Es kann einen kirre machen: Ein Kassenpatient ruft bei einem Facharzt an und bekommt einen Termin im Lauf der nächsten drei Monate zugeteilt. Eine Operation wird angesetzt, aber kurzfristig wegen eines Notfalls verschoben. Und in den Apotheken gibt es keine Fiebersäfte für Kinder. Schon längst ist für jeden Bürger spürbar, dass es um die Gesundheitsversorgung nicht gut bestellt ist – nicht nur im Kreis Konstanz, aber auch.
Bleibt die Frage, welcher Anteil der Krisen seinen Ursprung direkt in der Region hat und welcher Anteil auf bundespolitische Versäumnisse zurückzuführen ist. Unbestritten ist, dass der Gesundheitsverbund Kreis Konstanz seit vielen Jahren Millionen-Zuschüsse der öffentlichen Hand benötigt, um seinen Betrieb aufrechtzuerhalten. Die Krise ist zu alt, um sie ausschließlich auf Defizite in der Bundespolitik zurückzuführen.
Der Kreis Konstanz musste handeln: Im März 2022 wird ein Strukturgutachten veröffentlicht, das empfiehlt, das Radolfzeller Krankenhaus zu schließen. Dabei bleibt es nicht. Der Kreistag beschließt, die vorhandenen Strukturen komplett umzubauen: Es soll einen Klinikneubau auf einem Grundstück in Singen geben und beide Kliniken, in Konstanz und in Singen, sollen so strukturiert werden, dass es möglichst wenig Doppelstrukturen gibt.
Kreispolitikern ist völlig klar: Der Klinikneubau ist ein Projekt für Jahrzehnte, die Kostenlage – vorerst mit über 400 Millionen Euro veranschlagt – noch lang nicht überschaubar, unausweichlich ist das Projekt aber auch. Auf der anderen Seite ist der Kreis Konstanz bei Weitem nicht die einzige Region mit Problemen Kliniksektor. 60 Prozent der Kliniken bundesweit seien so gut wie zahlungsunfähig, so eine Meldung aus dem Jahr 2024.
Neubau des Klinikums steht im Zentrum
Entsprechend äußern sich die meisten Bundestagsabgeordneten, nach den Perspektiven der Gesundheitsversorgung gefragt, auch konkret zum Neubau des Singener Klinikums. Lina Seitzl, Bundestagskandidatin der SPD, schreibt: „Zuallererst gilt es den Neubau des Klinikums in Singen zu finanzieren.“
Sie verweist darauf, dass die Menschen sehr viel Geld in die Krankenversicherung zahlten. Ambulante und stationäre Versorgung müssten besser zusammenarbeiten. Sie stellt klar, dass die Bundespolitik gefragt ist: „Zahlreiche Hindernisse stehen dem noch im Weg, die vor allem der Bund beseitigen muss.“

Rosa Buss, Kandidatin der Grünen, ist es wichtig, dass die gesundheitliche Versorgung landkreisweit garantiert werde. „Der Neubau des Klinikums am Standort Singen ist ein wesentlicher Bestandteil für eine hochwertige Gesundheitsversorgung.“ Auch die ambulante Versorgung müsse sichergestellt und Notfallpraxen erhalten werden.

Ann-Veruschka Jurisch, FDP-Abgeordnete und FDP-Kandidatin, ist ebenfalls der Ansicht, dass der Landkreis das vom Kreistag verabschiedete Zweihäuserkonzept Singen-Konstanz zügig umsetzen solle, um damit die finanzielle Tragfähigkeit wieder sicherzustellen. „Von Bund und Land erwarte ich klare Rahmenbedingungen und verlässliche Fördermittel für das Klinikum und das Krankenhaus in Stockach.“
Handlungsbedarf gebe es aber auch bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Sie müsse die Planung an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und von einer zentralistischen Planwirtschaft Abstand nehmen.

AfD-Kandidat Bernhard Eisenhut ist der Meinung, dass eine zügige Umsetzung des Klinikneubaus notwendig ist sowie ein tragfähiges Konzept für die verbliebenen Standorte zur Notfall- und Spezialversorgung. Die AfD fordere beim Neubau eine 100-prozentige Finanzierung der Investitionskosten durch das Land. Sollte dies nicht gewährleistet sein, „wäre nötigenfalls zu klagen“.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und -kandidat Andreas Jung bezieht sich allgemeiner auf die Bedingungen der Gesundheitsversorgung: „Die Gesundheitspolitik darf nicht zentralistisch von den Metropolen aus gedacht werden“, schreibt er. Notwendig sei eine flächendeckende Versorgung für den ganzen Landkreis durch Krankenhäuser, Notfallambulanzen, Notfallpraxen, Hausärzte, Fachärzte, Apotheken und Pflegeangebote.

Lars Hofmann, Kandidat der Linken, beleuchtet die prekäre Situation des Gesundheitswesens von einer grundsätzlichen Seite und spricht den Personalmangel an: „Es müssen mehr Mitarbeiter eingestellt werden, und zwar zu guten Konditionen“, schreibt er auf SÜDKURIER-Anfrage.
Ein großes Problem erkennt er in der schwierigen Wohnraumbeschaffung, „bedingt durch die Knappheit an Wohnungen“. Die Schaffung von Ferienwohnungen, Spekulation und Leerstand verschärften die Lage, so Hofmann. Der Wohnraummangel liege damit dem Personalmangel zugrunde.