„Ride it right“ hatte das Innenministerium im August 2020 seine Kampagne zum verantwortungsbewussten Umgang mit E-Scootern im „Länd“ völlig unschwäbisch benannt. Am richtigen Abstellen der Geräte hapert es jedoch zumindest beim Probebetrieb in Überlingen mit den Leihscootern der Firma TierMobility noch hier und da. Obwohl das Amt für öffentliche Ordnung „im Großen und Ganzen“ zufrieden ist, wie es in einer Mitteilung der Stadt heißt. Insbesondere auf den Steigungsstrecken zum Burgberg oder zu Schättlisberg und Krankenhaus scheint sich das Angebot zu bewähren.

Parkplatz mit Aussicht bei St. Leonhard.
Parkplatz mit Aussicht bei St. Leonhard. | Bild: Hanspeter Walter

Vor drei Jahren fasste die Mikromobilität in den Metropolen mehr und mehr Fuß – mit allen Licht- und Schattenseiten. Inzwischen hat der Boom auch die kleineren Städte erfasst. Nach dem Probelauf in Friedrichshafen 2021 läuft seit 2. Juli der dreimonatige Testbetrieb von Tier Mobility in Überlingen.Auch in Markdorf ist ein Probelauf eines anderen Anbieters geplant.

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Auf den ersten Blick wirkte der Betrieb in Überlingen von Anfang an relativ geordnet. Was nicht heißt, dass nicht einzelne Fahrzeuge unsachgemäß abgestellt waren. Die Kritiker waren erwartungsgemäß schnell auf dem Plan und meldeten jeden querstehenden Scooter auf Gehwegen.

E-Bike und E-Scooter am P+R-Parkplatz beim Krankenhaus.
E-Bike und E-Scooter am P+R-Parkplatz beim Krankenhaus. | Bild: Hanspeter Walter

Ordnungsamt vermeldet einige Beschwerden

In den ersten Wochen seien einige Beschwerden eingegangen, ist auch aus dem Ordnungsamt zu vernehmen, das insgesamt zwölf Parkflächen für die E-Roller ausgewiesen hat. Die gibt es am Bahnhof Nußdorf ebenso wie am Bahnhof Therme beim Uferpark oder beim Park-and-Ride-Platz am Krankenhaus. Sie sind auch in der App aufgenommen und abgebildet, mit der jedes verfügbare Gerät gespottet und auf seine Restreichweite hin überprüft werden kann. Außer in ausdrücklich ausgewiesenen Sperrzonen – dazu gehören unter anderem die gesamte Promenade, die städtischen Grünflächen und der Friedhof – können die Leihroller jedoch überall abgestellt, aus der App abgemeldet und vom nächsten Nutzer übernommen werden.

Falsch geparkte Roller werden schnell zum Hindernis

Störende E-Scooter meldet das Ordnungsamt Mitarbeitern der Firma. Auch der Gemeindevollzugsdienst ist angewiesen, bei Bedarf die Position der Roller zu korrigieren, die für Rollstühle oder Kinderwagen schnell zu einem Hindernis werden können. Darauf hatten Gemeinderäte auch bei der Beratung ebenso hingewiesen wie auf die zahlreichen älteren Menschen in der Stadt.

Willkommene Anschlussmobilität für Wohnmobilisten.
Willkommene Anschlussmobilität für Wohnmobilisten. | Bild: Hanspeter Walter

„Für Touristen kann es sicher interessant sein“

Wer von der jungen Generation uneingeschränkte Begeisterung erwartet hatte, mag sich wundern über die politisch korrekten Aussagen eines Jugendgemeinderats. „Ein E-Scooter-Angebot kann die Stadt attraktiver machen und wertet sie auf“, ist Sven Erik Feger überzeugt. Insbesondere auf dem Weg zu einer autofreien Innenstadt könne es ein interessanter Beitrag sein. Dennoch sieht auch Feger das Fortbewegungsmittel sehr differenziert. „Für Touristen kann es sicher interessant sein.“ Ansonsten müsse man sich erst an den Umgang gewöhnen und die Bedingungen zur Nutzung optimieren. Noch interessanter als die Scooter findet Feger die E-Bikes, die ebenfalls als Leihfahrzeuge in Überlingen zur Verfügung stehen.

Mit dem Roller ins Strandbad.
Mit dem Roller ins Strandbad. | Bild: Hanspeter Walter

3000 Nutzer und rund 12.000 Fahrten

„Mit der Bilanz seit unserem Start am 4. Juli in Überlingen sind wir sehr zufrieden“, sagt Patrick Grundmann von der Tier-Pressestelle in Berlin. Insgesamt hätten bislang knapp 3000 Nutzer rund 12.000 Fahrten mit den 250 E-Scootern und 50 E-Bikes unternommen. „Das sind sehr gute Zahlen für den ersten Monat“, betont Grundmann, „auch im Vergleich zu anderen Städten und vor allem, wenn man bedenkt, dass Überlingen nur etwa 22.500 Einwohner hat.“ Das zeige, dass von Anfang an das Interesse und die Nachfrage für klimaneutrale Mikromobilität in der Stadt sehr groß gewesen sei.

Mitarbeiter wechseln Akkus und parken Fahrzeuge um

Um Logistik und Wartung der Fahrzeuge kümmere sich ein Team festangestellter Mitarbeiter. Diese Ranger tauschen einerseits die Wechselakkus der Fahrzeuge aus und führen Sicherheitschecks sowie kleinere Wartungsarbeiten direkt auf der Straße aus. Andererseits bringen sie länger nicht genutzte E-Scooter und E-Bikes an andere Stellen der Stadt oder parken diese um, wenn sie an einer ungeeigneten Stelle abgestellt worden sind. „Zudem nehmen sie reparaturbedürftige Fahrzeuge in das lokale Lager mit und machen sie wieder fahrtüchtig“, erklärt der Pressesprecher.

Es geht doch: Ordentlich geparkt am Burgbergring.
Es geht doch: Ordentlich geparkt am Burgbergring. | Bild: Hanspeter Walter

Galgenhölzle-Wirt beobachtet immer wieder kritische Situationen

Für glatten Firlefanz hält Michael Jeckel, langjähriger CDU-Stadtrat und Wirt des Galgenhölzle, die ganze Aktion. Die Roller seien weit in der Stadt verstreut, weil die Nutzer sie nicht an den vorgesehenen Plätzen abstellen, kritisiert Jeckel. Die App sei hier fehlerhaft. Zudem sei die Münsterstraße in der App nicht als Fußgängerzone ausgewiesen. Dort beobachte er immer wieder kritische Situationen: „Muss denn erst ein Kind angefahren werden?“ Jeckel, der 2020 mit hölzernen Pollern eine eigensinnige Aktion gegen Radler in der Münsterstraße startete, meint: „Jetzt kriegen sie es in der Stadt schon mit den Fahrrädern nicht hin, jetzt kommt der Firlefanz noch dazu.“