Ulrike Fina-von Gizycki rechnete mit einer Warteschlange. Sie war deshalb die erste, die gleich am Montagmorgen um 8 Uhr vor dem Münster stand, um sich eine Eintrittskarte für einen Weihnachtsgottesdienst zu sichern. Ihre beiden Söhne haben vor vielen Jahren in der Jugendkantorei gesungen. Immer, wenn jetzt einer von ihnen nach Hause kommt, gehöre ein Besuch im Münster zum Programm. „Das Münster vermittelt uns Heimat“, sagte die Atempädagogin aus Owingen.

Das könnte Sie auch interessieren

Erst holte Ulrike Fina-von Gizycki nur für das Hochamt am ersten Weihnachtsfeiertag um 10.30 Uhr ein Ticket, dann erfuhr sie zu ihrer Überraschung, dass es auch eine Christmette an Heiligabend gibt, 22 Uhr, trotz der Ausgangssperre. Auch darauf freut sich die Owingerin nun. Pfarrer Bernd Walter, der die Tickets am Montagmorgen im Münster auslegte, begründet es mit der Religionsfreiheit, die es gestatte, das Haus nach 20 Uhr noch zu verlassen.

Das Jesuskindchen im Hochaltar des Überlinger Münsters.
Das Jesuskindchen im Hochaltar des Überlinger Münsters. | Bild: Hilser, Stefan

Schon um 9 Uhr am Montagmorgen waren die Tickets für das Hochamt am 25. Dezember, 10.30 Uhr, weg. Stand 12 Uhr gab es laut Pfarrer Walter noch freie Plätze für folgende Gottesdienste: 24. Dezember um 16 Uhr und um 22 Uhr, 25. Dezember um 8.30 Uhr, 26. Dezember um 8.30 Uhr und um 10.30 Uhr.

Es ist umstritten, ob Gottesdienste in der Pandemie überhaupt stattfinden sollen. In Pforzheim, wo Walter früher eine Pfarrstelle hatte, sei die Inzidenz so hoch, dass alles abgesagt worden sei. Während die Erzdiözese Freiburg eine Inzidenz von 300 ausgab, ziehe die evangelische Kirche bei 200 die Reißleine, so Walter. Und daran wolle er sich auch orientieren. Im Bodenseekreis kletterte der Inzidenzwert aktuell auf 190. Es könnte also noch knapp werden.

Pfarrer und Dekan verteidigen die Feiern

„Die Entscheidung zu den Gottesdiensten rund um Weihnachten ist nicht einfach“, räumte Bernd Walter ein. Doch findet er: „In Corona-Zeiten ist Weihnachten doch wie Hoffnung to go. Ohne ein Gottesdienstangebot sind auch die Einsamsten der Einsamen allein.“ Das Hygienekonzept habe sich bewährt. „Die Gottesdienste auf dem Gebiet der Seelsorgeeinheit Überlingen sind bis jetzt sicherer als ein Supermarkt oder öffentliche Verkehrsmittel wie Bus oder Bahn.“

Bernd Walter: „In Coronazeiten ist Weihnachten doch wie Hoffnung to go.“
Bernd Walter: „In Coronazeiten ist Weihnachten doch wie Hoffnung to go.“ | Bild: Hilser, Stefan

Der katholische Dekan Peter Nicola, Pfarrer in der Kirchengemeinde Salem-Heiligenberg, kommentierte: „Ich halte den Gang zur Kirche und die Feier der Gottesdienste in unseren Kirchen auch in Zeiten der Pandemie für ein ganz wichtiges Element, diese Zeit zu bestehen und zu überstehen.“ Es würden nur die Kirchen geöffnet, in denen die Hygienevorschriften eingehalten werden können. Und Nicola betont: „Es wird niemand zur Mitfeier des Gottesdienstes gezwungen.“

Peter Nicola: „Es wird niemand zur Mitfeier des Gottesdienstes gezwungen.“
Peter Nicola: „Es wird niemand zur Mitfeier des Gottesdienstes gezwungen.“ | Bild: Hilser, Stefan

Mit Blick auf die dynamische Entwicklung der Infektionszahlen stellte Nicola fest: „Sollte bis Weihnachten entschieden werden, dass Gottesdienste zu bestimmten Zeiten aus Pandemieschutzgründen abgesagt werden müssen, werden wir uns selbstverständlich an diese Vorgaben halten und absagen.“

Mimi Braun: Respekt für die Gemeinde

Michael (“Mimi“) Braun war ebenfalls unter den ersten, die am Montag in der Frühe ein Ticket abholten. „Für mich als gläubiger Mensch, beziehungsweise für uns als gläubige Familie, ist es selbstverständlich, gerade auch zum Weihnachtsfest den Gottesdienst zu besuchen“, begründete er seine Motivation. Und er fügte an: „Es ist erstaunlich, mit welcher Energie unser Stadtpfarrer Bernd Walter und sein Team es bereits das ganze Jahr schaffen, unter schwierigen Bedingungen für die Kirchengemeinde die Gottesdienste zu ermöglichen. Respekt!“