„Säckingen wurde zur offenen Stadt erklärt. Beim Einmarsch der feindlichen Truppen hat sich die Bevölkerung in ihren Wohnungen ruhig aufzuhalten.“ Vor 80 Jahren, am 25. April 1945, erhielten die Säckinger Haushalte diesen Aufruf. An diesem Morgen blies ein frischer Wind, der Himmel war mit Wolken bedeckt, als gegen 8 Uhr die letzten Militärs sowie die Parteiorgane die Stadt verließen.
Um etwa 10 Uhr erreichten die Panzerspitzen der ersten französischen Armee den Ortseingang. Bürgermeister August Kuner ging ihnen mit einer weißen Fahne entgegen, als Symbol der kampflosen Übergabe der Stadt. Die Franzosen hatten Kenntnis davon, dass lokale Naziprominenz in Richtung Hotzenwald geflüchtet sein sollte.
Nach dem Einmarsch begann die Artillerie, einzelne Schüsse abzufeuern. Die Truppe zog sofort weiter und besetzte noch am selben Tag Waldshut. Erst wenige Tage später erfolgte die eigentliche Besetzung. Diese verlief ohne größere Störungen. Die Stadtverwaltung um Kuner war funktionsfähig.
Soldaten beschenkten die Kinder
Angst hatten besonders die Kinder und Jugendlichen vor den „grausamen und bestialisch wütenden französischen Unmenschen“, wie zahlreiche Zeitzeugen berichten. Der Hass gegenüber fremden Soldaten hatte ihnen das Naziregime regelrecht eingeimpft. Doch die Angst war unbegründet. Die Soldaten warfen den Kindern Schokolade, Kakaopäckchen und Orangen zu.
Einen Überblick über das Geschehen um den 25. April 1945 geben die Berichte des damaligen Stadtkommandanten Theodor Benecke und Heinrich Ehlers.
23. April: Vom Abschnittskommandanten Major Knittel erhielt der Chef der Volkssturmkompanie Benecke den Befehl: „Verteidigung der Stadt bis zur letzten Patrone“. Benecke übernahm die Aufgabe des Stadtkommandanten.
24. April: Benecke hielt jeden Widerstand für sinnlos. Mit einem Kreis vertrauter Persönlichkeiten bereitete er die kampflose Übergabe der Stadt vor. Der Hauptteil der Wehrmacht war nach Waldshut abgezogen. Benecke bot den noch anwesenden Wehrmachtsangehörigen an, ihnen bei Abgabe ihrer Waffen einen zweisprachigen Ausweis auszustellen. Drei schwer bewaffnete SS-Männer, die sich als persönliche Beauftragte Heinrich Himmlers ausgaben, konnte Benecke zum friedlichen Abzug überreden.
Bürger retten die Rheinbrücke vor der Sprengung
Um die Rheinbrücke vor der beabsichtigten Sprengung durch einen SS-Trupp zu retten, entfernten Bürger die Sprengladung. Nach Absprache mit dem schweizerischen Abschnittskommandanten Major Fischer schleuste die Stadt rund 120 Personen, darunter Franzosen und Fremdarbeiter, über die Holzbrücke in die Schweiz.
Kuner, von vielen im Stich gelassen, rief gegen 22 Uhr eine Sitzung ein. Die Anwesenden einigten sich, nur am Ortseingang einige weiße Fahnen zu hissen. Vertreter der Stadt sollten mit einer weißen Fahne den französischen Truppen entgegentreten. Angst herrschte bis zuletzt vor Nazifanatikern, die über Nacht Widerstandsnester organisieren könnten.
Die ersten Panzerwagen erreichen die Stadt
25. April: Ausgabe des oben genannten Flugblattes an die Bevölkerung. Ab etwa fünf Uhr warteten Fahrer Thomann, ausgerüstet mit einer weißen Fahne, Dr. Benecke, Dr. Ehlers und Betriebsleiter H. in der Lonzona auf das Einrücken der Franzosen. Gegen 10 Uhr erreichten die ersten Panzerwagen die Stadt.
Nach dem Versprechen, in der Stadt leiste niemand Widerstand, geleitete Ehlers und Benecke den französischen Stadtbeauftragen zum Rathaus. Im Zimmer des Bürgermeisters erkundigte sich der französische Offizier nach Werwolf, SS, SA und Wehrmacht. Dann erfolgte die Anordnung zur Waffenabgabe: Säckingen stand unter französischer Herrschaft.
In geheimer Mission beobachtete von der Terrasse des Solebades Schönegg, oberhalb von Mumpf gelegen, der französische Oberkommandierende De Lattre de Tassigny am 25. April 1945 den Einmarsch der Franzosen in Säckingen. Gegen Kriegsende war die Angst der Steiner Bevölkerung groß, dass die Holzbrücke von der deutschen Seite gesprengt werden könnte. Wie erlösend war in der Nacht des 25. April gegen zwei Uhr bei der Steiner Telefonzentrale die Mitteilung des an der Brücke stationierten Schweizer Militärs, dass die Steiner Bevölkerung beruhigt sein könnte. Schweizer Soldaten hätten das Kabel zerschnitten und damit die Sprengung verhindert.
Totenglocke verkündet die Kapitulation
Die letzte verbliebene Glocke des Münsters, die Totenglocke, verkündete am 8. Mai von der Kapitulation und damit vom Ende der Kriegshandlungen. Am selben Tag fand in Stein eine Friedensfeier statt, an der mehrere französische Offiziere und ein russischer Leutnant teilnahmen. Dies war der Beginn einer einzigartigen Hilfsaktion für die hungernde Bevölkerung in Säckingen.