Die Gemeinderäte von Hilzingen wissen sich nicht anders zu helfen und greifen zum Mittel eines offenen Briefes, um ihre Unzufriedenheit mit der Amtsführung von Bürgermeister Rupert Metzler zum Ausdruck zu bringen. Darin beklagen sie, dass die von ihnen gestellten Anträge nicht oder nur mit großer Verzögerung behandelt werden. Durch den Verweis auf das in der Gemeindeordnung verbriefte Recht einer zeitnahen Behandlung von Anträgen sowie durch die Tonlage gleicht das Schreiben einer Dienstaufsichtsbeschwerde, mit der dem Bürgermeister Pflichtversäumnisse vorgeworfen werden.
Die Gemeinderäte sind sich der Tragweite des offenen Briefes offensichtlich bewusst. „So etwas macht man nicht einfach so“, sagte Sigmar Schnutenhaus (FDP), der als Sprecher der fraktionsübergreifenden Initiative bestimmt wurde. Wie er auf SÜDKURIER-Anfrage erläuterte, habe es im Vorfeld viele Gespräche mit Rupert Metzler gegeben, die allerdings fruchtlos geblieben seien. Beim im Laufe der Zeit entstandenen Stau der Anträge habe man inzwischen den Überblick verloren – teilweise reichten sie bis ins vergangene Jahr zurück und auch die Inhalte der einzelnen Anträge sind ihm nicht mehr vollständig präsent.
„Es geht zum Beispiel um Verfahrensanträge, wie mit Bauanträgen umgegangen werden soll“, so Sigmar Schnutenhaus. Seine Kritik reicht bis hin zur Verständlichkeit der Verwaltungsvorlagen, aber auch inhaltliche Anträge werden nach Wahrnehmung der Gemeinderäte auf die lange Bank geschoben. Er nennt dazu als Beispiel die vom Seniorenrat vorgebrachten und vom Gemeinderat aufgegriffenen Forderungen zur barrierefreien Umgestaltung von Bushaltestellen oder etwa den Diskussionsbedarf für den Bau eines Pflegeheims. Es sei Aufgabe des Gemeinderats, hier eine Grundsatzentscheidung zu fällen, an der sich dann die Verwaltung zu orientieren habe. „Aber in Hilzingen läuft das anders herum“, sagt der Sprecher der vier Fraktionen, „im Moment bestimmt nur Rupert Metzler die Themen.“ Das wird auch deshalb kritisch beurteilt, „weil tausend Sachen bearbeitet werden, aber nicht wirklich etwas vorwärts geht“.
Die Ernsthaftigkeit des offenen Briefes geht laut Sigmar Schnutenhaus auch aus der Zusammensetzung des Hilzinger Gemeinderats hervor. Es gebe eine Reihe von erfahrenen Mitgliedern (er selbst ist seit 2004 dabei) und einiger jüngerer Kollegen. „Das sind fleißige Leute, die etwas für ihre Gemeinde erreichen wollen“, erklärt er mit Hinweis auf die Verpflichtung der Räte gegenüber den Bürgern. Bösartigkeit wirft er dem Bürgermeister nicht vor, aber durch die Mängel in der Sitzungsführung und beim Umgang mit den Anträgen mache sich zunehmend Frustration breit. Im Vorfeld der Kommunalwahlen im nächsten Jahr hält er dies für ein fatales Signal.
Thomas Hägele bestätigt dies im Rückblick auf seine 19-jährige Erfahrung als Gemeinderat. Der Fraktionssprecher der Freien Wähler spricht von einer äußerlich dargestellten Offenheit des Bürgermeisters, tatsächlich werde „aber vieles einfach nur ausgesessen und es passiert so gut wie nichts“. Er erwähnt dabei die bereits im vergangenen Jahr gestellten Anträge zum Erhalt der öffentlichen Toiletten bei der Neugestaltung des Dorfplatzes und die Forderung nach einer Anhebung der Ehrenamtspauschale für die Mitglieder der Feuerwehr. „Rupert Metzler zeigt sich da immer sehr dankbar für die Anregungen, aber eine Lösung gibt es irgendwie nie.“
„Will meine Leute nicht verheizen“
Der Bürgermeister äußerte sich auf Anfrage des SÜDKURIER einigermaßen überrascht über die Art und Weise des Vorgehens seiner Ratskollegen. Es gebe regelmäßige Treffen mit den Fraktionsvorsitzenden und dass der Unmut nicht hier, sondern in einem offenen Brief artikuliert wird, hält er „für zumindest nicht glücklich“. Außerdem sei klar kommuniziert worden, dass vor, spätestens aber nach der Sommerpause eine Liste der anstehenden Aufgaben mitsamt einer Priorisierung der Abarbeitung vorgelegt werde. Fest stehe dabei, dass „ich meine Leute nicht verheizen darf und will“. Durch die Personalknappheit in der Verwaltung seien schon jetzt die Möglichkeiten von Überstundenkapazitäten so gut wie ausgeschöpft.
Die Überlastung ist nach Darstellung von Rupert Metzler auch ursächlich für den monierten Antragsstau. Was etwa die Barrierefreiheit von Bushaltestellen anbelangt, habe er auf seine Auffassung hingewiesen, dass es sich hier nicht um eine zeitlich zwingende Vorgabe des Gesetzgebers, sondern um eine Richtlinie handle. Auf dieser Grundlage solle nun ein Ingenieurbüro einen Umsetzungsplan erarbeiten – das aber erfordere Zeit. Auch was das höhere Entgelt für die ehrenamtlich tätigen Feuerwehrleute anbelangt, mag Rupert Metzler die Vorhaltungen des Gemeinderats nicht so recht verstehen. Unabhängig von der Berechtigung der Forderung sei er von einem Einverständnis ausgegangen, dass über die Erhöhung der Aufwandsentschädigungen erst nach Fertigstellung des rund 3,5 Millionen Euro teuren Feuerwehrgerätehauses entschieden werden soll. Für ihn ist das eine Frage des psychologischen Kalküls beim Interessensausgleich innerhalb einer vergleichsweise kleinen Gemeinde.
Einig sind sich Gemeinderäte und Bürgermeister übrigens über den Verlauf der Gemeinderatssitzungen: Die Gemeinderäte vermissen eine stringente Sitzungsführung, Rupert Metzler dauern sie „einfach zu lang“. Klar dürfte sein, dass sich nach dem offenen Brief zumindest in der nächsten Sitzung am 5. Juni daran nicht viel ändern wird. Der Gesprächsbedarf ist groß.
Der offene Brief im Wortlaut
Zum Sprecher der gemeinsamen Initiative wurde vom Gemeinderat der FDP-Fraktionssprecher Sigmar Schutenhaus bestimmt. Der von Sigmar Schnutenhaus (FDP), Thomas Hägele (Freie Wähler), Fabian Jutt (CDU) und Andrea Baumann (SPD) im Namen der Fraktionen verfasste offene Brief hat nachfolgenden Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Bürgermeister Metzler, die Gemeindeordnung Baden-Württemberg sieht eine zeitnahe Behandlung von Anträgen vor, die aus der Mitte des Gemeinderates gestellt werden. Der Zeitrahmen ist durch die Gemeindeordnung klar vorgegeben. Die Anträge sind spätestens auf die Tagesordnung der übernächsten Sitzung zu setzen (34 (1) Satz 4 GemO). Wir fordern Sie daher fraktionsübergreifend auf, diese Vorgabe der Gemeindeordnung zukünftig ohne Ausnahme einzuhalten. Den gewählten Gemeinderäten steht das Recht zu, Einfluss auf die politischen Entscheidungen im Sinne ihres Wählerauftrages zu nehmen. Dazu gehört auch das Recht, Anträge in den Gemeinderat einzubringen. Diese müssen bei entsprechendem Quorum durch den Bürgermeister auf die Tagesordnung aufgenommen werden. Der Gemeinderat ist dann selbst in der Lage, eine inhaltliche Bewertung der Anträge vorzunehmen und einen Beschluss in der Sache zu fassen. Wir fordern Sie daher auf, die zahlreichen und inzwischen über viele Monate aufgestauten Anträge auf die Tagesordnung der kommenden Sitzungen noch vor der Sommerpause zu nehmen. Des Weiteren fordern wir Sie auf, zukünftig die Vorgaben die Gemeindeordnung einzuhalten.“