Mit der Erneuerung der Spitalkapelle in der Rheinstraße hätten die Ehemaligen der Junggesellenschaft 1468 einen „trostlosen und armseligen Zustand beendet“. So formulierte es der kantige Stadtpfarrer Alfons Nock deutlich in seinem Grußwort vom Oktober 1985. Tatsächlich war der Traditionsverein von 1980 bis 1985 die treibende Kraft bei der Restaurierung der teilweise über 500 Jahre alten Bausubstanz.

Die alte Spitalkapelle in der Rheinstraße feiert ihre Wiedererweckung durch die Ehemaligen der Junggesellenschaft vor 40 Jahren am 11. ...
Die alte Spitalkapelle in der Rheinstraße feiert ihre Wiedererweckung durch die Ehemaligen der Junggesellenschaft vor 40 Jahren am 11. Juli mit einem öffentlichen Fest gleich nebenan im Hof des Haberer-Hauses. | Bild: Heinz Huber

Beliebt als stilvoller Rahmen für Trauungen

Seit 40 Jahren steht Besuchern der Innenstadt ein Ort der Ruhe inmitten geschäftigen Treibens tagsüber wieder offen. Beliebt ist die von den Ehemaligen bis heute betreute Heilig-Geist-Kapelle inzwischen als stilvoller Rahmen für Trauungen. Die alten Mauern könnten viel erzählen: Das Baudenkmal, das inzwischen der Erzdiözese Freiburg gehört, steht hauptsächlich für die Anfänge der stationären Krankenpflege in Waldshut ab dem 15. bis ins 19. Jahrhundert.

9. November 1411: Der Schultheiß trägt sein Anliegen vor

Es ist Montag, der 9. November 1411 im schweizerischen Baden: Dem Landvogt der österreichischen Herrschaft tragen der Schultheiß der Stadt Waldshut, Cunrat Babst, und ein Bürger ihr Anliegen vor: Stiftung und Erbauung eines Spitals zum Heiligen Geist. So schildert Josef Isele, Pater des Ordens der Redemptoristen und Geschichtsprofessor in Fribourg, die Anfänge der Kranken- und Armenfürsorge in Waldshut. Die wirt-schaftliche Grundlage der Stiftung hatte die Stadt schon besorgt und sich für 140 Mark Silber den Hof zu Stunzingen gesichert, mit vielen Äckern, Matten, Gärten, mit Wald, Weiden und Reben.

160 Heilig-Geist-Spitäler im deutschen Sprachraum

Heilig-Geist-Spitäler gab es damals in vielen Städten. 160 ortete der Historiker im deutschen Sprachraum, alle mit der päpstlichen Sendung, Sieche (Kranke) aufzunehmen, Witwen, Waisen und Pilger zu speisen. Die Fürsorge ausdrücklich auch für Reisende sieht Josef Isele ganz im Rahmen der Aufgabe von „Walds-Hut“ als Hüterin im Sinne von Beschützerin.

Der Zunftmeister von 1985, Willy Riegger, selbst ehrenamtlich für den Denkmalschutz engagiert, kann bei bei Führungen durch die Kapelle ...
Der Zunftmeister von 1985, Willy Riegger, selbst ehrenamtlich für den Denkmalschutz engagiert, kann bei bei Führungen durch die Kapelle beim Kapellenfest auch von der Rettung der Kassettendecke berichten. | Bild: Heinz Huber

563 Jahre später: Zerfall, Trümmer und blinde Fenster

Vom 1417 bezogenen Spital in der heutigen Rheinstraße (jetzt Senioren-wohnen), von der 1422 geweihten Kapelle schräg gegenüber, die ursprünglich in einem Armensaal integriert war, fanden die Ehemaligen der Junggesellen 563 Jahre später nurmehr Zerfall, Trümmer und ein paar ziemlich blinde Kirchenfenster vor. Das Spital der 1980 immer noch existierenden Stiftung stand längst außerhalb des Unteren Stadttores. Die Spitalkapelle zum Heiligen Geist diente seit einem Jahrhundert als Magazin, aktuell als Teppichlager. Bauleiter Dold beschrieb nach der Erneuerung des Gotteshauses in einem Beitrag für diese Zeitung denn auch keine „Renovierung“, sondern eine „Restaurierung“. Ein Großteil der Substanz musste ersetzt werden.

Das sind die treibenden Kräfte bei den Ehemaligen

Der Freundeskreis, der sich rund um das vergessene Kirchlein zusammenfand, war wohl ein seltener Glücksfall: Als treibende Kräfte bei den Ehemaligen ein Ehrenzunftmeister und Zimmermeister Heinrich Dold sowie ein Zunftmeister Willy Riegger, beide mit einem großen Herz für die Bewahrung der Waldshuter Baugeschichte; das Baudenkmal als Vermächtnis einer vermögenden Familie, der kinderlosen Schwestern Maria und Anna Haberer, zugunsten der Erzdiözese Freiburg; als amtlicher Aufseher, vor aber als fachlicher Beistand der Kunsthistoriker Hans Jakob Wörner vom Landesdenkmalamt, Dolds Schulfreund mit Waldshuter Wurzeln; als Historiker der einheimische Pater Josef Isele, Professor an der Universität Fribourg/Schweiz, der mit intensiven Forschungen den Rang des Baudenkmals in der Stadtgeschichte begründete und die Ergebnisse in einem 60-seitigen Bändchen zur Wiedereröffnung 1985 niederlegte.

Und es gab einen unverwüstlichen Kern von rund 30 ehemaligen Junggesellen, die in den drei Jahren der eigentlichen Bauzeit laut Heinrich Dold ehrenamtlich etwa 8000 Arbeitsstunden leisteten. Und die laut Augenzeugenberichten nach getaner Arbeit manchmal nicht wiederzuerkennen waren.

Ohne noble Spender wäre es nicht gegangen

Trotzdem wäre es ohne noble Spender aus der Bürgerschaft nicht gegangen: Die Nachbildung des einstigen Dachreiters stiftete Bauleiter Dold gewissermaßen als Zugabe, die fehlende Glocke für den Turm die Familien Siebler, das Turmkreuz Irmgard Kübler. Auch an der Bestuhlung beteiligten sich Aktive und Freunde der Zunft. Der damalige Oberbürgermeister Franz-Joseph Dresen bescheinigte den Ehemaligen, sie hätten „ein öffentliches Beispiel von Bürgersinn gegeben“.

Heute machen Einheimische und Stadtbesucher tagsüber immer wieder Pause in der Oase der Ruhe. Andere reservieren die Kapelle, die etwa 100 Menschen Platz bietet, für Hochzeiten, Konzerte oder Lesungen.