Der Protest der Rathauschef zeigt wohl Wirkung: Für den Ausbau der Ganztagsbetreuung an den Grundschulen macht das Land Baden-Württemberg nochmal deutlich mehr Geld locker. Eine entsprechende Meldung bestätigt Hilzingens Bürgermeister Holger Mayer auf SÜDKURIER-Anfrage. „Es ist ein äußerst positives Zeichen, wenn das Land hier einspringt“, sagt er. Der Druck von den Bürgermeistern habe sich ausgezahlt.
Bürgermeister schlagen Alarm
Neulich hatte Benjamin Mors im SÜDKURIER-Interview noch ein ganz besorgniserregendes Bild skizziert. Denn Eltern haben ab dem Schuljahr 2026/27 in Deutschland einen Rechtsanspruch, ihr Kind in einer Ganztagesschule betreut zu wissen. Das entsprechende Gesetz trat schon im Herbst 2021 in Kraft, Einführung ist ab dem Schuljahr 2026/27. Zwar seien die Details der Gesetzgebung noch nicht bekannt, wie der Steißlinger Bürgermeister sagt, der auch Vorsitzender des Kreisverbands im Gemeindetag ist. Klar ist aber, dass Schulen umgebaut werden müssen.
Es braucht beispielsweise eine Mensa, wo Mittagessen angeboten werden kann. Dafür wurde ein Förderprogramm eingerichtet, doch der Ansturm darauf war riesig. „Die investiven Förderprogramme für die Ganztagesschulen in Baden-Württemberg sind bereits vierfach überzeichnet“, sagte Mors im August. Der Plan der Landesregierung damals: Per Losentscheid sollte entschieden werden, welche Kommune aus dem Fördertopf bedacht werden soll. Das löste heftigen Protest bei den Kommunen aus, denn es fehlte die Planbarkeit.
Ist das Losverfahren vom Tisch?
Nun gibt es im Streit um den Ausbau der Ganztagsbetreuung in Grundschulen in Baden-Württemberg eine Lösung. Das Land hat sich darauf verständigt, den Kommunen finanziell unter die Arme zu greifen und das Förderprogramm des Bundes deutlich aufzustocken.
Die Haushaltskommission der Landesregierung hat jüngst beschlossen, dass alle aktuell vorliegenden, vollständigen und korrekten Anträge in Tranchen über die nächsten sechs Jahre gefördert werden sollen. Was das bedeutet, macht Bürgermeister Holger Mayer anhand der Eduard-Presser-Grundschule in Riedheim deutlich.
Das Hilzinger Beispiel zeigt das Dilemma
Die Schule soll saniert und erweitert werden, damit sie räumlich für die Ganztagesbetreuung bereit ist. Eine Grobplanung liegt bereits seit Februar 2022 vor. Laut Holger Mayer belaufen sich die Kosten für die Erweiterung auf rund 4,4 Millionen Euro. Schon bei der Vorstellung des Projektes vor zwei Jahren rechnete er mit einer hohen Förderung des Bundes, da entsprechende Rahmenbedingungen in Aussicht gestellt worden waren.

Im Falle der Eduard-Presser-Schule geht es um bis zu 2 Millionen Euro. „Ohne diese Förderung hätten wir nicht gewusst, ob die Gemeinde den Anbau finanziell stemmen können“, so Mayer. Nun hat er wieder Hoffnung. Einen konkreten Zeitplan für die Arbeiten gebe es allerdings noch nicht. „Wenn wir die Förderzusage haben, starten wir in die Ausschreibung für die Erweiterung“, sagt er. Vorausgesetzt, der Gemeinderat stimme dem zu.
Es zeigt sich ein grundsätzliches Problem
Bei Benjamin Mors sorgt die Nachricht aus dem Kultusministerium für ein stückweit Erleichterung. Allerdings bleibe das Thema schwierig, vor allem in der Umsetzung. Denn die Schaffung der erforderlichen Räume sei das eine, aber die Personalsituation und der Betrieb das andere. „Wir haben schon jetzt kaum Personal“, sagt Mors.
Wenn die Kommunen diese und weitere Aufgaben wie etwa die Kinderbetreuung in den Kitas oder die Unterbringung von geflüchteten Menschen stemmen müssten, müsste auch klar sein, wer sie finanziert.

Ein weiteres Problem sei der nun sehr, sehr enge Zeitrahmen. „Wenn wir jetzt im September 2024 die Förderfrage erst geklärt haben, wie sollen die Gemeinden das baulich bis 2026 schaffen?“, fragt Mors. Deshalb fordere der Gemeindetag eine Verlängerung der Frist.
Druck aus den Kommunen zahlt sich aus
Ein weiteres Beispiel gibt es wenige Kilometer weiter in Tengen. Laut Bürgermeister Selcuk Gök sei ein Neubau an der Grundschule geplant, der 3,2 Millionen Euro kosten soll. Auch seine Meinung ist eindeutig: „Ohne die Förderung ist dies nicht finanzierbar.“

Aber auch mit der Zusage des Landes, die Fördergelder aufzustocken, sei für ihn nicht alles rosig. „Es ist traurig, dass es Druck aus der kommunalen Familie geben muss, dass die Fördertöpfe aufgestockt werden müssen“, sagt er. Seine Vermutung: Ohne diesen Druck wäre es beim Losverfahren geblieben und das hätte nicht gerade für Planungssicherheit gesorgt.
„Auch wir im Gemeinderat sind natürlich in Gespräch, welche Alternativen es gibt, wenn keine Förderung eintrifft“, so Gök. Der Tenger Rathauschef ist allerdings trotz allem sicher, dass die Stadt den Neubau bis 2026 rechtzeitig schaffe.