Die 24 Jahre von 1969 bis 1993, die den am Karfreitag verstorbenen Reinhard Ebersbach als Bürgermeister prägte, spiegeln in Überlingen die gesamtdeutsche Entwicklung jener Zeit wider. Jener Schultes, den der am 11. November 1938 im Schlesischen Hirschberg geborene brillante Redner Ebersbach überraschend mit gerade mal 37 Stimmen besiegte, Anton Wilhelm Schelle (1909 bis 1999), hatte das Rathaus 1948 übernommen und repräsentierte die Kriegsgeneration, die das Land wieder aufbaute. Hatte Schelle die Lösung der Wohnungsnot als seine wichtigste Aufgabe verstanden, kamen auf Ebersbach völlig neue Probleme zu. Herausforderungen, die Stadt, Land und Bund teils bis heute begleiten. Die Ära Ebersbach begann mit einer brennenden umweltpolitischen Aufgabe: Durch die Einleitung ungeklärter Abwässer war der Bodensee stark verschmutzt.

Oberbürgermeister Reinhard Ebersbach mit Amtskette. Das Bild entstand Anfang der 1990-er Jahre. Am Karfreitag verstarb der Alt-OB im ...
Oberbürgermeister Reinhard Ebersbach mit Amtskette. Das Bild entstand Anfang der 1990-er Jahre. Am Karfreitag verstarb der Alt-OB im Alter von 85 Jahren. | Bild: SÜDKURIER-Archiv

Investitionen in einen sauberen Bodensee

„Die Lösung der Abwasserfrage“, wie es Ebersbach selbst in einem Interview zu seinem Zehnjährigen 1969 formulierte, stand zentral. Parallel zum Bau einer Kläranlage und der Gründung des Verbandes Abwasserbeseitigung Überlinger See musste ein Ufersammler gebaut werden, was die Neugestaltung der Promenade nach sich zog. Quasi als oberirdische Erinnerung daran, wie viel Geld in den Untergrund betoniert wurde. 1974 wurden Ufersammler und Verbandskläranlage fertiggestellt. Sie kosteten zusammen 38,5 Millionen Mark. Als 1978 die Promenade durchgängig vom Osthafen bis zum Westbad führte, nun waren über vier Kilometer Flaniermeile geschaffen, hatte dies mit insgesamt 5,3 Millionen Mark zu Buche geschlagen.

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Eingeweiht wurde die Überlinger Promenade im August 1976. Wegen der jahrelangen Beeinträchtigungen kam Ebersbach auf die Idee eines großen Einweihungsfestes, das zudem den Vereinen Geld einbringen sollte. Denn das Thema Abwasser hatte die Stadtkasse derart leer gespült, dass für Vereinszuschüsse erst mal nichts mehr da war. Die Geburtsstunde des Promenadenfestes, das bis heute das größte Fest in der Stadt ist.

Reinhard Ebersbach war immer nah bei den Menschen. Mit Stolz trug er die Überlinger Narrenkappe, hier beim Fastnachtsumzug Im Jahr 2003. ...
Reinhard Ebersbach war immer nah bei den Menschen. Mit Stolz trug er die Überlinger Narrenkappe, hier beim Fastnachtsumzug Im Jahr 2003. Drei Jahrzente lang, von 1970 bis 2000 brillierte er selbst als geschliffener Büttenredner beim Dorferfrühschoppen. | Bild: Martin Baur

In seiner Amtszeit wächst die Stadt

Oberirdische Projekte gab es Anfang der 1970er-Jahre wenige. Indes entwickelte sich das Provinzstädtchen, das seiner Reichsstadtherrlichkeit nachtrauerte, hin zu einer modernen Kleinstadt mit neuem Selbstbewusstsein. In Ebersbachs Amtszeit wuchs Überlingen von 12.837 Einwohnern (1969) auf 20.761 Einwohner (1993) und wurde damit „Große Kreisstadt“ – deshalb wurde auch aus dem Bürgermeister Ebersbach noch für die letzten Amtsmonate der erste Oberbürgermeister.

In welcher Liga Reinhard Ebersbach auch als Jurist spielte, erläutert sich unter dem Stichwort Zweitwohnungssteuer. Er hatte die Idee dazu und Überlingen war die erste deutsche Stadt, die sie zum 1. Januar 1973 einführte. Dieses „Überlinger Modell“ wurde in den darauf folgenden Jahren durch alle Instanzen hinweg auf seine Zulässigkeit gerichtlich geprüft. Den Schlusspunkt setzte das Bundesverfassungsgericht erst 1983 mit der Aussage, die Zweitwohnungssteuer sei eine „rechtlich zulässige örtliche Aufwandssteuer“.

Die Konsolidierungsphase unter Ebersbach beinhaltete in vielerlei Hinsicht weitere Investitionen in Bereichen, die sich nicht als solitäres Denkmal wie etwa der Schelle‘sche Burgberg oder die unter Ebersbachs Nachfolger Klaus Patzel entstandene Therme präsentieren.

Er war auch ein Förderer von Kunst und Kultur: Hier verleiht Reinhard Ebersbach den Bodensee Literaturpreis an Golo Mann.
Er war auch ein Förderer von Kunst und Kultur: Hier verleiht Reinhard Ebersbach den Bodensee Literaturpreis an Golo Mann. | Bild: Fritjof Schultz-Friese

Er kämpfte seit 1969 für eine Stadthalle

Ein wichtiger Posten in der Bilanz Ebersbachs war, als Überlingen an die Bodenseewasserversorgung angeschlossen wurde. Die Stadtwerke zogen in ihren Neubau ein, zahlreiche städtische Gebäude wurden saniert, inklusive Kursaal. Für Ebersbach die kleinste aller Lösungen, denn eigentlich war es ihm schon zu seiner ersten Wahl um die große Lösung gegangen: „Die Stadthalle, die ich schon 1969 gefordert hatte, steht noch immer nicht“, sagte er im Interview 1979. Die Investitionen für die Abwasserbeseitigung hätten verhindert, „dass der Bau einer geeigneten Versammlungsstätte für Bürger und Gäste bis jetzt nicht möglich war“. Bis zum Amtsende 1993 kämpfte Ebersbach vergeblich um jene Versammlungsstätte. Sie fehlt auch heute noch, 45 Jahre und vier weitere Stadtoberhäupter später.

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Als Reinhard Ebersbach 1994, ein Jahr nach Amtsende, das Bundesverdienstkreuz am Bande erhielt, würdigte die Auszeichnung ihn insbesondere als „Verfechter des europäischen Gedankens“. Er war es, der trotz gewisser Skepsis, ob sich die Freundschaft mit dem französichen Chantilly mit Leben füllten lasse, diese Städtepartnerschaft massiv vorantrieb. Gleiches gilt für die zweite Partnerschaft mit dem sächsische Bad Schandau, das ihn zum Ehrenbürger machte, weil er die Elbestadt „in vielfältiger und umfassender Weise unterstützt habe, wobei nie Besserwissen oder ein Überstülpen bestehender Meinungen“ vorgekommen sei. Wie sagen es Weggefährten von damals: Bei aller konsequenten Sitzungsführung etwa im Gemeinderat, war seine Devise, andere Meinungen zu respektieren – und Menschen auch so sein zu lassen, wie sie sind.