Noch ist er bei jedem Schritt, bei jeder formalen Handlung mit im Raum: Vor Beginn der Nominierungsversammlung von Bündnis 90/ Die Grünen und der Freien Grünen Liste (FGL) Konstanz werden Fotos ihres Weggefährten Günter Beyer-Köhler an die Wand projiziert. Am Rand des Saals steht ein Bild mit Trauerflor, eine Kerze, ein Kondolenzbuch. Immer mal wieder kommen jemandem die Tränen. Günter Beyer-Köhler ist vor wenigen Tagen unerwartet gestorben und nun sollen seine Mitstreiter zur politischen Tagesordnung übergehen und eine Liste für die Kommunalwahl aufstellen. Vielen wäre hier an diesem Morgen mehr nach Innehalten zumute.

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Das aber lässt der politische Alltag selten zu. Die Kommunalwahl steht im Frühsommer 2024 an und es gilt, schon jetzt eine Kandidatenliste zu präsentieren, um in den Wahlkampf zu starten. Eine Liste, auf der Günter Beyer-Köhler fehlen wird. Auch im politischen Geschäft, nicht nur in den Herzen, reißt er eine Lücke.

Das Wahlverfahren ist sowieso schon komplex bei den Grünen, es wird aufgestellt, gewählt, dann muss quotiert werden. Dieses Mal ist es noch komplexer: Erstmals treten die Freie Grüne Liste und der Ortsverband der Grünen mit einer gemeinsamen Liste an. Der Ortsverband der Grünen war erst im Sommer neu gegründet worden, der SÜDKURIER berichtete. Nun muss nach Aufstellung, Wahl, Quotierung alles also nochmals durch zwei Gremien.

Peter Müller-Neff (FGL) gibt seinen Wahlzettel an der Urne bei Rosa Buss ab.
Peter Müller-Neff (FGL) gibt seinen Wahlzettel an der Urne bei Rosa Buss ab. | Bild: Wagner, Claudia

Schon wieder ist an diesem Tag also Disziplin gefragt, Zeitverzug können sie sich nicht leisten. Die Zeiten der ausschweifenden Debatten sind aber ohnehin vorbei.

Junge Menschen auf den ersten Listenplätzen

Mit freundlicher Konsequenz führen Nina Röckelein und Stephan Kühnle durch die Sitzung, bis nach den verschiedenen Wahlgängen ein Ergebnis vorliegt. Die Mitglieder von Grünen und FGL haben ihre jungen Engagierten ganz nach vorne gewählt und schreiben so dem Wähler für die kommende Ratsperiode die Veränderung, das Neue und frische Gesichter ans Herz und auf den Stimmzettel.

Die Mitglieder von FGL und Grünen stimmen über die gemeinsame bereits quotierte Liste ab.
Die Mitglieder von FGL und Grünen stimmen über die gemeinsame bereits quotierte Liste ab. | Bild: Wagner, Claudia

Stimmenkönigin und damit ganz ohne Quotierung auf Platz eins gewählt wird Lisa Kreitmeier, 25 Jahre alt, gebürtige Konstanzerin und inzwischen ausgebildete Landwirtin, außerdem Tochter von Stadträtin Christiane Kreitmeier. Als solche wolle sie auch dem Handwerk eine Stimme geben und sich für nachhaltige Ernährung einsetzen, wie sie bei ihrer Kurzvorstellung vor der Wahl sagt. Auf Platz zwei kommt Niklas Becker, 28 Jahre, bekannt als Fridays for Future-Aktivist. Er tritt mit dem Ziel an, dass Konstanz bis 2035 klimaneutral wird. Auch, wenn dies noch sehr viel Anstrengungen bedeute. Auf den Plätzen drei bis sechs folgen (durch Quotierung) Cosima Cornelius, 33, Sportsoziologin und Bäckermeisterin, Samuel Hofer, 29, Lehramtsreferendar am Gymnasium, dann die erfahrene Stadträtin Gisela Kusche und Stadtrat Normen Küttner.

Die ersten sechs Listenplätze belegen hier von links: Normen Küttner, Gisela Kusche, Lisa Kreitmeier, Samuel Hofer, Niklas Becker und ...
Die ersten sechs Listenplätze belegen hier von links: Normen Küttner, Gisela Kusche, Lisa Kreitmeier, Samuel Hofer, Niklas Becker und Cosima Cornelius. | Bild: Hanser, Oliver

„Ich freue mich sehr, dass ich ohne Quotierung auf Platz 1 gewählt wurde“, sagt Lisa Kreitmeier. „Dadurch, dass ich Landwirtin bin, bringe ich eine andere Perspektive mit. Vielleicht hat mir geholfen, dass ich Handwerkerin bin, sie sind im Gemeinderat nicht überrepräsentiert.“ Auch Niklas Becker freut sich sichtlich: „Das ist schon ein krasses Vertrauen, dass ich so viele Stimmen bekommen habe“, sagt er. Er glaubt, dass bei ihm das Klimathema gezogen habe, ein wichtiges Thema auch für die Kommunalwahl. „Im vergangenen Jahr habe ich viel Lobbyarbeit für ambitionierte Klimapolitik gemacht, das zahlt sich jetzt aus.“ Samuel Hofer, Vorsitzender der Grünen Konstanz, ist erleichtert, dass es gelungen ist, Grüne und FGL von einer gemeinsamen Liste zu überzeugen.

Harter Wahlkampf erwartet

Die erfahrenen Stadträte wiederum sind froh über die Wertschätzung, die ihnen als Anerkennung für ihre bereits geleistete Arbeit entgegengebracht wird. „Mein Ergebnis ist dasselbe wie vor fünf Jahren“, sagt Normen Küttner. Es zeige ihm, dass seine Tätigkeit im Rat wertgeschätzt werde. Für den Wahlkampf erwartet er eine härtere Auseinandersetzung mit dem bürgerlichen Lager und vermutet, dass das Bodenseeforum eine größere Rolle spielen werde. Bei einer Fragerunde hatte eine Mehrheit der Kandidaten sich dagegen ausgesprochen, das Bodenseeforum von städtischer Seite weiter zu subventionieren.

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Gisela Kusche (67) ist ebenso begeistert wie Küttner, dass so viele junge Menschen auf den vorderen Listenplätzen stehen und sie selbst als erfahrene Kommunalpolitiker direkt folgt. Für den Wahlkampf erwartet sie Auseinandersetzungen um die Klimapolitik und den Haushalt, dies schließe natürlich auch das Bodenseeforum ein.

Günter Beyer-Köhler hätte die Liste vermutlich gefallen: Auf Platz eins eine Landwirtin, auf Platz drei eine Bäckermeisterin. Viel Vertrauen fürs Handwerk! Jetzt lachen viele seiner Gesinnungsgenossen wieder, der Blick richtet sich nach vorn: Der Wahlkampf hat begonnen.