Gartenbesitzer nennen sie gerne Unkraut und sehen es als Ärgernis, wenn sich Giersch, Brennnesseln oder Gundermann im Garten breit machen. Alexandra Korndörfer nennt sie Wildkräuter und sieht darin eine kulinarische Bereicherung. Denn ob als Tee, würziges Pesto, Smoothie oder zarte Gemüsebeilage: Wildkräuter lassen sich in der Küche auf vielfältige Weise verwenden. Zudem seien sie reich an Vitaminen und Mineralstoffen und haben heilsame Wirkungen. Mit ihrer Liebe für Kräuter ist Alexandra Korndörfer nicht allein, denn das Wissen rund um die Gewächse wird derzeit wiederentdeckt.

Nirgendwo in Deutschland gebe es eine solche Vielfalt und Einzigartigkeit an Lebensräumen und Lebensgemeinschaften, von Pflanzen und Tieren auf derart kurzer Entfernung, wie zwischen Schwarzwald und Bodensee, sagt das Netzwerk Kräuterregion. „Eine Artenvielfalt und Schönheit, die uns begeistert, die wir pflegen wollen und deren Wissen darüber wir, die Mitglieder dieses Netzwerkes, in der Hauptsache Bauerngärtnerinnen und Kräuterpädagoginnen, an interessierte Menschen weitergeben möchten“, erklärt Linde Lau vom Netzwerkbüro Kräuterregion in Bad Urach.

Die durch Bewirtschaftung geschaffene Kulturlandschaft mit ihren Wiesen und Weiden, Wildflächen mit einer Vielzahl von Wildpflanzen, liebevoll gepflegte Kleinode, Bauerngärten mit ihren Nutzpflanzen und die Klostergärten mit ihren Heilpflanzen wechseln sich hier ab.

Gundermann ist ein Kraut, das gern in Gärten wächst und essbar ist – zum Beispiel mit Schokoladenüberzug als Alternative zu Minzblättchen.
Gundermann ist ein Kraut, das gern in Gärten wächst und essbar ist – zum Beispiel mit Schokoladenüberzug als Alternative zu Minzblättchen. | Bild: Mascha Brichta

Auch bei Familie Korndörfer haben die gesunden Kräuter Einzug gehalten. „Ich versuche jeden Tag, etwas Wildes in den Speiseplan meiner Familie einzubauen“, berichtet die engagierte Kräuterpädagogin. Die Familie sei oft sehr, manchmal aber auch weniger begeistert. So gibt es bei den Korndörfers schon einmal einen Brennnesselsaft mit Apfel oder Birne, Gänseblümchen im Salat oder Gundermannblätter, die in Schokolade getaucht wurden – als gesunde Alternative zu den bekannten Minzblättchen.

Ihr Wissen hat sie über die Jahre durch Sammeln, Nachlesen und Beobachten gesammelt. Eine Sammlung gepresster Wildkräuter, ein sogenanntes Herbarium, steht zuhause. In mehreren Ordnern hat sie es angelegt. Zu jeder Pflanze finden sich Eigenschaften und mögliche Verwendungszwecke. Für die Ausbildung als Kräuterpädagogin war vorgegeben, 30 Pflanzen auf diese Art zu betrachten. Inzwischen hat sie eine Sammlung von weit über 100 Pflanzen.

Das könnte Sie auch interessieren

Wundermittel wachsen auf der Wiese

Ihr Wissen gibt sie gerne bei Wildkräuterführungen an Interessierte weiter. Dabei komme auch die Heilkraft der Wildkräuter nicht zu kurz. „Eine Teilnehmerin trug an der Wildkräuterführung neue Turnschuhe. Nach kurzer Zeit bemerkte sie, dass die neuen Schuhe reiben und die Haut gereizt ist“, erzählt Korndörfer. Sie habe ein sauberes, großes Breitwegerichblatt gesucht und die Teilnehmerin legte es sich auf die gereizte Hautstelle in den Socken. Am Ende der Führung habe sie sich glücklich bedankt, denn die Stelle hatte sich beruhigt und es hatte sich keine Blase gebildet.

„Der Breitwegerich wird auch als Wiesenpflaster bezeichnet. Er wächst gerne an Wegen und Stellen, auf denen gelaufen wird“, erklärt die Kräuterpädagogin aus dem Tengener Teilort Büßlingen.

Breitwegerich bezeichnet Naturpädagogin Alexandra Korndörfer auch als Pflaster der Wiese.
Breitwegerich bezeichnet Naturpädagogin Alexandra Korndörfer auch als Pflaster der Wiese. | Bild: Heinz Scholz

Wer aufmerksam in der Natur unterwegs ist, könne einiges entdecken. Zum einen Pflanzen, die schön aussehen. Zum anderen solche, die lecker schmecken oder auch der Gesundheit dienen. „Auch im Hochsommer finden wir noch Wildkräuter, mit denen wir unseren Speiseplan bereichern können“, weiß sie – beispielsweise Holunderbeeren, Labkraut, Spitzwegerich, Brennnesseln und einige mehr. Brennnesseln? Ja. Die Brennnessel begeistert sie, da sie wirklich komplett verwendet werden kann.

Jahrhunderte altes Wissen vor dem Vergessen bewahren

Bereits Hildegard von Bingen habe auf Brennnessel vielseitig genutzt. Von der wirkungsvollen Tinktur der Wurzel über die Blätter als harntreibenden Tee bis hin zum Stängel, der früher zu Nesselstoff verarbeitet wurde. „Bei meinen Führungen habe ich immer gerne frittierte Brennnesselblätter verkosten lassen. Meist waren die Gesichter erst sehr skeptisch, ob man das überhaupt essen kann ohne sich zu brennen. Zum Schluss sehr positiv überrascht oder sogar begeistert, wie lecker diese gesunde Art der Nascherei sein kann.“

Das könnte Sie auch interessieren

Die Brennnessel sei ein echtes heimisches Superfood, das in keinem Garten fehlen sollte. Zum einen seien die Blätter als gesunder Genuss sehr vielseitig einsetzbar, man könne die Brennnessel auch genau so verwenden und verarbeiten wie Spinat.

Kräuterpädagogin Alexandra Korndörfer hat ein paar gute Tipps, wie man gesund durch den Sommer kommt. Unter anderem mit Rezepten rund um ...
Kräuterpädagogin Alexandra Korndörfer hat ein paar gute Tipps, wie man gesund durch den Sommer kommt. Unter anderem mit Rezepten rund um die Brennessel. | Bild: Uli Zeller

Eines ihrer Lieblingsrezepte sind Energiekugeln mit Brennnesselsamen. Dazu nimmt Alexandra Korndörfer 250 Gramm Softdatteln, 100 Gramm gemahlene Mandeln, etwa drei Esslöffel Kakaopulver und ein bis zwei Esslöffel getrocknete Brennnesselsamen. Die Zutaten, außer den Brennnesselsamen, werden im Mixer zerkleinert, bis ein feiner klebrig-fester Teig entsteht. Mit feuchten Händen werden aus der Masse kleine Kugeln geformt und zum Abschluss in den Brennnesselsamen gewälzt. „Die Energiekugeln dann etwa eine Stunde kühl ruhen lassen und danach genießen“, erklärt sie.

Grüne Kräuter stecken voller Vitamine

Mit ihren wertvollen Inhaltsstoffen wie Magnesium, Kalium, Eisen, Silicium, Flavonoide und Vitamin A, C, E bereichere sie jedes Gericht. Die Samen, welche ab Juli gesammelt und getrocknet werden können, sind mit ihrem hohen Eiweißanteil, Linolsäure und Vitamin E eine tolle Ergänzung im Müsli oder als Topping über süßen und herzhaften Speisen. Auch dem Brot – und Brötchenteig geben sie das gewisse Etwas.

Zudem sei die Brennnessel sehr wertvoll für Insekten. 150 verschiedene Insektenarten leben laut Korndörfer von der Brennnessel, davon über 30 Schmetterlingsarten. Ihre Raupen freuen sich über die Blätter als Nahrung. „Jeder Gartenbesitzer der eine wilde Ecke mit Brennnesseln stehen lässt fördert somit die Biodiversität“, betont die Kräuterpädagogin.