Man kann die niedrige Wahlbeteiligung dem einzigen offiziellen Kandidaten nicht vorwerfen. Nur 48,2 Prozent der Sipplinger gingen am Sonntag zur Bürgermeisterwahl. Das sind 19 Prozentpunkte weniger als 2017, als Oliver Gortat erstmals zum Bürgermeister gewählt worden ist. Wobei ein Vergleich der beiden Wahlen lohnt: Damals musste sich Gortat in der Stichwahl gegen eine Mitbewerberin behaupten. Die Wahlberechtigten hatten damals auf dem Stimmzettel also eine Auswahl. Die Vermutung liegt nahe, dass diesmal irrigerweise einige Bürgerinnen und Bürger dachten: Warum wählen gehen, wenn mit Allein-Kandidat Gortat der Sieger eh schon sicher feststeht?
Gortat bekundet Willen zur Kurskorrektur
Ganz so sicher war die Wahl Gortats aber nicht, nachdem in der Woche vor dem Wahlsonntag eine anonyme Flugblattkampagne für CDU-Gemeinderat Lars Heinzl warb. Tatsächlich erhielt er bei der Wahl fast halb so viele Stimmen wie Wahlsieger Gortat. Der Rathaus-Chef nahm das Ergebnis umso nachdenklicher entgegen. Zugleich bekundete er seinen Willen für eine Kurskorrektur. Es sei Oliver Gortat zugerufen: Stärker den Bürgern zuwenden. Stärker die Experten aus dem Dorf einbeziehen. Stärker auf den Rat der Einwohner hören. Dann wird das.
Ein interessierter anonymer Personenkreis aus Sipplingen versuchte mit der Kampagne, Heinzl links durchzudrücken. Ihr Vorgehen in der Woche vor dem Wahlsonntag ist legitim, es produzierte einen Denkzettel. Gerechtfertigt ist es nicht, sondern ungut für eine kleine Gemeinde wie Sipplingen. Die Unbekannten erwiesen der Gemeinde einen Bärendienst. Das Ergebnis zeigt nämlich, was eine ganz überwiegende Mehrheit der Sipplinger – sofern sie den Namen Heinzls überhaupt auf dem Schirm hatten – von der Blitzaktion hält: Nichts!
Die Rolle, die Lars Heinzl selbst bei der Sache einnimmt, ist bislang unklar. Er war am Wahlsonntag sogar noch als Wahlhelfer beim Stimmenauszählen beteiligt. Spätestens da hätte er sich als zumindest befangen herausnehmen müssen.
Heinzls Position ist zunächst einmal komfortabel. Wird er gewählt, ist er fein raus und zieht mit Glanz und Gloria ins Rathaus ein. Wird er nicht gewählt, wie im eingetretenen Fall, kann er sich bequem zurücklehnen. Er war‘s ja nicht.
Heinzls Positionierung fehlte
Doch was ist davon zu halten? Entweder hatte Heinzl Interesse am Bürgermeisterjob. Dann hätte er kandidieren und sich und seine Ideen dem Dorf vorstellen können. Es ist der Sinn eines Bürgermeisterwahlkampfs, dass sich der potenzielle neue Rathaus-Chef präsentiert, für Rückfragen zur Verfügung steht und seine Vision von der Zukunft des Dorfs in ausreichender Weise öffentlich darlegt.
Und falls Heinzl nicht interessiert war und seinen Platz auch in Zukunft als Bauamtsleiter von Stockach sieht, wie er jetzt sagt? Dann hätte er sich deutlich im Vorfeld in der Öffentlichkeit von der Kampagne distanzieren müssen. Gelegenheit dazu gab es in der Ratssitzung vergangene Woche. Oder bei einer Anfrage unserer Redaktion, bei der er eine Stellungnahme ablehnte. Guter Stil ist sein Schweigen nicht. Es hinterlässt Ratlosigkeit und vergiftet die Atmosphäre in einem kleinen, aufgewühlten Dorf wie Sipplingen unnötig, in dem sich eine Mehrheit der Gemeinschaft gerade dafür entschieden hat: Ja, wir geben Gortat eine zweite Chance.