Weihnachten 2017 wird Werner Husemann so schnell nicht vergessen. „Ich habe jede Menge schöne Geschenke erhalten“, erzählt er leise. „Das war sehr nett.“
Auch in diesem Jahr können Sie dem SÜDKURIER helfen, Werner Husemann und anderen Obdachlosen eine Freude zu machen. Wie, das lesen Sie am Ende dieses Artikels.
Viele Worte zu verlieren ist Husemanns Sache nicht. Dafür ist er schon zu lange alleine auf Platte, wie wohnungslose Menschen selbst sagen. Bedanken möchte er sich trotzdem noch bei seinen Mitmenschen für die milden Gaben. „Ja, doch. Vielen Dank.“

Hosen, Schuhe, Zigaretten, Gebäck, Kuchen, auch leckeres Fleisch und kühles Bier waren darunter. „Ich habe lange nicht mehr so gut gegessen“, sagt er lächelnd. Überall standen auf dem Fußgängerweg in Wallhausen liebevoll verpackte Päckchen, Getränkekisten oder Frischhaltedosen. Auch Geld erhielt er. So viel, dass er sich ein paar Monate davon Lebensmittel leisten konnte.

Ein Artikel löst eine Welle von Hilfsbereitschaft aus
Die Resonanz auf einen SÜDKURIER-Artikel über Werner Husemann am 23. Dezember 2017 war enorm. Seine Geschichte wurde mehrere hundert Mal im Internet geteilt und kommentiert. Schnell bildeten sich spontane Gruppen, um für den netten Herrn Dinge des täglichen Gebrauchs zu sammeln, die entweder persönlich übergeben oder am Straßenrand deponierten wurden.
Auch Burhan Sadiku suchte ihn – und wurde am 26. Dezember an einer Bushaltestelle in Wallhausen fündig. Er brachte Tee und Kuchen und blieb für einen gemütlichen Feiertagsplausch. „Meine Frau hat für ihn gebacken“, erzählte der Wallhausener. „Wir kennen ihn seit langem und haben den Artikel im SÜDKURIER gelesen. Da wollten wir helfen.“
Der Beschenkte genoss den Kuchen sichtlich, ließ sich den Tee schmecken und bestaunte seine neuen sportlichen Turnschuhe oder die modischen Jeans. Heilig Abend 2017 verbrachte er an der Bushaltestelle Linzgaublick.
Zeit, Daten, Alter – all das ist Werner Husemann nicht mehr so wichtig
Und in diesem Jahr? „Irgendwo hier“, sagt er, während er seine zwei Schlafsäcke, die schon bessere Tage gesehen haben, für das Nachtlager herrichtet. „Da, wo ich halt gerade bin.“
Tage und Daten hat er längst aus den Augen verloren. Sie spielen in seinem Leben keine Rolle mehr.
Werner Husemann ist schon lange obdachlos. Seit wann er umherwandert, weiß er nicht. Das ist für ihn nicht wichtig. Auch sein genaues Alter spielt keine Rolle. So ungefähr Ende 50, Anfang 60. Das wird schon stimmen.
Er geht Tag für Tag mit seinen Taschen zwischen Wallhausen, Dettingen, Dingelsdorf, Oberdorf und Litzelstetten "spazieren", wie er es selbst ausdrückt. Meistens auf den Gehwegen direkt an der Straße, gerne auch direkt am See. Je nach Stimmung.
Sicher ist nur: Er geht und geht und geht. „50 Kilometer täglich. Mehr schafft ja kein Mensch.“ Er lächelt. So, als sei er zufrieden mit sich und der Welt.
„Mir fehlt nichts. Ich bin an der frischen Luft und meine Beine tragen mich. Und zu essen habe ich auch.“Werner Husemann
Werner Husemann verzichtet freiwillig auf Sozialhilfe. In Einrichtungen für Obdachlose findet man ihn nicht. „Das bisschen, was ich habe, wird mir da vielleicht geklaut.“ Aber auch an seinen Schlafplätzen in den Vororten kamen schon Bierflaschen und Zigaretten weg. „Das ist blöd“, sagt er. „Das macht man nicht.“
Das Geld, was er bei sich hat, wird ihm auf der Straße zugesteckt. Es reicht zum Überleben. Mehr möchte er auch nicht. Werner Husemann benötigt nach eigener Aussage keinen Kontakt zu Mitmenschen. Hier ein freundliches Hallo, dort ein zustimmendes Nicken. Wer ihn grüßt, wird immer eine nette Reaktion erhalten.
Nur, weil ein Mensch obdachlos ist, heißt das ja nicht, dass er schlechte Manieren hat.

Das vergangene Jahr war nicht leicht für Werner Husemann
Über den Hitzesommer beschwert er sich nicht. „Wir können ja in den See springen. Das erfrischt.“ Die bittere Kältewelle im Frühjahr davor war hingegen hart. So lange er genügend Lebensmittel habe, sei die Kälte nicht schlimm. „Gefährlich wird's erst, wenn Hunger und Durst dazu kommen.“
An ein tolles Ereignis im ablaufenden Jahr erinnert er sich besonders gerne. „Einmal, als es sehr kalt war, wurde ich auf einen Teller Gulasch eingeladen“, erzählt er und strahlt. „Das hat richtig gut getan.“ Wo das war und wer ihn eingeladen hat? „Das weiß ich nicht mehr. Ich glaube aber, das war in einem Restaurant an der Straße.“
Frau verloren, Job verloren – und dann verschlug es den Münchner nach Konstanz
Werner Husemann stammt aus München, wo er als Betonpumpenfahrer gearbeitet hat. Das erzählt er. Als vor Jahren seine Frau starb und er arbeitslos wurde, verlor er den Boden unter den Füßen. Darüber redet er nicht gerne. Auch nicht über die Legenden, die über ihn erzählt werden. „Es stimmt alles, aber auch gar nichts“, berichtet er beim vorweihnachtlichen Gespräch mit dem SÜDKURIER im Litzelstetter Wald bei Plätzchen, Tee und einer Flasche Bier.
Irgendwann kam er über Umwege nach Konstanz. „Hier gefällt es mir“, sagt er. „Andere gehen nach Amerika. Aber die in Amerika werden sich noch umschauen. Mir geht's hier viel besser.“ Wenn es schneit oder regnet, verbringt er die Nacht am liebsten im überdachten Eingangsbereich vor der Kapelle im Litzelstetter Friedhof.

Werner Husemann hat eine eigene Frühstücks-Kasse in Wallhausen
Im Dorfladen in Wallhausen steht das Werner-Kässle. Viele Kunden werfen ein wenig Geld hinein. Davon wird das Frühstück des Obdachlosen bezahlt.
„Es gibt auch Menschen, die das kritisch sehen“, sagt Dorfladen-Vorstand Sara Wild. „Die möchten nicht neben ihm sitzen oder sagen, dass er zu oft da sei. Aber wir stehen zu ihm. Er ist immer willkommen.“
Nicht nur an Weihnachten überwiegt jedoch die Hilfsbereitschaft. „Es könnte aber durchaus wieder etwas mehr Geld gespendet werden“, sagt Sara Wild lächelnd. „Im Kässle ist viel Platz.“

Was wünscht sich Werner Husemann zu Weihnachten?
„Ich habe doch alles“, erzählt er. „Ich benötige nichts.“
Das hat er 2017 auch gesagt – und sich trotzdem gefreut über die Hilfsbereitschaft. Schließlich sagt er doch: „Vielleicht einen neuen Schlafsack. Ein Radio mit Batterien wäre nicht schlecht. Und Lebensmittel.“
Nach dem Gespräch verabschiedet er sich, öffnet ein Bier und zündet sich eine Zigarette an. „Es ist alles gut so, wie es ist“, sagt er, bevor er sich hinlegt.
Eine kalte Nacht steht an. Fröhliche Weihnachten, Werner Husemann. Und alles Gute für 2019.
So können Sie zusammen mit dem SÜDKURIER Werner Husemann und anderen Konstanzer Obdachlosen helfen
Werner Husemann ist einer von rund 20 Personen in Konstanz, die auf der Straße leben. Er ist als Einsiedler unterwegs. Der SÜDKURIER unterstützt diese Menschen mit einer Sammlung an Heiligabend, 24.12.2018.
Wer sich beteiligen möchte, kann um 16 Uhr zum Parkplatz des Litzelstetter Friedhofs kommen. SÜDKURIER-Redakteur Andreas Schuler wird einen Teil der Gaben an Werner Husemann weitergeben. Was der nicht tragen kann, wird einer Obdachloseneinrichtung übergeben.
Folgende Dinge sind sinnvoll: Schlafsack, Decke, Radio inklusive Batterien, Taschenlampe inklusive Batterien, Reflektoren, Hose, Pullover, Brot, Wurst, Käse, Plätzchen, Kuchen, Teekanne oder Getränke.