Herr Zeitler, die ersten 100 Tage im neuen Amt sind fast vorbei. Wie haben sich diese Tage von den ersten hundert Tagen 2017 unterschieden?

Zeitler: Der Übergang verlief so schnell, dass ich gar nicht durchatmen konnte. Ich bin so tief drin in den Themen, wie es damals als Neueinsteiger nicht möglich war. Deshalb konnte ich nahtlos an die erste Amtszeit anknüpfen.

Sie haben etwas gemeinsam mit dem neuen Bundeskanzler, auch er benötigte einen zweiten Wahlgang. Daher noch einmal eine kurze Rückblende auf die knappe Wahlentscheidung. Wie nachdenklich gemacht hat Sie die Tatsache, dass zwar 50 Prozent plus der abgegebenen Stimmen, doch aber nur ein Viertel der Bürgerinnen und Bürger für Sie votierten?

Zeitler: Eine Wahlbeteiligung von knapp 50 Prozent bei einer Oberbürgermeisterwahl finde ich im Vergleich zu anderen OB-Wahlen gar nicht schlecht. Ich hatte einen örtlich bekannten und verankerten Wettbewerber. Dass die Wahl eng werden könnte, lag auf der Hand. Wir haben ein demokratisch legitimiertes Ergebnis von 50,6 Prozent. Bei meiner ersten Wahl vor acht Jahren waren es 50,1 Prozent. Insofern ist es diesmal besser als beim ersten Mal.

Hat das Wahlergebnis seitdem in irgendeiner Weise Einfluss auf Ihr Handeln gehabt?

Zeitler: Weniger das Ergebnis, sondern das, was ich im Wahlkampf aufgenommen habe. Dinge, die mich nachdenklich machten und nachdenken ließen. Warum gab es so eine stark fokussierte Gruppe, die sagte, wir wollen einen anderen Kandidaten? Letzten Endes wird man feststellen, dass vieles aus diesem intensiven Wahlkampf sich im weiteren Handeln widerspiegeln wird.

Wo?

Zeitler: Bei den Bürgerkontakten, beim Unterwegssein in der Stadt, ansprechbar sein. Besonders wertvoll wird ein Format sein, das wir gerade entwickeln, mit dem ich Präsenz in der Fußgängerzone haben werde. Einen ersten Termin an einem Samstagmorgen wird es noch in der ersten Jahreshälfte geben.

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Im Wahlkampf hatten nicht wenige Kritiker eine geringe Bürgernähe des OB beklagt. Können Sie das nachvollziehen?

Zeitler: Aus welchem Kreis kommt das, vielleicht aus einem interessierten Kreis, der den Wettbewerber unterstützt hat? Andere Leute schreiben mir, dass sie noch nie so einen bürgernahen OB erlebt hätten wie mich. Ich empfinde mich nicht als bürgerfern. Ich bin ansprechbar. Den Vorwurf der fehlenden Bürgernähe finde ich wahnsinnig schwer zu greifen. Ein OB hat zu Jahresbeginn einen fest getakteten Kalender, ich kann nicht an jedem Tag in der Stadt unterwegs sein, dann schaffe ich meine Außentermine nicht. Ich will bürgernah sein, ich glaube auch, dass ich es bin, kann es aber nicht zu jeder Tageszeit abbilden.

Sie sagten gerade, dass Sie auf dem Markt am Samstag präsent sein möchten. Was dürfen die Bürger erwarten?

Zeitler: Ich habe im Wahlkampf die sehr gute Erfahrung damit gemacht, wie es ist, sich die Zeit zu nehmen und drei, vier Stunden auf dem Markt direkt ansprechbar zu sein. Ganz niederschwellig.

Die „Bürgerlounge“ im Oktober 2017 kam bei den Bürgern gut an. Der SÜDKURIER titelte damals: „Eine gelungene Premiere.“ Warum haben Sie daran nicht angeknüpft?

Zeitler: Es gab eine weitere Bürgerlounge, dann eine längere pandemiebedingte Unterbrechung, und das Format wurde im Wahlkampf wieder aufgegriffen. Es wird weitere Bürgerlounges geben, ich weiß aber noch nicht, in welcher Örtlichkeit. Zudem gibt es ja auch noch meine Bürgersprechstunde, die jeden Monat stattfindet. Jeweils zwei Stunden mit insgesamt sieben bis acht Gesprächen. Dieses Angebot war nie unterbrochen.

Jan Zeitler in seinem Dienstzimmer. Er wurde im Dezember 2024 für eine zweite Amtszeit gewählt.
Jan Zeitler in seinem Dienstzimmer. Er wurde im Dezember 2024 für eine zweite Amtszeit gewählt. | Bild: Stefan Hilser

„Weniger Verwaltung, mehr Ermöglichung“ – das hat der Parteivorsitzende Ihrer Partei, Lars Klingbeil, dieser Tage als Devise der neuen Bundesregierung angekündigt. Wo könnte man das auf die Stadt Überlingen übertragen?

Zeitler: Den Worten von Lars Klingbeil schließe ich mich gerne an. Und ich weise darauf hin, dass vieles von dem, was uns das Leben als Verwaltung vor Ort schwer macht, durch die übergeordnete Ebene veranlasst wurde. Beispielsweise beim Vergaberecht. Wir sind gehalten, in der Regel den günstigsten Anbieter zu nehmen – wohl wissend, dass dies am Ende nicht immer die günstigste Wahl ist. Auch andere Verfahren, wie beispielsweise das Baugenehmigungsverfahren, produzieren Formalien, die durch den Gesetzgeber entstanden sind.

Bürger berichten von Fällen, wo die Verwaltung – wenn überhaupt – sehr langsam auf Anfragen aus der Wirtschaft oder Anliegen aus der Gesellschaft reagiere und oft eher eine Gefahr als eine Chance sehe. Die Genehmigung des Public Viewing auf dem Landungsplatz war langwierig, eine Gastrohütte zur Belebung des neuen verkehrsberuhigten Bereiches in der Adventszeit wurde abgelehnt. Wo könnte auch die Stadt am Abbau von Hindernissen arbeiten?

Zeitler: Das Beispiel Public Viewing überrascht mich, denn hier habe ich persönlich daran mitgewirkt, dass es kurzfristig klappt. Das größte Problem ist doch, wenn so ein Antrag erst drei Wochen vor dem Termin eingereicht wird. Wenn man weiß, dass eine Fußball-EM stattfindet, dann macht es Sinn, zwei bis drei Monate vorher den Antrag zu stellen. Das andere Beispiel: Eine Gastrohütte in der Stadt mal schnell aufzustellen, funktioniert nicht, weil es um öffentliche Flächen geht. Wenn wir es einmal zulassen, ist schnell die ganze Stadt voller Hütten. Deswegen haben wir ein Veranstaltungskonzept. Wer rechtzeitig anfragt, bekommt auch rechtzeitig eine Antwort. Ich weiß um den Vorwurf interessierter Gruppen und nehme die Verwaltung in Schutz. Wir sind bereit, schnell zu sein, wenn alle Unterlagen vorliegen und rechtzeitig eine Entscheidungsreife herbeigeführt werden kann.

Für alltägliche Bürgernähe steht der Bürgerservice Ü-Punkt. Schon vor der Wahl wurde dessen Abschottung von Bürgern beklagt. Die CDU hat dies jetzt mit einem förmlichen Antrag aufgegriffen und freie Zeitfenster ohne Anmeldung gefordert. Wird sich daran etwas ändern?

Zeitler: Die Möglichkeit beim Ü-Punkt gibt es jetzt schon, man kann jederzeit ohne Termin vorbeikommen. Wir lassen uns etwas einfallen, um das noch deutlicher zu machen. Das Ziel der Terminvereinbarung ist es, einen guten Service mit wenig Wartezeit zu bieten. Den Antrag der CDU werden wir natürlich bearbeiten und beantworten. Es wird dann die eine oder andere Ergänzung geben.

Wie funktioniert es, wenn man keinen Termin vorab vereinbart hat?

Zeitler: Hingehen und unter Umständen eine Wartezeit von 20 bis 30 Minuten einkalkulieren. Das geht, aber es kann ja nicht das Ziel sein, dort zu sitzen und auf den Termin zu warten, wenn es punktgenau möglich ist.

Der Wartebereich ist nicht besonders einladend.

Zeitler: Ich saß letztens auch kurz dort und fand es akzeptabel. Wir haben bisher sieben Arbeitsplätze im Ü-Punkt. Andere Städte vergleichbarer Größe kommen mit weniger Plätzen aus. Wir überlegen nun, ob wir den Wartebereich attraktiver gestalten können.