Der Ettikoner Lauffen ist ein beliebtes Ausflugsziel für Wanderer, Spaziergänger und Badegäste – und das trotz Badeverbot. Viele Menschen genießen im Sommer schöne Stunde am Rheinufer, diese Idylle wird aber immer wieder von Badeunfällen überschattet. Mehrere Menschen haben an diesem Ort schon ihr Leben verloren, da sie die Gefahren der Stromschnellen des Rheins unterschätzt haben.

Das ist geschehen
So passierte es auch am 19. August 2023 wieder. Ein 57-jähriger Lastwagenfahrer hielt sich nicht an das Badeverbot und wollte sich im Rhein erfrischen. Doch die starken Strömungen des Rheins wurden ihm zum Verhängnis. Er überlebte nur durch die beherzte Rettung des 53-jährigen Christof Kunzelmann, der zu gegebenem Zeitpunkt wie gewohnt am Rheinufer mit seinem Hund spazieren ging. Vor Kurzem wurde er für sein couragiertes Handeln vom Polizeipräsidium Freiburg, der DLRG und Küssabergs Bürgermeister Manfred Weber ausgezeichnet. Doch auch hinter dieser selbstlosen Rettung steckt eine bedrückende Geschichte, die er dem SÜDKURIER am Ort des Geschehens schildert.
Die Vorgeschichte
Es ist Juni 2023 – Christof Kunzelmann ging mit seinem Hund in Ettikon spazieren, sie gingen ihre übliche Runde. Im Wald nahe dem Lauffen hörte er plötzlich Hilferufe. Er ging mit seinem Hund zum Rheinufer und sah eine Person leblos mit dem Kopf nach unten im Wasser treiben. Die Strömungen bewegten ihn im Kreis. Wenige Sekunden später ging die Person unter und war verschwunden. Er konnte nicht gerettet werden, Kunzelmann musste beobachten, wie der Mann ertrinkt. „Das Bild hat mich danach noch lange verfolgt“, sagt er dazu.
Wenige Tage später birgt die Feuerwehr die Leiche des Mannes beim Rheinkraftwerk Albruck-Dogern.
Was ist passiert?
Zurück zum Tag der Rettung am 19. August 2023. Es ist Samstagmittag, auch an diesem Tag war Christof Kunzelmann mit seinem Hund in der Nähe des Ettikoner Lauffens spazieren. Hilfeschreie versetzten ihn zurück in die Situation des ertrinkenden Mannes, die Erinnerungen an den Unfall kamen wieder auf. Diesmal rannte er so schnell wie möglich in die Richtung der Hilfeschreie und sah den Schwimmer in Not.
Als Einziger von rund zwölf Anwesenden sei er dem Mann, ohne lang zu überlegen, zur Hilfe geeilt. „Ich hatte keine andere Möglichkeit als ihn zu retten. Er hätte nicht mehr lange durchgehalten und ich konnte nicht noch einmal dabei zusehen, wie jemand ertrinkt“, sagt Kunzelmann dazu.
Der 57-Jährige befand sich glücklicherweise nicht allzu tief in den Stromschnellen, durch die unterirdischen Strömungen entstand aber eine Strudelbewegung. Kunzelmann begab sich selbst in große Gefahr, um den Mann zu retten. Um nicht selbst zu ertrinken, schwamm er hinter dem Notleidenden und schob ihn in Richtung Ufer vor sich her. Nun versuchten beide gemeinsam, das Ufer wieder sicher zu erreichen.
Doch auch dem 53-Jährigen ging langsam die Kraft aus und Panik stieg auf, erinnert er sich heute. Trotzdem konnte er die Fassung bewahren und rief die am Ufer bangenden Kollegen des Lastwagenfahrers zu Hilfe. Die Schwierigkeit: die Männer sprachen weder Deutsch noch Englisch. Sie verstanden aber die Not, bildeten eine Kette und zogen Kunzelmann so wieder ans Ufer zurück. Ihren Kollegen mussten sie kurzzeitig nochmals loslassen. Dieser erwischte aber eine günstige Strömung und wurde ans Ufer getrieben. „Wir hatten beide viel Glück“, so Kunzelmann.

Rettung in letzter Sekunde
Nachdem Kunzelmann wieder aus dem Wasser war, rannten die vier Männer zu dem 57-Jährigen und zogen ihn gemeinsam ans Ufer. Kopf und Arme waren schon blau angelaufen.
Einer der Lastwagenfahrer begann mit der Wiederbelebung. „Nach kurzer Zeit hat er wieder aufgehört und gab mir ein Handzeichen. Das bedeutete so viel wie: Das war‘s. Er ist tot“, so Kunzelmann. Aufgeben aber wollte er nicht und reanimierte selbst weiter. Nach einmaliger Mund-zu-Mund Beatmung atmete der Mann wieder selbstständig und die Männer begaben ihn in die stabile Seitenlage.
Die Erinnerungen an das Geschehen aber bleiben im Gedächtnis. „Im Nachhinein ist es furchtbar darüber nachzudenken. Trotzdem konnte ich durch die Rettung für mich den ersten Vorfall, bei dem ich nichts tun konnte, aufarbeiten“, sagt Christof Kunzelmann. Besonders erschreckend sei für ihn gewesen, dass niemand den Notruf gewählt habe, bevor er sie darauf ansprach. „Man kann von niemandem verlangen, jemanden hier aus dem Wasser zu ziehen. Das Mindeste ist aber, einen Notruf abzusetzen“, sagt er.
„Unsichtbare Kraft“ – Ein Appell an Mitbürger
Warum hat sich Kunzelmann in Gefahr begeben, um einen anderen zu retten? „Man sollte hin- und nicht wegschauen. Gerade den Rhein darf man nicht unterschätzen. Am Ufer sieht es meistens relativ harmlos aus, aber es herrscht durch die unterirdischen Strömungen diese unsichtbare Kraft, die einen schnell mit sich ziehen kann.“
Weiter: „Körperlich fit zu sein, hilft hier nichts. Wenn man sieht, dass sich jemand ins Wasser begibt, sollte man denjenigen über die Gefahren informieren, bevor es zu spät ist.“
Manfred Weber, Bürgermeister der Gemeinde Küssaberg, findet auf Nachfrage folgende Worte für den Retter: „Das Badeverbot, das ausgeschrieben ist, wird immer noch von vielen Menschen missachtet und unterschätzt, weswegen es nicht zum ersten Mal zu einem Unfall kam. Der Rhein von heute ist nicht der Rhein von morgen. Umso höher ist deswegen der Einsatz von Herrn Kunzelmann zu bewerten. Er hat sich selbst in Gefahr gebracht und sich das getraut, was sich andere nicht getraut haben.“