Wehr Vor wenigen Wochen schaute die ganze Welt nach Auschwitz, polnisch Owicim. Dort wurde am 27. Januar des 80. Jahrestages der Befreiung des Vernichtungslagers gedacht. Die Nationalsozialisten ermordeten hier 1,2 Millionen Menschen, meist Juden. Das Gedenken dürfte verstärkt die Wehrer Pfarrei Sankt Martin berührt haben: In der Auschwitzer Gedächtniskirche Sankt Josef wird eine Orgel gespielt, die zuvor 70 Jahre der St.-Martin-Kirche Wehr treue Dienste leistete.

Entscheidung für Neuanschaffung

Das Instrument mit 40 Registern und drei Spieltischen stammt aus der Werkstatt des Freiburger Orgelbauers Willy Dold (1906 bis 1959). Allerdings war die in den 1930er Jahren gebaute Orgel in St. Martin zuletzt reparaturanfällig. Eine Generalsanierung wurde nach dem Millenniumsjahr in Betracht gezogen, hätte aber horrende Kosten verursacht. Bei der Abwägung Reparatur-Neukauf tendierten Stadtpfarrer Matthias Kirner sowie Stiftungs- und Pfarrgemeinderat klar Richtung Neuanschaffung, obwohl eigentlich allen bewusst war, dass sich die katholische Kirchengemeinde eine neue Orgel gar nicht leisten kann, bei geschätzten mehreren hunderttausend Euro an Kosten.

Die großzügige Einzelspende eines Kirchenmäzens machte in Wehr schließlich möglich, was zunächst als unerreichbar schien. Auf kurzem Wege konnte eine neue Orgel beschafft werden. Eine neue „Königin der Instrumente“, ein Schweizer Fabrikat. Diese wurde in den Jahren 2006/07 installiert und schließlich in einem feierlichen kirchlichen Akt in den Dienst genommen. Als die Orgel in St. Martin dem neuen Instrument weichen musste, kam dies Sixtus Lampl zu Ohren. Die große Leidenschaft des Mäzens ist es, alte Orgeln wieder zum Klingen zu bringen und diesen zu einem zweiten Leben zu verhelfen, egal in welchem Zustand diese sind. In Valley im oberbayerischen Landkreis Miesbach betreibt Lampl ein Orgelzentrum. Fast alle 60 Orgeln seiner Sammlung dort sind bespielbar. Untergebracht sind sie in einer Halle, wo es zu ständigen Kontakten zwischen Orgelbauern und auch Besuchern kommt. Denn so viele Orgel unterschiedlicher Bauart, Größe und Klangfülle auf einmal präsentiert zu bekommen, das gibt es selten.

Einige Jahre Im Museum

Lampl nahm 2006 Verbindung mit der Wehrer Pfarrei auf und bekundete sein Interesse an einem Erwerb der alten Orgel. Ein Deal war dann schnell geschlossen. Die Wehrer froh darüber, das Instrument nicht verschrotten zu müssen, sondern an ein Museum abgeben zu können. Einige Jahre war die Wehrer Orgel gut in Oberbayern aufgehoben. In die Kirche Sankt Josef in Auschwitz gelangte das Wehrer Instrument durch die persönlichen Verbindungen Lampls nach Polen und zu dortigen Orgelbauern. Nach dem Neubau der Auschwitzer Gedächtniskirche 2006 und einer Phase langen Wartens, auch weil das Geld fehlte, hatten diese nach einer passenden Kirchenorgel für das Gotteshaus Ausschau gehalten. Beim Orgelsammler in Bayern wurden sie fündig.

Unter den vielen dort gelagerten Objekten fiel die Wahl gleich auf die stattliche dreimanualige Wehrer Dold-Orgel. Diese passte nicht nur klanglich, sondern auch von ihren Außenmaßen her exakt in die Auschwitzer Kirche. Dass sich alles so wunderbar fügte, kommentierte der Orgelvermittler: „Dass die Orgel nun Teil einer lebendigen Pfarrgemeinde in einer Stadt ist, der die Geschichte eine solche Bürde auferlegt hat, das freut mich.“ Jetzt ist die Orgel an einer sinnvollen Stelle, wo sie zum Lob Gottes und zur Freude der Kirchgänger auch gespielt wird.“