Immer weniger Passagiere, immer höhere Kosten: Auf der Kippe stand der Winterbetrieb der Fähre zwischen Überlingen und Konstanz schon lange. Am 14. August verkündeten die beiden Städte das Aus. Berufs- und andere Pendler müssen sich jetzt nach alternativen Wegen ans andere Ufer umsehen. Nicole Radzuweit etwa, Lehrerin am Gymnasium in Überlingen, befürchtet, dass sie aufs Auto umsteigen muss, um morgens zuverlässig und pünktlich in der Schule zu sein.

Mit der Fähre zur Arbeit: „Ein Privileg.“

„Meinen wunderbaren Weg zur und von der Arbeit habe ich immer als Privileg empfunden“, sagt Radzuweit, die seit 2006 an Wochentagen über den See pendelt. An Bord habe sich in den Jahren eine Gemeinschaft von Pendlern gebildet. Nur sei diese Gemeinschaft immer kleiner geworden.

Nicole Radzuweit empfindet ihren „wunderbaren Weg zur Arbeit“ als Privileg (Archivbild). Das fällt nun von Oktober bis April weg.
Nicole Radzuweit empfindet ihren „wunderbaren Weg zur Arbeit“ als Privileg (Archivbild). Das fällt nun von Oktober bis April weg. | Bild: Cian Hartung

Die von den Kommunen angeführte sinkende Nachfrage hat sich laut Radzuweit nicht von selbst ergeben. Ihrer Wahrnehmung zufolge hat die ausgedünnte Zahl von Verbindungen dazu beigetragen, dass die Nachfrage auf der Strecke gesunken ist. Darunter wiederum habe das Zusammengehörigkeitsgefühl der verbliebenen Pendler gelitten. Und noch mehr blieben weg.

Nach Radzuweits Beobachtung hat sich schon vor Jahren eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt. Sie kenne viele ehemalige Pendler, die das Angebot nun nicht mehr nutzen. „Und jetzt haben wir keine Stimme mehr.“ Die rund 30 Leute, die noch fahren, seien zu wenige, um etwas auszurichten.

Keine Winterlinie heißt weniger Einkaufsmöglichkeiten

Der Dingelsdorfer Ortsvorsteher Horst Böttinger-Thyssen (Sozial-Liberale Wählergemeinschaft, SLWD) erklärt, dass nicht nur Berufspendler betroffen sind. In den weniger dicht besiedelten Ortsteilen wie Wallhausen oder Dingelsdorf würden Geschäfte wie Bäcker- und Metzgereien zunehmend schließen. Die Fähre nach Überlingen war bislang auch eine Option, um am anderen Ufer des Sees Einkäufe zu erledigen.

Dingelsdorfs Ortsvorsteher Horst Böttinger-Thyssen (Archivbild).
Dingelsdorfs Ortsvorsteher Horst Böttinger-Thyssen (Archivbild). | Bild: Nikolaj Schutzbach

Bei ihm sei unmittelbar, nachdem das Aus für den Winterdienst verkündet wurde, eine erboste Nutzerin des Angebots vorstellig geworden. Sie wollte fragen, ob es nicht noch Möglichkeiten gibt, die Verbindung zu retten. Böttinger-Thyssen würde sich dafür einsetzen, sagte er.

„Im schlechtesten Fall brechen Lebensplanungen zusammen“

Auf „leistungsfähige Alternativen“ im öffentlichen Nahverkehr verwiesen die Städte Konstanz und Überlingen in der Pressemitteilung vom 14. August. Niklas Becker, Mitglied der Fraktion FGL&Grüne im Konstanzer Gemeinderat, findet den Verweis auf vermeintlich leistungsfähige ÖPNV-Alternativen in den städtischen Presseerklärungen „absurd“.

Realistisch betrachtet, sei für Anwohner etwa aus Konstanz-Wallhausen oder Dingelsdorf der Wechsel zum ÖPNV kaum eine Alternative. Viele, wie Radzuweit, würden nun aufs Auto umsteigen. Im schlechtesten Fall würden „Lebensplanungen zusammenbrechen“.

Ortsvorsteher Böttinger-Thyssen und Gemeinderat Becker fühlen sich von den Stadtverwaltungen nicht ausreichend informiert. Überraschend traf Becker und die anderen Abgeordneten im Konstanzer Rat die Kündigung des Vertrags zwar nicht. Die schwierige Lage sei bekannt gewesen, auch, dass Verhandlungen laufen. Aber vor dem plötzlichen Aus hätte er sich etwas „Handfestes“ gewünscht und „alle Informationen, alle Zahlen“.

Niklas Becker, Mitglied der Fraktion FGL&Grüne im Konstanzer Gemeinderat (Archivbild).
Niklas Becker, Mitglied der Fraktion FGL&Grüne im Konstanzer Gemeinderat (Archivbild). | Bild: Inka Reiter/FGL

Ob sich die Strecke nicht noch ausschreiben lässt, fragt Becker sich etwa. Womöglich lohne sich die Fahrt für einen kleineren Fährbetrieb mit einem kleineren Schiff. Becker legt Wert auf die Feststellung, dass das Thema die anderen Fraktionen ebenso tangiert wie seine. In Konstanz wollen die Ratsleute die Winterfähre noch nicht von der Agenda nehmen, sondern sich erst einmal umfassend informieren. Aber allzu viel Hoffnung, dass sich noch eine Lösung findet, hegt Becker nicht.

Alternative BSB? Nicht zu finanzieren.

Bei den Bodensee-Schiffsbetrieben (BSB) hatte die Stadt Konstanz gefragt, ob und unter welchen Bedingungen sie den Winterbetrieb zwischen Wallhausen und Überlingen fortführen kann. „Wir haben das eingehend geprüft“, erklärt Stadtwerke- und BSB-Sprecher Christopher Pape auf Anfrage des SÜDKURIER. Das Ergebnis der Prüfung ist, dass dieses nicht finanzierbar ist. Auch mit dem Zuschuss, den die Städte bislang an die Betreiberfirma Giess und Giess zahlten, würde die Linie rote Zahlen einfahren. Das hänge auch mit fehlender Infrastruktur zusammen, die wiederum höhere Personalkosten nach sich zöge.

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Abseits der Kalkulation sagt Pape: „Wir können beim besten Willen keinen zusätzlichen Bedarf erkennen, der eine Fahrplanausdehnung rechtfertigen würde.“ Viele Arbeitnehmer nutzten heute Homeoffice und pendelten seltener. „Außerdem bestehen seit der Corona-Zeit alternative, öffentlich geförderte Verkehrsangebote.“ Dagegen habe eine nicht geförderte Schiffslinie keine Chance.