Ehemaliger ärztlicher Direktor: „Dias wurden unter Verschluss aufbewahrt“

Zur Erinnerung: Die Dias, die Detailaufnahmen von Patienten enthalten, wurden vor anderthalb Wochen von Spaziergängern im unmittelbaren Umfeld der ehemaligen Schwerpunktklinik für Gefäßerkrankungen und Diabetologie gefunden und unserer Zeitung übergeben. Bei einem Redaktionsbesuch am Mittwoch, nahm Dr. Dohmen die Aufnahmen in Augenschein und versicherte einerseits deren Echtheit sowie deren Herkunft aus der HEK: „Die Aufnahmen stammen noch aus der früheren Eggbergklinik“, so Dohmen. Als diese 2007 mit der Hochrheinklinik fusionierte seien auch die Aktenbestände zusammengelegt worden.

Analyse: Der ehemalige ärztliche Direktor der HEK, Arndt Dohmen, bestätigt die Herkunft der Dias.
Analyse: Der ehemalige ärztliche Direktor der HEK, Arndt Dohmen, bestätigt die Herkunft der Dias. | Bild: Baier, Markus

Die Diaserien wurden laut Dohmen zu Schulungszwecken in den Bereichen Angiologie und Lymphologie produziert worden. Die Motive seien dabei so gewählt, dass die Details keinen Patienten zugeordnet werden können. Nach heutigen Standards beurteilt der Mediziner aber zumindest zwei der Aufnahmen als „problematisch“, weil Gesichter zu sehen seien.

Doch trotz allem wertet auch Dohmen den Fund der Dias außerhalb des Klinikgebäudes als „Skandal“. Die Dias seien von den damaligen Schulungsverantwortlichen stets unter Verschluss aufbewahrt worden, wenngleich nicht im offiziellen Archiv, wo sie seiner Einschätzung nach aber spätestens nach Schließung der Klinik hätten aufbewahrt werden müssen, sagt Dohmen. Insofern bedeute das Auffinden der Fotos nicht zwangsläufig, dass jemand ins Patientenarchiv eingebrochen habe.

Dass im Übrigen Fotos erstellt wurden, um Behandlungsverläufe zu dokumentieren, sei alltäglicher Standard gewesen, so Dohmen weiter. Die Art der Aufnahmen habe sich im Lauf der technischen Entwicklung von Dias über Polaroid bis zur Digitalfotografie weiterentwickelt: „Um Hautveränderungen richtig beurteilen zu können, handelte es sich immer um Farbfotos. Da wir in der Hochrhein-Eggberg-Klinik zumindest bis zu meinem Ausscheiden Ende 2011 keine digitalisierten Patientenakten hatten, wurden aber auch digitale Fotos oft ausgedruckt, um sie bei der Untersuchung und Behandlung des Patienten in der Akte stets verfügbar zu haben.“

Fotoaufnahmen seien also stets mit den Patientenakten abgelegt worden. Ausnahmen stellten Röntgenbilder dar. Diese wurden laut Dr. Arndt Dohmen aufgrund des Formats in speziellen Fototüten und räumlich getrennt von den Patientenakten aufbewahrt. Die Datenschutzvorgaben seien in der ganzen Zeit seiner Tätigkeit bei der HEK hoch gewesen, die Einhaltung wurde demnach strikt kontrolliert, dem Ganzen habe eine akribische Buchführung zugrunde gelegen.

HEK-Besitzer: „Keine Bilder in Patientenakten„

Dass jemals Fotos in den Patientenakten aufbewahrt wurden, streitet der Besitzer der HEK-Immobilie, Karl-Heinrich Drux, hingegen rundheraus ab: „Es handelt sich um reine Papierakten.“ Bei einem Rundgang zeigt sich, dass sich augenscheinlich niemand ohne Schlüssel Zutritt zum Archivraum, in dem die Patientenakten befinden, verschafft haben kann, wenngleich dort ein heilloses Durcheinander herrscht.

Fühlt sich von der Stadt gegängelt: Verena Schweizer, Miteigentümerin der HEK-Immobilie.
Fühlt sich von der Stadt gegängelt: Verena Schweizer, Miteigentümerin der HEK-Immobilie. | Bild: Verena Wehrle

Die meisten Regale sind bereits leer, denn mit dem HEK-Insolvenzverwalter Uwe Kaiser sei vertraglich vereinbart, dass die Akten nach zehn Jahren vernichtet werden. Die Aussortierung schreite sukzessive voran: „Zwei Drittel der Unterlagen sind bereits weg“, erklärt Drux. Die letzten Akten sollen demnach 2024 vernichtet werden, fügt Verena Schweizer hinzu.

Dass die Altakten ungesichert in drei konventionellen Altpapiercontainern aufbewahrt werden, bis sie von einem Entsorger abgeholt werden, dürfte jedoch aus datenschutzrechtlicher Sicht bestenfalls bedenklich sein, zumal: Am einen Ende des Flurs befindet sich ein geöffnetes Fenster, im ganzen Kellerbereich gibt es Grafitti und andere Hinterlassenschaften, die deutlich auf Eindringlinge hinweisen.

Wüstes Durcheinander: Ein Blick in den abgesichterten Teil des Archivs. Hier wurden die meisten Akten bereits entfernt.
Wüstes Durcheinander: Ein Blick in den abgesichterten Teil des Archivs. Hier wurden die meisten Akten bereits entfernt. | Bild: Wehrle, Verena

Dass auch im Hinblick auf das Aussortieren von Patientenakten strenge Vorgaben gelten, darauf verweist ebenfalls Dr. Arndt Dohmen: „Auch hier sind strenge Regelungen einzuhalten. Die Entsorgung hat über speziell zertifizierte Firmen zu erfolgen.“ Deshalb sei ein solches Vorhaben auch ungemein teuer. Doch es gebe keine Alternative.

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Drux macht Stadt für maroden Zustand des HEK-Gebäudes verantwortlich

Dass es im leerstehenden HEK-Gebäude ein großes Problem mit Einbrechern gebe, räumt Karl-Heinrich Drux auf Nachfrage auch ohne Umschweife ein. Dass Eindringlinge im Gebäudeinnern vorwiegend ihrer Zerstörungswut frönen oder die Räume zur Übernachtung nutzen, legen der Zustand des Hauses und diverse Utensilien nahe, die in den Räumen zu sehen sind. Alle verbliebenen Gegenstände aus Glas – die Fensterscheiben inklusive – wurden dabei zerschlagen. Auch Möbel wurden wohl gezielt demoliert.

Vandalismus: Immer wieder verschafften sich Unbekannte illegal Zutritt ins HEK-Gebäude und hinterließen ihre Schmierereien.
Vandalismus: Immer wieder verschafften sich Unbekannte illegal Zutritt ins HEK-Gebäude und hinterließen ihre Schmierereien. | Bild: Wehrle, Verena

Im Rahmen seiner Möglichkeiten und der Vorgaben der Polizei infolge der ersten Vorfälle dieser Art, habe er das Gebäude nachträglich gesichert und Einstiegsmöglichkeiten mit Brettern vernageln lassen, sagt Drux. Auch werde das Gebäude regelmäßig kontrolliert.

Dass das frühere Klinikgebäude, mit dem der Investor nach der Übernahme 2014 große Pläne verfolgte, derart marode ist und seit Jahren alle Vorhaben ruhen, dafür macht Karl-Heinrich Drux vor allem die Behörden verantwortlich, allen voran die Stadtverwaltung: „Man darf wohl sagen, dass die Stadt uns von Anfang Steine in den Weg gelegt hat.“

So hätte sich das geplante Vorhaben, die einen Umbau der Ex-Klinik in ein Seniorenwohnzentrum mit direkt angeschlossener Gesundheitsversorgung vorsahen, nach etwa zwei Jahren zerschlagen.

Scherbenhaufen gibt es im HEK-Gebäude überall zu sehen.
Scherbenhaufen gibt es im HEK-Gebäude überall zu sehen. | Bild: Wehrle, Verena

Seither bemühen sich Drux und Schweizer um einen Verkauf. Auch hier sehen sie die Maßnahmen der Stadt als kontraproduktiv. Insbesondere nennt Drux vier Maßnahmen, die er allesamt als „illegal“ einstuft: die Integration des HEK-Geländes in den städtebaulichen Wettbewerb, der aktuell im Zuge der Planung des Gesundheitscampus‘ läuft, verbunden mit dem Erlass einer Veränderungssperre für das Areal; die Festsetzung der Grundsteuer auf einen Satz, der auf einen laufenden Klinikbetrieb fuße, und der beinahe zu einer Zwangsversteigerung des Hauses geführt habe; die zwischenzeitliche Zwangsverwaltung, die die Stadt für das HEK-Gebäude übernommen habe, und die ihm nun in Rechnung gestellt werde; und schließlich der Umstand, dass sich die Stadt ein Vorkaufsrecht für das Gelände gesichert habe.

Eine Einstiegsmöglichkeit? Im Keller bietet ein offenes Fenster direkten Zugang zu den Patientenakten.
Eine Einstiegsmöglichkeit? Im Keller bietet ein offenes Fenster direkten Zugang zu den Patientenakten. | Bild: Baier, Markus

Trotz allem sei es nun gelungen, einen Kaufinteressenten zu finden. „Wir sind seit einem halben Jahr in Gesprächen und auf einem guten Weg“, betont Drux. Wolle die Stadt, „dass sich hier endlich etwas bewegt, sollte sie sich mit weiteren Forderungen besser zurückhalten.“

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Guhl: „Sehe an unserer Handlungsweise nichts Rechtswidriges“

Bürgermeister Alexander Guhl weist auf Nachfrage die geäußerten Vorwürfe rigoros zurück: „Was der Investor im Kurgebiet produziert ist für die Stadt alles andere als ein Aushängeschild.“ Gleichwohl sehe er nicht, wo die Stadt in den vergangenen Jahren rechtswidrig gehandelt habe: „Doch wenn Herr Drux etwas zu beanstanden hat, kann er selbstverständlich Rechtsmittel einlegen.“

Das hat der HEK-Besitzer übrigens bereits angekündigt. Damit dürfte das nächste Kapitel in Sachen HEK bereits gesichert sein.