Wut, Verzweiflung, Enttäuschung, Ernüchterung, Trauer und Angst: In der dritten Corona-Welle verfestigt sich bei den Menschen ein düsteres Stimmungsbild. Hinzu kommen Gefühle der Ohnmacht und der Ungerechtigkeit bezüglich der Impfcampagne. Es gibt kaum ein Gespräch, das nicht in der Kritik am Impfmanagement von Bund und Land endet. Die sich rasch ändernden Verordnungen und der erneute Lockdown sorgen bei den Bürgern für Verunsicherung und Frustration. Dagegen versucht der Landkreis Konstanz mit allen Gemeinden am kommenden Wochenende, 24. und 25. April, in einer konzertierten Schnelltest-Aktion anzugehen.

Wenn schon nicht genug Impfstoff vorhanden ist, so will man sich wenigstens einmal einen vollständigen Überblick über das Infektionsgeschehen im Landkreis verschaffen. Reset für die Gesellschaft. Einmal alles auf Neustart setzen, um auch die versteckten Krankheitsüberträger aufzuspüren, das ist die Idee hinter dieser Strategie. Dazu benötigt es allerdings einer sehr breiten Zustimmung in der Bevölkerung. Denn nur wenn sich sehr viele Menschen testen lassen, können auch die Infektionsherde ausfindig gemacht und die Übertragungsketten unterbrochen werden.

Bürgermeister Michael Klinger will einmal alle Bürger durchtesten.
Bürgermeister Michael Klinger will einmal alle Bürger durchtesten. | Bild: Trautmann, Gudrun

In Gottmadingen haben sich nach einem Aufruf von Bürgermeister Michael Klinger über 60 freiwillige Helfer gemeldet. „Einem Verein, der sich noch nachträglich angemeldet hat, mussten wir sogar eine Absage erteilen“, sagt Michael Klinger. Er sei den Ehrenamtlichen jetzt schon sehr dankbar für die Bereitschaft zur Mithilfe.

Wie funktioniert der Massenschnelltest in der Eichendorffhalle? Die Probanden werden von einem der Helfer angeleitet. Man müsse sich das vorstellen wie die Erklärungen von Flugbegleitern vor dem Start eines Flugzeugs, beschreibt Klinger die Einweisung. Nach zehn Minuten müssen die Testwilligen ihre Proben schon abgegeben und die Halle wieder verlassen haben. „Da halten wir uns an die Erkenntnisse des Robert-Koch-Instituts“, sagt Klinger. Die Getesteten warten dann im Freien unter dem Vordach der Eichendorff-Halle auf ihre Ergebnisse.

Ulrich Moser ist ein scharfer Kritiker der Massen-Schnelltests.
Ulrich Moser ist ein scharfer Kritiker der Massen-Schnelltests. | Bild: Moser

So euphorisch sich der Bürgermeister anhört, weil sich die Gemeinde mit einem kleinen Baustein endlich aktiv an der Bekämpfung der Pandemie beteiligen kann, so kritisch sind auch einige Reaktionen aus der Bevölkerung. Harsche Kritik kommt von Ulrich Moser in einem offenen Brief. Darin schreibt der Leiter des Zentrums für Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung an den Vorsitzenden des Gottmadinger Gewerbevereins, Alexander Growe: „Sollte der Gewerbeverein, respektive sein Vorstand, Maßnahmen unterstützen, die geeignet sind die Lockdown-Maßnahmen fortzuführen – und dazu zählt die Unterstützung bei der Testaktion, dann kündige ich hiermit vorsorglich meine Mitgliedschaft.“ Moser reagiert damit auf die Bitte von Bürgermeister Michael Klinger an den Gewerbeverein, Mitglieder aus dem Verein als Helfer für die Testaktion zu rekrutieren.

Doch was erzürnt den Unternehmer so sehr? Moser bezweifelt die Aussagekraft von Schnell- und PCR-Tests und bezieht sich dabei auf ein Interview des Virologen Christian Drosten aus dem Jahr 2014. Danach würden selbst kleinste Partikel abgestorbener Corona-Viren ein falsch positives Ergebnis herbeiführen und die Inzidenz künstlich in die Höhe treiben. Moser führt weiter hohe Fehlerquellen der Tests an. Es gehe also nicht darum, die Pandemie einzudämmen, sondern den Inzidenzwert hochzuschrauben, um die Lockdown-Maßnahmen zu verlängern. Laut Moser ist es Aufgabe des Gewerbevereins, gegen die Lockdown-Beschränkungen vorzugehen.

Der Vorsitzende des Gottmadinger Gewerbevereins, Alexander Growe, kann die Testaktion nicht mittragen.
Der Vorsitzende des Gottmadinger Gewerbevereins, Alexander Growe, kann die Testaktion nicht mittragen. | Bild: Christel Rossner

Alexander Growe ist als Vertreter der Reisebranche mit seinem Unternehmen besonders stark vom Lockdown betroffen. Die Verzweiflung ist dem Vorsitzenden des Gewerbevereins deutlich anzumerken. „Wir haben praktisch seit einem Jahr Berufsverbot“, schildert er seine Lage. Sein Geschäft besteht seither nur noch aus Stornos. Seinen Stammkunden kann er schon lange keinen Reisewunsch mehr erfüllen. Er wünscht sich nichts sehnlicher als Lockerungen. Seine größte Sorge ist, dass die landkreisweite Testaktion, an der sich Gottmadingen beteiligt, die Inzidenz noch weiter in die Höhe treibt und die Betriebe noch weiter von Öffnungen entfernt. Deshalb hat auch er dem Bürgermeister eine Absage erteilt: „Nein, ich bin diesmal nicht dabei.“ Das sei normalerweise nicht seine Haltung und die seiner Frau. Aber das Testwochenende bereite ihm Bauchschmerzen, zumal er die Schnelltests viel wichtiger für die Schulen findet als für so eine groß angelegte Aktion. „Wenn die Testkits schon knapp sind, sollten die Schulen Vorrang haben“, sagt Growe. Von den 148 Mitgliedern des Gewerbevereins hätten sich übrigens nur zwei für die Schnelltest-Aktion als Helfer zur Verfügung gestellt.

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