Fast nirgendwo in Deutschland müssen Einkommensteuerpflichtige auf ihren Steuerbescheid so lange warten wie beim Finanzamt Bad Säckingen. Zu diesem Ergebnis kommt eine vergleichende Erhebung des Online-Portals www.Lohnsteuer-kompakt.de. Es wertete die Bearbeitungsdauer von bundesweit rund 400.000 Steuererklärungen aus.

Bad Säckingen benötigt 94,9 Kalendertage, die andern Finanzämter nur 56,8

Demnach benötigte die Bearbeitung einer Steuererklärung 2023 in Bad Säckingen durchschnittlich 94,9 Kalendertage. In ganz Deutschland waren es 56,8 Tage, in Baden-Württemberg 63,9 Tage im Durchschnitt. Bundesweit liegt Bad Säckingen in der Untersuchung von www.Lohnsteuer-kompakt.de bei der Bearbeitungszeit auf dem vorletzten, landesweit auf dem letzten Platz.

Wieso dauert die Bearbeitung von Einkommensteuererklärungen in Bad Säckingen so lange? Eine Antwort darauf ist die vergleichsweise hohe Zahl an Grenzgängern. „Die Bearbeitungszeit von Grenzgänger-Fällen ist aufgrund der Komplexität der Fälle häufig etwas länger als bei anderen Einkommensteuerfällen“, erklärt für die Oberfinanzdirektion (OFD) Karlsruhe deren Sprecherin Diana Hauber.

18.000 Grenzgänger-Fälle bearbeitet das Finanzamt, die sind besonders zeitaufwendig

So seien bei den Steuererklärungen der Grenzgängern vermehrt Rückfragen erforderlich. Und mit laut OFD 18.000 Grenzgänger-Fällen fallen beim Finanzamt Waldshut-Tiengen, zu dem dessen Außenstelle Bad Säckingen gehört, 26,5 Prozent aller Einkommensteuer-Angelegenheiten unter diese Kategorie.

Das Finanzamt Lörrach ist wesentlich schneller als Waldshut-Tiengen oder Bad Säckingen

Doch am hohen Grenzgänger-Anteil allein kann es nicht liegen. Zwar schneidet das Finanzamt Waldshut-Tiengen mit 70,9 Tagen Bearbeitungszeit (Platz 61 unter 78 Finanzämtern in Baden-Württemberg, Platz 427 unter 488 in Deutschland) bei www.Lohnsteuer-kompakt.de ähnlich schlecht ab wie seine Außenstelle Bad Säckingen. Ganz anders aber das Finanzamt Lörrach. Dort sind 25.000 Grenzgänger-Fälle zu erledigen, was sogar 28,1 Prozent aller Einkommensteuerfälle ausmacht. Doch es rangiert mit 50,7 Tagen Bearbeitungszeit landesweit auf Platz 9 und bundesweit auf Platz 171.

Bild 1: Bearbeitungszeit bei der Steuererklärung: Unter 488 Finanzämtern ist Bad Säckingen Vorletzter
Bild: Vonberg, Markus

Der Grund für das bessere Abschneiden Lörrachs könnte dessen bessere Personalausstattung sein. Im dortigen Finanzamt arbeiten nach Auskunft der OFD derzeit rund 320 Personen in Vollzeit oder Teilzeit. Zu einem Drittel sind sie mit der Bearbeitung von 89.000 Einkommensteuer-, 15.000 Umsatzsteuer- sowie 8000 Gewerbesteuerfällen befasst, hinzu kommen noch 111.500 Grundsteuerfälle. Das Gesamtsteueraufkommen betrug in Lörrach im vergangenen Jahr 984 Millionen Euro.

Trotz ähnlich hoher Fallzahlen ein Drittel weniger Personal

In einem ähnlichen Bereich bewegt sich mit 68.000 bei der Einkommensteuer, 14.000 bei der Umsatzsteuer, 6000 bei der Gewerbesteuer sowie 92.500 Fällen bei der Grundsteuer das Finanzamt Waldshut-Tiengen. Mit 1,033 Milliarden Euro ist das Gesamtsteueraufkommen dort sogar leicht höher. Allerdings stand dafür an den Standorten Tiengen und Bad Säckingen mit 230 Voll- und Teilzeitstellen fast ein Drittel weniger Personal zur Verfügung als in Lörrach.

Es ist dasselbe Problem wie bei den Lehrern: Keiner will am Hochrhein arbeiten

Ein langjähriger ehemaliger Finanzbeamter bestätigt, dass besonders an den Finanzämtern Waldshut-Tiengen und Bad Säckingen Fachkräfte fehlen: „Die haben dieselben Probleme wie beispielsweise die Schulen auch, genügend Personal für den tiefen Süden zu finden.“

Zwar sei das Land um eine gleichmäßige Personalausstattung bemüht und stelle für die Finanzämter am Hochrhein von auswärts junge Kollegen ein. Doch nach relativ kurzer Zeit würden sich viele davon um eine Versetzung zurück in ihre Heimatregion oder an Orte nahe der großen städtischen Zentren bemühen. Dies führe zu einer hohen personellen Fluktuation. Immer wieder müssten neue Kollegen eingearbeitet werden, die nach relativ kurzer Zeit das Amt wieder verließen. „Wenn ich an meiner alten Arbeitsstelle vorbeischaue, sind da ständig andere Leute“, so der ungenannt bleiben wollende ehemalige Finanzbeamte.

Die Grundsteuerreform verschärft das Problem zusätzlich

Zusätzlich beansprucht sind wie alle anderen deutschen Finanzämter auch Waldshut-Tiengen und Lörrach durch die Grundsteuerreform und die dadurch notwendige Neubemessung der Grundsteuer. Auch aus diesem Grund müssten die Bürger bereits 2022 länger auf die Bearbeitung ihrer Einkommensteuererklärungen durch das Finanzamt warten, berichteten Ende 2023 zahlreiche Medien.

Etwa zwei Drittel der Bescheide sind inzwischen erlassen

Für die Bearbeitung der 111.500 Grundsteuer-Fälle beim Finanzamt Lörrach und der 92.500 beim Finanzamt Waldshut-Tiengen wurde nach Auskunft der OFD zusätzliches Personal eingestellt. Immerhin konnten bis Ende des vergangenen Jahres in Lörrach 74.000 und in Waldshut-Tiengen 58.000 Grundsteuerwert- und Grundsteuermessbescheide erlassen werden. Das sind 66,4 beziehungsweise 62,7 Prozent aller Fälle.

Noch nicht vollständig elektronisch erfasst sind laut OFD hingegen die Einsprüche gegen die erlassenen Bescheide, die viele Bürger vorsorglich unter Berufung auf laufende Musterverfahren eingelegt haben. Priorität besitze im Augenblick die Beantwortung von Fragen der Bürger zur Grundsteuer und die Bearbeitung der Erklärungen, so die OFD-Sprecherin.

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