Anh Hoàng lebt seit einem halben Jahr in Konstanz, Daniel Trüb seit mehreren Jahrzehnten. Beide gehören zu den 20 nach dem Zufalls­prinzip ausgewählten Bürgern, die am Wochenende darüber beraten haben, welche von 23 Projektideen aus der Bürgerschaft die Stadt Konstanz mit bis zu 15.000 Euro fördern soll.

Bei der Zufallsauswahl der Teilnehmer wurde nur berücksichtigt, dass die Geschlechter gleichmäßig vertreten waren, Jung und Alt sowie Menschen mit und ohne Migrationshintergrund.

Wie viele Initiativen haben sich beworben?

Bürger, Vereine und Gruppierungen hatten sich mit 29 Initiativen beworben, die sie selbst umsetzen wollen. Davon wurden 23 mit einem Fördervolumen von 170 000 Euro von der Stadtverwaltung zugelassen. Doch nur 100.000 Euro standen als sogenanntes Bürgerbudget zur Verfügung.

Welche Kriterien mussten zur Zulassung erfüllt sein?

Die zufällig ausgewählten Bürger bildeten einen Bürgerrat, der sechs Stunden diskutierte und dann eine Prioritätenliste der Projekte für die Förderung verabschiedete. Projekte, die sichtlich ein Fall für andere Zuschüsse durch die Stadt waren, oder den von der Stadt aufgestellten Kriterien formal nicht entsprachen, wurden schon im Vorfeld aussortiert.

Dazu zählten bereits laufende Projekte, oder solche, bei denen die Zuschüsse in laufende Personalkosten fließen würden. Ein Kriterium war auch, dass Bürger selbst für die Sache tätig werden.

An welchen Fragen orientiert sich der Bürgerrat für die Entscheidung?

„Der Bürger macht, und wir ermöglichen es“, sagte Martin Schröpel, städtischer Beauftragter für bürgerschaftliches Engagement. Er geht davon aus, dass keine Kommune in Deutschland das Bürgerbudget nach diesen Kriterien umsetzt. Joachim Helff von der städtischen Kämmerei nannte die vier Grundfragen, an denen sich die Bürger bei ihren Entscheidungen orientieren sollten: Wie viel Eigenleistung steckt in der Sache? Wie viele Menschen erreicht das Projekt? Hat es Wirkung auf die Stadtgesellschaft? Wie hoch ist der Grad der Innovation?

Unter den Anträgen befanden sich Projektideen wie eine Pflanzinitiative für Blumen, die Bienen gerne anfliegen, oder das Aufstellen von Kippenbeißern, also Mülleimern für Zigaretten in Form von Fasnachtsfiguren.

Wie ist der Konstanzer Bürgerrat zusammengesetzt?

In fünf Arbeitsgruppen wurde jeweils ein Teil der Projekte beraten, dann diskutierte die ganze Gruppe die Platzierungen nochmals. Letztlich hätten alle Teilnehmer die verabschiedete Liste mittragen können, sagte der 34-jährige Markus Moser, der vor drei Jahren aus Berlin nach Konstanz gekommen war.

Markus Moser, Mitglied im ersten BürgerratEs, sagt: „Es ist ein tolles Gefühl, sich beteiligen zu können. Ich hoffe, dass das ...
Markus Moser, Mitglied im ersten BürgerratEs, sagt: „Es ist ein tolles Gefühl, sich beteiligen zu können. Ich hoffe, dass das weitergeführt wird.“ | Bild: Claudia Rindt

Dass er im Bürgerrat mitwirken sollte, sei für ihn eine „freudige Überraschung“ gewesen: „Es ist ein tolles Gefühl, sich beteiligen zu können.“ Moser, Mitglied im Sportverein und erfahren in Gremienarbeit, sagt, er habe selten eine so konzentrierte Diskussion erlebt wie im Bürgerrat. Man habe sich gegenseitig zugehört und sei aufeinander eingegangen.

„Ich hoffe, dass das weitergeführt wird.“ Dieser Meinung ist auch der 52-jährige Daniel Trüb.

Daniel Trüb, Mitglied im ersten Bürgerrat, sagt: „Es war selbstverständlich für mich, dass ich hingehe. Wie oft kann man schon ...
Daniel Trüb, Mitglied im ersten Bürgerrat, sagt: „Es war selbstverständlich für mich, dass ich hingehe. Wie oft kann man schon aktiv mitwirken in der Stadt.“ | Bild: Claudia Rindt

„Wie oft kann man schon mal aktiv mitwirken in der Stadt?“, sagte er. In den Debatten habe es keine Rolle gespielt, ob jemand neu oder alteingesessen ist in Konstanz.

Die 27-jährige HTWG-Studentin, Anh Hoàng, war überrascht, dass nur so wenige Bürger über die Projekte beraten sollten. Bis zum Treffen im Dachgeschoss des Konzils habe sie gedacht, alle Konstanzer Bürger seien eingeladen mitzumachen.