los. Doch schon nach einer kurzen Zeit hat die Polizei die Lage unter Kontrolle und die Versammlung löst sich auf. | Bild: Mona Lippisch

Der Mann im Häs der Überlinger Narrenzunft benimmt sich gegenüber den Beamten unfreundlich und will seine Personalien nicht abgeben. „Ich komme aus Überlingen, man kennt mich hier. Meine Ausweis habe ich nicht dabei“, sagt er und fragt: „Warum werde ausgerechnet ich herausgezogen und muss mich hier jetzt rechtfertigen?“

Weil er durch das Schnellen mit der Karbatsche die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zog, die sich dann um ihn versammelten, erteilen ...
Weil er durch das Schnellen mit der Karbatsche die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zog, die sich dann um ihn versammelten, erteilen die Beamten Stitzenberger und Rieß dem Hänsele einen Platzverweis. | Bild: Mona Lippisch

Als Rieß und Stitzenberger dem Hänsele erklären, dass er als Treiber der Ansammlung fungiert, weil er mit der Karbatsche schnellt, reagiert der Hästräger uneinsichtig. Er schreit in Richtung der Besuchermenge: „Ich muss gehen, ich muss nach Hause.“ Nach einigen Diskussionen entschließt sich der Mann dann doch, zu gehen. Stephan Stitzenberger erklärt: „Hätte er noch weiter mit uns diskutiert, hätten wir ihn persönlich nach Hause gefahren.“

Es ist 19.40 Uhr als auf der Hofstatt etwas Ruhe einkehrt. Doch für die Beamten geht es weiter. Denn in der Lindenstraße gibt es eine kleine Ansammlung von Menschen, die zu lauter Narrenmusik schunkeln, die aus einem Fenster eines Hauses tönt. „Für uns stellt sich nun die Frage, ob der Bewohner des Hauses einsichtig ist und die Musik auf unsere Bitte abstellt – oder ob wir im Zweifel auch in die Wohnung dürfen“, sagt Stephan Stitzenberger.

Polizei stoppt Narrenmusik in der Lindenstraße Video: Mona Lippisch

Vor Ort haben die Polizisten die Situation schnell im Griff. Nach einer freundlichen Bitte an den Bewohner des Hauses, die Musik auszumachen, sind die Boxen leise. Bei den Menschen auf der Straße herrscht weniger Verständnis. Sie buhen die Beamten aus, finden es schade, dass die Musik nicht mehr an ist.

Polizisten werden ausgebuht Video: Mona Lippisch

„Wir verstehen die Leute an einem Tag wie heute. Auch wir wären gerne närrisch unterwegs. Aber in Zeiten von Corona ist das einfach nicht erlaubt. Und würden wir so etwas dulden, wäre es unfair den Menschen gegenüber, die sich an die Regeln halten und zuhause bleiben“, sagt Polizist Stephan Stitzenberger.

Sein Kollege Andreas Rieß ergänzt: „Gerade ich als Überlinger weiß, wie schön der Hänselejuck am Fasnetssamstag ist. Es ist etwas ganz besonderes. Umso mehr freuen wir uns also auf die Fasnet nächstes Jahr.“

Gegen 20 Uhr drehen die Beamten Stitzenberger und Rieß mit dem Auto ein letztes Mal eine große Runde durch die Stadt. Von der Hofstatt bis zum Franziskanertor, Richtung Busbahnhof und zu den beruflichen Schulen. Dann geht es wieder zum Polizeirevier. Es ist ruhig auf den Straßen. Kaum Menschen sind unterwegs, nur vereinzelte Spaziergänger. Es ist fast so, als hätte es die vergangene Stunde nicht gegeben.

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Anmerkung der Redaktion

In einer früheren Version dieses Textes war ein Bild aus Mühlheim an der Donau zu sehen. Dieses Foto diente allein als Symbolbild und stand in keinem Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ereignisse in Überlingen. Auch gibt es keinen Zusammenhang mit Narren aus Mühlheim an der Donau.