Seit fast einem Jahr ist es zum alltäglichen Begleiter geworden – das „Leben mit Corona“. Genau so heißt eine internationale wissenschaftliche Studie, die Forscher der Universität Konstanz und weiterer Universitäten im März 2020 starteten. Ziel ist es, herauszufinden, wie die Menschen in verschiedenen Teilen der Welt mit den sozialen Folgen der Covid-19-Pandemie umgehen.
Initiiert wurde die Studie von mehreren Hochschulen, darunter die Universität der Vereinten Nationen. Mit Anke Hoeffler, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Universität Konstanz, ist auch die Konstanzer Hochschule beteiligt. Dies ermöglicht es, dass die Online-Umfrage weltweit läuft, die jeweiligen Hochschulen haben ihre Partner auf der ganzen Welt aktiviert, um die Teilnahme zu fördern. „Repräsentativ ist sie allerdings nicht“, erläutert Anke Hoeffler, das wäre bei einer Umfrage, an der jeder teilnehmen darf, der dies möchte, auch nicht möglich.
Worum geht es in der Studie?
Die Umfrage beleuchtet zunächst die Lebenssituation der antwortenden Personen. Da sie weltweit funktionieren soll, wird der Teilnehmer beispielsweise auch gefragt, ob die Mauern seines Hauses aus Backstein oder aus Erde bestehen, ob er oder sie regelmäßig Zugang zu Elektrizität und frischem Wasser hat. In weiteren Schritten wird gefragt, ob die Person Menschen kennt, die an Covid-19 erkrankt beziehungsweise gestorben sind, wie viele Kontakte man in den vergangenen Tagen pflegte und ob es in dem Staat des Antwortenden Freiheitseinschränkungen wegen Covid-19 gibt. Auch das Vertrauen in staatliches Handeln, Medien und Regierung wird thematisiert.
In welchen Regionen liegen inzwischen Daten aus der Studie vor?
Die meisten Teilnahmen aus der Online-Umfrage stammen aus Deutschland, gefolgt von Portugal, Großbritannien, Argentinien, den USA, Indonesien, der Schweiz, Österreich, Spanien, Indien, Belgien, Frankreich, Italien. Bisher kaum beleuchtet wurden die Regionen Afrika und Asien. Insgesamt liegen Daten aus 130 Ländern vor.
Welche Ergebnisse der Studie liegen bereits vor?
Eines der Ergebnisse der Umfrage sei gewesen, dass Frauen die größere Last der Pandemie-bedingten Einschränkungen tragen, berichtet Anke Hoeffler. „Sie tragen hauptsächlich das Homeschooling, stellen ihren Beruf hinten an.“ Ein weiteres Ergebnis hänge mit dem Stress zusammen, den die jeweiligen Corona-Auflagen der Bevölkerung mache: Klares Ergebnis nach einer ersten Auswertung nach sechs Monaten sei gewesen, dass jüngere Menschen durch die Pandemie stärker gestresst würden als ältere.
„Das war ein staatenübergreifendes Ergebnis“, sagt Anke Hoeffler. Daran könne man – und auch Regierungen – erkennen, dass der tiefe Eingriff ins persönliche Leben jedes einzelnen eben doch tiefgreifende Folgen habe. Interessant seien allerdings auch nationale Unterschiede: Während der ersten Pandemiewelle im Frühjahr 2020 wurde gefragt, wie man den Impfstoff verteilen solle. Amerikaner antworteten, dass die USA bevorzugt werden sollten. Angehörige aller anderen Nationalitäten plädierten dafür, den Impfstoff gerecht zu verteilen.
Haben Bürger weltweit überhaupt dieselben Chancen, an der Umfrage teilzunehmen?
Gleich verteilt sind die Chancen, an der Umfrage teilzunehmen, natürlich nicht, räumt Anke Hoeffler ein. Bildungsbürger mit Zugang zu eigenen Rechnern werden voraussichtlich häufiger teilnehmen. „Wir wissen aber auch, womit der Fragebogen ausgefüllt wurde“, erläutert Hoeffler. Viele Menschen hätten ihn auf dem Smartphone ausgefüllt – und ein solches besäßen die meisten Menschen auch in sehr armen Regionen. „Dazu braucht man nicht einmal ständiges Vorhandensein von Elektrizität.“ Erzeugt das Missverhältnis dann aber nicht auch verzerrte Ergebnisse? „Wir können bei den Daten Gewichtungen vornehmen, damit reichere Haushalte nicht zu stark bewertet werden“, sagt Hoeffler.
Welchen konkreten Nutzen kann die Studie bringen und für wen?
Die Auswertung der Studie könne und solle der Politikberatung dienen. An der Antwort auf die Frage, wie viele Kontakte jede Person in den vergangenen 14 Tagen pflegte, könne man etwa erkennen, ob sich die Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt an die Corona-Verordnungen halten oder eben nicht, erläutert Anke Hoeffler. „Zum Beispiel wurde erkennbar, dass die Menschen nach der ersten Welle und nachdem die Zahl der Toten wieder rückläufig war, sich weniger an die Regeln hielten. Für die Regierungen wird so deutlich, dass sie nachjustieren müssen.“ Die Regeleinhaltung habe viel mit Kommunikation zu tun.
Wie soll es weitergehen?
Wie lange die Studie weiterlaufen soll, wissen auch die Forscher nicht so genau. Schließlich ist noch völlig unklar, wie lang die Pandemie die Welt noch in Atem hält. Forschungsmittel für die Studie gebe es aber lediglich noch bis Ende des Jahres 2021, sagt Hoeffler. „Corona wird aber sehr langfristige Wirkung haben“, sagt sie. Die Forscher haben noch weitere Mittel zur Verfügung, um Telefonumfragen umzusetzen in Gebieten, aus denen es bisher noch keine Daten gibt. Diese sollen in Uganda, Sierra Leone, Mozambique und Tanzania gemacht werden, Ziel ist es, 6000 Menschen zu befragen.