Wenn es an Heilig Abend langsam düster wird, suchen die Menschen die behagliche Stube auf, um mit den Liebsten Weihnachten zu feiern. Der Trubel der Adventszeit legt sich und eine behagliche Ruhe breitet sich aus.
Just zu dieser Zeit waren am vergangenen 24. Dezember auf den Straßen von Litzelstetten ungewöhnlich viele Personen mit Päckchen unterm Arm zu beobachten. Sie alle hatten ein Ziel: den örtlichen Waldfriedhof, um den bekannten und beliebten Obdachlosen Werner Husemann zu beschenken.

"Eigentlich habe ich alles, was ich benötige"
Es waren insgesamt rund 50 Menschen, die in der Heiligen Nacht einem Mitmenschen helfen wollten, der tagein, tagaus über den Bodanrück wandert und sein Nachtlager am Straßenrand, an Bushaltestellen oder im Eingangsbereich der Kapelle am Waldfriedhof aufschlängt.
Der SÜDKURIER traf sich vor wenigen Wochen mit Werner Husemann und fragte ihn nach seinen Weihnachtswünschen: Ein neuer Schlafsack wäre schön, eine dicke Decke, Radio und Taschenlampe inklusive Batterien, eine Hose ohne Löcher, ein Pullover und gerne auch Brot, Wurst, Käse, Plätzchen, Kuchen oder Getränke.
"Aber eigentlich habe ich alles, was ich benötige", sagt er noch.
Aktion auch kritisch beäugt
Doch zwischen 16 und 18 Uhr in der Heiligen Nacht wurde der Mann, der sein Alter mit Ende 50, Anfang 60 bezeichnet, reichlich beschenkt. Von Konstanzern, die diese Hilfe als selbstverständlich betrachten und nicht nur als Befriedigung eines schlechten Gewissens an Weihnachten – immerhin wurde im Internet die Aktion auch kritisch beäugt.
"Das ist Blödsinn", sagte Bernhard Müller. "Ich helfe auch unter dem Jahr sehr gerne. Das ist für mich keine Frage. Schön, dass der SÜDKURIER diese unkomplizierte Hilfe organisiert."

Wolfram Männer sieht das ähnlich: "Wir dürfen nie vergessen, dass es Leute gibt, denen es, aus welchen Gründen auch immer, nicht so gut geht. Ich kenne Herrn Husemann seit vielen Jahren. Daher ist es selbstverständlich, ihn zu unterstützen." Der ehemals passionierte Bergsteiger brachte einen neuwertigen Hochgebirgsschlafsack – dann kann die kalte Jahreszeit kommen. Es sei doch schön, wenn Mitmenschen helfen, "egal wann das ist".
David Heinkel aus Oberdorf brachte einige warme Kleidung. "Es ist sehr sinnvoll, wenn man direkt vor Ort hilft", erzählte er. "Da weiß man, dass es dort ankommt, wo es benötigt wird." Bei Kleidersammlungen sei stets eine Organisation dahinter, "und dann kann man nicht nachvollziehen, wo die Spenden hinwandern".
Christa Böger nickte bei diesen Worten: "Ich habe heute Morgen im SÜDKURIER von der Aktion gelesen und sofort nachgeschaut, was ich ihm schenken kann." Auch sie kennt Werner Husemann schon lange. Zahlreiche andere Personen, die nicht genannt werden wollen, brachten Umschläge mit Geld, Pakete, Gebäck, Tee oder Decken.
Sabina und Marc Willms sind aus Zürich nach Litzelstetten gefahren. "Wir haben im Internet davon erfahren", sagten sie. "Und wir haben auch vor einem Jahr Werner Husemanns Geschichte im SÜDKURIER gelesen. Da wollten wir direkt helfen."

Maria Dörfel brachte eine Isomatte, einen Schlafsack und eine nagelneue Tasche. "Seine sind ja schon alt und haben Löcher. Ich beobachte das immer, wenn ich ihn sehe."
Als am frühen Abend die letzten Spender den Waldfriedhof verließen, kam Werner Husemann nach der für ihn ungewöhnlichen Aufregung erstmals wieder zur Ruhe. Er betrachtete die vielen Päckchen, Taschen, Tüten oder Kisten – sogar ein Weihnachtsbaum mit einer Lichterkette stand da.
Strahlende Augen
Er packte ein kleines Radio aus und knipste es an. Wie bestellt war Stille Nacht, Heilige Nacht zu hören.
Zum Abendessen gab es Brot, Wurst und Käse, dazu eine Flasche Bier. "Vielen Dank", sagt er noch. "Das ist sehr lieb. Ja. Vielen Dank."

Am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages wollte er ursprünglich Dinge, die er mehrfach erhalten würde, einer Konstanzer Obdachloseneinrichtung zukommen lassen. "Aber ich kann irgendwie alles gebrauchen", sagte er mit strahlenden Augen. "Was ich nicht transportieren kann, deponiere ich einfach hier, bis ich wieder zurückkomme."
So möchte die Litzelstetter Verwaltung Werner Husemann helfen
Die Ortsverwaltung Litzelstetten möchte Werner Husemann langfristig helfen, wie Ortvorsteher Wolfgang Gensle auf SÜDKURIER-Nachfrage bestätigt: "Er wird nicht jünger und irgendwann klappt das mit dem Wandern vielleicht nicht mehr", sagt er.
Zunächst möchte die Ortsverwaltung ihm einen Ausweis ausstellen mit dem Ziel eines festen Wohnsitzes und finanzieller Unterstützung. "Da muss er mithelfen und eine Geburtsurkunde oder eine bisherige Meldung vorweisen."
Doch Husemann besitzt laut eigener Aussage weder das Eine noch das Andere – und fühlt sich auf der Wanderschaft wohl.