„Ich würd‘s nochmal machen!“ 24 Jahre lang, von 1969 bis 1993, war Reinhard Ebersbach Chef im Überlinger Rathaus. Erst als Bürgermeister, später als Oberbürgermeister, prägte er die Stadt in Zeiten des Umbruchs. „Das war eine schöne Zeit. Ich bin keinen Tag unlustig ins Büro“, sagte er einmal. „Wenn ich jetzt nochmals 30 wäre, ja, dann würde ich es nochmals machen.“

An Karfreitag ist Reinhard Ebersbach im Alter von 85 Jahren gestorben. Davon kündet die Totentafel am Nikolausmünster und eine Trauerbeflaggung vor dem Rathaus. Vergangene Woche noch erhielt er Besuch von Amtsinhaber Jan Zeitler, der tief betroffen die Todesnachricht bestätigte. „Er ist mir in den letzten Jahren zu einem wertvollen Ratgeber und guten Freund geworden“, so Zeitler in einer ersten Stellungnahme.

Reinhard Ebersbach ist an Karfreitag gestorben, hier in eine Bild vor dem historischen Rathaus.
Reinhard Ebersbach ist an Karfreitag gestorben, hier in eine Bild vor dem historischen Rathaus. | Bild: Hilser, Stefan

Ebersbach war bis zuletzt eine Person des öffentlichen Lebens, hellwach und stets aufmerksamer Gesprächspartner. Er war ein Chronist der Nachkriegsgeschichte. Seine Familie und die Stadt trauern um ihn.

Ein Meilenstein seiner Amtszeit ist der Bau des Ufersammlers (auf ihr liegt die Uferpromenade), einhergehend mit der Schaffung öffentlicher Grünflächen vor ehemals nur privat zugänglichen Villen am Bodensee. Auf sein Konto geht der Bebauungsplan rund um das Gymnasium, was mit Enteignungen verbunden war. Und Ebersbach ist der Erfinder der Zweitwohnungssteuer, die es zuvor in Deutschland nicht gegeben hat.

Ein „Wir“ im Rathaus

Seine erste Wahl im Herbst 1969 gegen Platzhirsch Anton Wilhelm Schelle, war eine Sensation. Der 30-jährige Sozialdemokrat Reinhard Ebersbach, Assistent des Landrats im damaligen Überlinger Landratsamt, gewann die Wahl mit 37 Stimmen Vorsprung. Selbst der damalige SPD-Vorsitzende Arthur Kirchmaier hatte gezweifelt. In einer SPD-Sitzung habe er gesagt: „Der Schelle wird‘s natürlich wieder, aber wir müssen als SPD was zeigen.“ Bei der Heimfahrt von der Sitzung kam Ebersbach die Eingebung: „Ich bin nach Hause gefahren, meine Frau war beim Spargelschälen. Ich bin rein, habe ihr einen Kuss gegeben und gesagt, Jutta, was hältst du davon, wenn wir Bürgermeister in Überlingen werden. Und Jutta: Ja, das machen wir.“

Ein Traumpaar: Reinhard und Jutta Ebersbach (an der Fastnacht 2020).
Ein Traumpaar: Reinhard und Jutta Ebersbach (an der Fastnacht 2020). | Bild: Hilser, Stefan

Geistig „ausgehungert“

Reinhard Ebersbach lernte seine Frau im Jura-Studium in Tübingen kennen. „Erst wollte ich Journalist werden, dann habe ich aber gemerkt, das ist nicht das Richtige für mich, worauf ich zur Bundeswehr gegangen bin. Nach eineinhalb Jahren war ich geistig so ausgehungert, dass ich dachte, jetzt studierst Du Jura“ Im Hörsaal sah er sie: „Eine attraktive Frau. Ich dachte, die ist es. Nach dem zweiten Examen haben wir geheiratet und ich wusste, jetzt musst du irgendwo Brötchen verdienen. Ich dachte, gehst du in den Staatsdienst und wirst irgendwann Bundeskanzler oder sowas.“

1987 die Verleihung des Bodensee Literaturpreises an Golo Mann (rechts) durch den damaligen Oberbürgermeister von Überlingen, Reinhard ...
1987 die Verleihung des Bodensee Literaturpreises an Golo Mann (rechts) durch den damaligen Oberbürgermeister von Überlingen, Reinhard Ebersbach. | Bild: Fritjof Schultz-Friese

VW Käfer statt Mercedes

Es war die Zeit des Übergangs im Bund von Kiesinger zu Brandt. „Der Wechsel lag auch in Überlingen in der Luft“, wie Ebersbach spürte. Eine Anekdote um den städtischen Dienstwagen macht den Gesinnungswandel deutlich: Auf dem Werkhof stand schon der neue Mercedes 250, den sich Schelle in der Gewissheit des sicheren Siegers kommen ließ. Dann aber gewann Ebersbach die Wahlen. „Ich gab den Wagen zurück und fuhr zuerst weiter mit meinem VW Käfer, später als Dienstfahrzeug dann mit einem BMW.“

Reinhard Ebersbach stieß anlässlich seines 80. Geburtstags mit seinen Nachfolgern Jan Zeitler und Volkmar Weber (von links) an.
Reinhard Ebersbach stieß anlässlich seines 80. Geburtstags mit seinen Nachfolgern Jan Zeitler und Volkmar Weber (von links) an. | Bild: Hanspeter Walter

So wie der Volkswagen symbolhaft für den Beginn seiner Amtszeit steht, steht er auch für Ebersbachs Amtszeit. Er war ein Mann des Volkes, er schüttelte gerne Hände, und konnte sehr sehr viele Überlinger mit Namen begrüßen. Das habe ihm der damalige Landrat Karl Schiess, dessen Assistent er während der Kreisreform war, ins Stammbuch geschrieben: „Fahrt raus, redet mit den Leuten, guckt auch mal ins Gesetz rein, aber redet mit den Leuten.“

Der Ufersammler: Sein Lebenswerk

Ebersbach war ein Mann mit Gespür für Volkes Wille. Durch und durch Sozialdemokrat, verspürte er auch Jahrzehnte später noch eine kindliche Freude beim Gedanken daran, wie er private Seegrundstücke, darunter das Teilstück zwischen Liebesinsel und Keller-Werft, für Jedermann zugänglich machte.

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Den Bau des Ufersammlers brachte er als Großprojekt durch den Gemeinderat, wie man es sich heute nicht mehr vorstellen kann. „Da hing an der Leinwand eine Strichzeichnung von einem großen Rohr, und das war‘s. Und eine Kostenschätzung von 1,7 Millionen.“ Und wie viel hat der Ufersammler tatsächlich gekostet? „20 Millionen Mark.“

Wegbereiter für die Partnerschaften zu Chantilly und Bad Schandau. Reinhard Ebersbach (links) bei einer Jubiläumsfeier in der ...
Wegbereiter für die Partnerschaften zu Chantilly und Bad Schandau. Reinhard Ebersbach (links) bei einer Jubiläumsfeier in der französischen Partnerstadt. | Bild: Hanspeter Walter

Niederlagen nahm Ebersbach demokratisch sportlich, so beim Bürgerentscheid gegen das von ihm gewollte Kurhaus. Oder bei der Abstimmung gegen eine von ihm favorisierte Bodensee-Autobahn. Er war erst 55 Jahre alt, als er seinen Platz im Rathaus räumte, fortan als Rechtsanwalt arbeitete und sich als Vater, Opa und Familienmensch noch wichtigeren Dingen widmen konnte. „Ich habe mir gesagt, Reinhard, du bist jetzt 24 Jahre Bürgermeister gewesen, du bist dauernd in der Zeitung und so weiter, die Stadt braucht mal ein anderes Gesicht, sie braucht auch einen, der Probleme anders anfängt.“

Zwei verdiente Bürger der Stadt, die sich gemeinsam im hohen Alter für die Landesgartenschau stark machten: Reinhard Ebersbach (links) ...
Zwei verdiente Bürger der Stadt, die sich gemeinsam im hohen Alter für die Landesgartenschau stark machten: Reinhard Ebersbach (links) und der langjährige Stadtrat Winfried Ritsch. | Bild: Hanspeter Walter

Als 2013 ein Bürgerentscheid für die Landesgartenschau anstand, empfand Ebersbach eine Art Déjà-vu. Wie beim Kurhaus ging es auch hier um eine Zukunftsentscheidung. Er übernahm den Vorsitz im Verein der LGS-Befürworter. Ebersbach: „Da musste ein Zugpferd her, das konnte man ja nicht den Gegnern überlassen. Da war für mich klar, bei der Sache musst du mitspielen.“