Nach wie vor ist die Kontroverse um einen Bebauungsplan zu einer moderaten Innenverdichtung des Wohnraums in der Fischerhäuservorstadt in Überlingen mit vielen Emotionen belegt. Es geht um den Bereich zwischen der Gartenstraße beziehungsweise Grabenstraße und dem Torhaus mit dem Parkhaus West. Stadtplaner Thomas Kölschbach und Baubürgermeister Matthias Längin sehen den aktuellen Entwurf nach mehreren Veränderungen, die von den Fraktionen angeregt oder gefordert worden waren, als gute Lösung für eine moderate Nachverdichtung an. Die Initiative der Anwohner ist jedoch nach wie vor nicht zufrieden.
Stadtplaner sieht Kompromissfähigkeit
Stadtplaner Thomas Kölschbach argumentierte, dass man durchaus über Kompromisse zu einem Konsens kommen könne. Das beweise das wesentlich größere und ebenfalls sensible Gebiet „Nußdorf Nord“. Dafür hatte der Gemeinderat zuletzt den Entwurf und dessen öffentliche Auslegung einstimmig beschlossen – in Einklang mit dem Ortschaftsrat. Die Fälle seien keineswegs vergleichbar, hielten Stadträte im Ausschuss dem entgegen. Am Ende nahm das Gremium einstimmig Kenntnis vom aktuellen Entwurf der Stadtplanung für den Bebauungsplan der Fischerhäuservorstadt.
Sitzung unter Corona-Bedingungen im Feuerwehrhaus
Zur Beruhigung des Konfliktes hatte der Verlauf der Sitzung unter Corona-Bedingungen im Feuerwehrhaus kaum beitragen können, auch wenn Thomas Kölschbach sämtliche Argumente der Anwohner-Initiative mit seiner Präsentation einzeln zu widerlegen versuchte. Die Kritiker konnte er auch mit seinem Hinweis nicht besänftigen, dass es bei dem Entwurf lediglich um eine Erweiterung der bebaubaren Grundfläche von rund 150 Quadratmetern gegenüber dem Bestand gehe. Entscheidender sei die nicht näher bezifferte Zunahme der Wohneinheiten und der Wohnfläche. Gerade dies ist allerdings ein Anliegen der Verwaltung, um den innerstädtischen Wohnraum moderat zu vermehren.

Thema im Ausschuss zu früh aufgerufen
Auf Nachfrage der Initiative, wann der Tagesordnungspunkt voraussichtlich aufgerufen werde, hatte die Verwaltung die Uhrzeit „ca. 14.45 Uhr“ angegeben. Exakt um 14.45 Uhr betrat daher Eric Hueber, ein Sprecher der Nachbarschaft, den Feuerwehrsaal. Doch hatte die Beratung mit der Stellungnahme von Stadtplaner Thomas Kölschbach schon um 14.30 Uhr begonnen. Kölschbach hatte sich zu diesem Zeitpunkt über das Fehlen von Vertretern der Initiative im Zuhörerbereich geäußert: „Jetzt machen wir alles transparent und jetzt ist nicht einmal jemand da. Das ist bedauerlich.“ Doch das sollte sich ab der vorab mit der Initiative kommunizierten Uhrzeit ändern.

Laut Baubürgermeister Matthias Längin liegt ein Familienzwist vor
Der Disput wird von wechselseitigen Schuldzuweisungen beherrscht. Nachdem die Verwaltung auf schriftliche Bitten der Nachbarschaft um ein Gespräch zur Beteiligung im Vorjahr zunächst nicht reagiert hatte, lud die Initiative alle Anwohner zu einer Informationsveranstaltung ein, an der einige Stadträte, teilweise moderierend, teilnahmen. Schon mehrfach gab Stadtplaner Thomas Kölschbach seitdem zu Protokoll, wie sehr es die Verwaltung bedauere, damals nicht eingeladen worden zu sein. Schließlich war es im Juli 2020 zu einem Gespräch gekommen, mit dessen Resultat die Bürger aus verschiedenen Gründen nicht zufrieden waren. Für besonderen Unmut bei den Anwohnern sorgte Baubürgermeister Matthias Längin in der aktuellen Sitzung mit seiner Aussage, die Ursache der ganzen Kontroverse sei in einem Familienzwist zu verorten.

Für Stadtplaner sind die Sprecher nicht repräsentativ
Thomas Kölschbach zog zudem in Zweifel, dass das Sprecherquartett der Nachbarschaft mit „Gassenpfleger“ und „Gassenmessmer“ alle Bewohner des Quartiers repräsentiere. Als bemerkenswertes Indiz wertete er, dass ein anderer Hauseigentümer die Aufstockung seines Wohnhauses dezidiert angefragt habe. Für Unmut bei der Initiative sorgte die Aussage von Baubürgermeister Matthias Längin, dass der ganze Konflikt seine Wurzeln lediglich in einem Familienzwist habe. Eric Hueber sagte im Nachgang, dass die Anwohner, die gegen ein aktuelles Bauvorhaben Widerspruch eingelegt hätten, mit den Bauwilligen „weder verwandt noch verschwägert“ seien.
Eine Kontroverse entzündet sich nach wie vor an der Schaffung von Parkmöglichkeiten für Autos. Unter der ehemaligen Werkstatt von Victor Mezger sollte nach Wünschen der Bedenkenträger aus jüngerer Zeit keine Tiefgarage entstehen. Doch aus dem Gremium kam von der Fraktion LBU/Grüne nun die Anregung, doch eine zentrale Quartiersgarage mit einer Zufahrt aus dem Parkhaus West heraus zu planen. Da davon zahlreiche Privateigentümer betroffen wären, sah Stadtplaner Thomas Kölschbach dies wegen grundstücksrechtlicher Hürden als zu kompliziert, ja unrealistisch an.
Das meinen die Stadträte:
Nachbarn hätten sich ein Modell gewünscht
Eine Tiefgarage hätte weder eine 3D-Visualisierung noch ein Gipsmodell des Entwurfs auf einfache Weise abbilden können. Doch die Nachbarschaft hatte von einem greifbaren Modell einen Eindruck von den künftigen Baukörpern versprochen. Ein an dieser Stelle eher sachfremdes Argument führte Stadtrat Michael Wilkendorf ins Feld. In Anbetracht der Corona-Beschränkungen sei eine digitale Darstellung aus hygienischer Sicht ungefährlicher. Stadtplaner Thomas Kölschbach dagegen hatte auf die Mehrkosten von 6000 Euro für ein Gipsmodell verwiesen, zudem auf eine größere Flexibilität und Variabilität bei einer Computeranimation. Zumindest wenn der Bürger die erforderliche Leitungskapazität ins Internet besitze.

Stadt lehnt Finanzierung eines Modells durch Bürger ab
Wie berechtigt diese vorweggenommene Einschränkung in der Realität ist, musste Kölschbach im Feuerwehrhaus selbst erfahren, als die Darstellung beim Versuch des Einzoomens schnell hängenblieb. Deshalb schob Baubürgermeister Matthias Längin am Ende noch das Versprechen nach, dass die Verwaltung gern inhaltliche Details zu liefern bereit sei, wenn die Visualisierung auf den heimischen Rechner nicht funktioniere. „Sie werden verstehen, dass wir eine hoheitliche Aufgabe wie die Stadtplanung nicht von dritter Seite finanzieren lassen können“, kommentierte Längin ein Angebot der Initiative und des Vereins Bürgersinn, die Kosten für ein handfestes Modell zu übernehmen oder sich daran zu beteiligen. Sobald es die Bedingungen zuließen, werde man dies alles bei einer Bürgerinformation vorstellen und erläutern.