Überlingen Es ist ein warmer Sonntagmorgen am Bodensee. Vor dem Kursaal tummeln sich viele Konzertbesucher, die beim Auftakt des Internationalen Konzertrings der Stadt Überlingen dabei sein möchten.

Von März bis November finden im Kursaal fünf hochklassige Konzerte statt – an diesem Sonntag, 23. März, zeigt die Meisterpianistin Sheila Arnold aus Köln ihr Können. Pünktlich zum Beginn der Matinee um 11 Uhr tritt Georg Mais – Dirigent und Leiter der südwestdeutschen Mozartgesellschaft, die den Konzertring organisiert – vor das Publikum im Kursaal. Er beschreibt das kommende musikalische Programm als „freigeistig, bunt und farbig“ und erzählt, dass er für Sheila Arnold schon vor 25 Jahren eine erfolgreiche Karriere vorhergesehen habe – bereits als Studentin habe sie „alle Wettbewerbe, die man so gewinnen kann“ gewonnen. So zum Beispiel den Mozartpreis der Mozartgesellschaft Wiesbaden, der ihr 1995 verliehen wurde.

In dem Moment, in dem sie sich an den Flügel setzt und mit dem Spielen beginnt, merkt man, dass diese Aussagen stimmen müssen. Sheila Arnold beherrscht mit ihrer emotionalen Spiel- und Ausdrucksweise den Saal, beginnend mit vier Balladen von Johannes Brahms in d-Moll, D-Dur, h-Moll und H-Dur, die zu dessen frühesten Werken gehören. Wie schon Georg Mais zuvor angekündigt hatte: Brahms ohne Melancholie geht nicht. Allein das Stück in d-Moll wurde ausgehend von der schottischen Ballade „Edward“ komponiert, die das Thema des Vatermords behandelt und dementsprechend düstere Klänge vorzuweisen hat.

Die Meisterpianistin arbeitet das Wechselspiel zwischen dunklen, ergreifenden Passagen und kräftigen, leidenschaftlichen Momenten so virtuos heraus, dass man sich allein durch das Zuhören in die Welt der Ballade hineinträumen kann. Die vier Balladen verfließen vor den Augen des Publikums ineinander, wobei die Melancholie – mal unterschwellig, mal klar erkennbar – nie ganz verschwindet. Daher hatte Sheila Arnold spontan noch Frédéric Chopins „Ballade in g-Moll“ zu ihrem Programm hinzugefügt, sozusagen als Aufmunterung nach den tiefsinnigen, traurigen Balladen. Auch hier zeigt sie technische Brillianz im Wechsel zwischen sanften, verträumten Passagen und eher stürmischen Klängen. Die Leidenschaft in ihrer Spielweise – mal mit geschlossenen Augen, mal hin- und herwiegend im Rhythmus der Musik – zieht das Publikum tief in die Ballade hinein, in der jede Melodie eine kleine Welt öffnet.

Zwischendurch erhebt Sheila Arnold sich vom Klavier, nimmt das Mikrofon in die Hand und erzählt von ihrem Flügel, den sie bei sich zu Hause stehen hat. Das 1862 erbaute Instrument verleihe ihr das Gefühl von „verschiedenen Sprachen“ – beim Spielen fühle sie sich mal wie im Orchester, mal wie in einem Duo aus Violoncello und Flügel, mal wie in einem kammermusikalischen Ensemble. Sie erzählt auch von ihrer CD, die auf ebendiesem Instrument aufgenommen wurde, und spricht voller Emotion über die gespielten Stücke.

Nach tosendem Applaus und einer kurzen Pause beginnt Sheila Arnold, die neben ihrer Konzerttätigkeit auch Professorin an der Musikhochschule in Köln ist, mit der „Fantasie in c-Moll“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Das im Jahr 1785 geschriebene Spätwerk – sechs Jahre später verstarb der Komponist – beginnt leise und zögerlich.

Langsam tastet sich die Meisterpianistin heran, schließlich fließt das Stück vor sich hin, die verträumte Melodie wiederholt sich zwischendurch immer wieder, wobei das Musikgeflecht zunehmend komplexer und intensiver wird. Schließlich endet die Fantasie in einem furiosen Höhepunkt, den Sheila Arnold mit beeindruckender Körpersprache und klanglicher Intensität perfekt herausarbeitet.

Den Abschluss der Matinee bildet ein weiteres Stück von Johannes Brahms, die „Sonate in fis-Moll“. Dramatisch beginnt die Sonate im schnellen Allegro, später herrscht ein ständiger Wechsel zwischen sanften Melodien und dunklen Akkorden, die durch Mark und Bein gehen. Auch hier wird der Effekt der Musik durch Sheila Arnolds Bewegungen verstärkt: bei manchen Stellen trägt sie einen grimmigen Gesichtsausdruck, bei anderen ist ihr Blick gefühlvoll. Mal beugt sie sich zu den Klaviertasten herunter, mal wippt sie auf dem Klavierstuhl auf und ab.

Die Zeit vergeht wie im Flug, das Stück schwimmt in schwankenden Tonarten und dynamischen Kontrasten. Man verliert sich in den virtuosen Klangkaskaden, bis die Sonate, und damit auch das Konzert, schließlich mit einem furiosen Akkord endet. Die Meisterpianistin muss aufgrund des tosenden, lang anhaltenden Applauses ganze vier Mal auf die Bühne zurücklaufen und spielt letztendlich noch eine Zugabe.

Ein gelungener Auftakt, der Vorfreude auf die nächsten vier Konzerte im Rahmen des Konzertrings weckt.