Georg Exner

Radolfzell – Der gelernte Schlosser und Schmied Gotthard Allweiler würde sich sicherlich wundern, wenn er heute sehen könnte, was in Radolfzell aus dem Betrieb geworden ist, den er 1860 in Singen von seinem Vater, dem Singener Dorfschmied Chrysostomus Allweiler, übernommen hatte. Damals ein Kleinbetrieb, der hauptsächlich von Aufträgen aus der Umgebung lebte, ist Allweiler heute Bestandteil des US-Konzerns Colfax Pump Group und die Aufträge kommen aus aller Welt.

Für Radolfzell war es ein ausgesprochener Glücksfall, als sich der damals 42-jährige Gotthard Allweiler 1876 entschloss, seinen Betrieb nach Radolfzell zu verlegen. Vorausgegangen waren Querelen mit dem Singener Rathaus, das dem kräftig expandierenden Betrieb nicht den notwendigen Grund und Boden für eine Erweiterung zur Verfügung stellen wollte. Als Allweiler daraufhin die Stadt Radolfzell ansprach, rannte er dort offene Türen ein. Die Stadt bemühte sich seinerzeit darum, junge und attraktive Betriebe nach Radolfzell zu holen. So erhielt Allweiler den Baugrund an der heutigen Allweilerstraße und brauchte dies nie zu bereuen. Heute ist Allweiler zusammen mit der Firma Schiesser eine der beiden größten Industriebetriebe der Stadt.

Der Start des Schlossergesellen

Betrachtet man das Portrait von Gotthard Allweiler und seine ersten Erzeugnisse, so atmet alles die Luft der Kaiserzeit. Stehkragen, Fliege und Frack gehörten im 19. Jahrhundert ebenso dazu wie Feuerlöschpumpen, die man heute nur noch in einschlägigen Museen findet. Und damit hatte Allweiler begonnen. Nach Wanderjahren als Schlossergeselle, die ihn unter anderem nach Bayreuth in eine Feuerlöschspritzenfabrik führten, die sich mit dem Bau von Wasserpumpen beschäftigte, stellte er genau diese ab 1860 in Singen her und bediente damit alle Umlandgemeinden.

Historische Postkarte aus unbekanntem Erscheinungsjahr mit dem Werksgelände der Firma Allweiler in Radolfzell. Bild: SK-Archiv
Historische Postkarte aus unbekanntem Erscheinungsjahr mit dem Werksgelände der Firma Allweiler in Radolfzell. Bild: SK-Archiv | Bild: Archiv

Doch Gotthard Allweiler war nicht nur ein perfekter Schlosser, sondern auch ein genialer Tüftler. Und so beschäftigte er sich auch mit einer Erfindung, die es bis dato noch nicht gab, der sogenannten Flügelpumpe. Diese sorgte, nachdem sie von Gotthard Allweiler funktionstüchtig vorgestellt und alsbald mit diversen Technikpreisen bedacht worden war, für einen ungeahnten Aufschwung der Firma Allweiler. Pumpen bestimmen seitdem das Leben von Allweiler, Pumpen, die heute überall auf der Welt an verschiedensten Orten eingesetzt sind.

1904 starb der Firmengründer und hinterließ ein florierendes Unternehmen. Diese Blütezeit wurde durch den Ersten Weltkrieg gebremst, auch wenn die Firma in diesen vier Jahren unter anderem Pumpen für die Schützengräben herstellte. Aus der Stagnation der Nachkriegsjahre befreite sich Allweiler, 1920 zur Aktiengesellschaft umgewandelt, nach der Währungsreform 1923. Die 1934 einsetzende Aufrüstung hinterließ ihre Spuren auch in der Radolfzeller Firma, die in den folgenden Jahren bis zum Kriegsende Pumpen für den Flugzeugbau herstellte.

Findige Mitarbeiter

1945 kam auch für Allweiler das Ende. Die Betriebsanlagen waren zum Teil kriegszerstört, die Maschinen hatten die französischen Sieger als Reparation abtransportiert. In dieser Notlage wurden die Allweiler-Beschäftigten erfindungsreich, um sich und die Firma über Wasser zu halten. Aus dem Rohmaterial, aus dem im Krieg Rüstungsgüter hergestellt worden waren und das noch übrig war, machte man nun Feuerzeuge. Pfannen und Fensterrahmen aus Guß, Dreifüße für den Schuhmacher, Spankörne und Schuheisen aus Blech. 1985, anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Firma, erinnerten sich in einem Gespräch mit dem SÜDKURIER Allweiler-Mitarbeiter mit Schaudern an diese Jahre. Sogar einen Waschraum habe es nach dem Krieg nicht mehr gegeben, berichtete damals beispielsweise Helmut Günter und fuhr fort, zum Waschen hätten die Gießereiarbeiter an den Mühlebach gehen müssen. Wenn die Arbeiter sich mit warmen Wasser waschen wollten, warfen sie glühende Eisenstücke ins Wasser und brachten dieses so auf entsprechende Temperaturen. Weil in den ersten Wintern nach Kriegsende nicht genügend Kohle vorhanden war, um in den Werkshallen die großen Öfen heizen zu können, fiel die Arbeit mehrmals für Wochen ganz aus.

Ein Allweiler-Mitarbeiter arbeitet 1986 an einer produzierten Pumpe. Bild: SK-Archiv
Ein Allweiler-Mitarbeiter arbeitet 1986 an einer produzierten Pumpe. Bild: SK-Archiv | Bild: Archiv

Doch wie in ganz Deutschland erwies sich auch bei Allweiler letztlich die Wahrheit des Wortes "Der Krieg ist der Vater aller Dinge". Man nutzte den Mangel zu einem grundlegenden Neubeginn. Die Serienfertigung des bisherigen Programms wurde einer Rationalisierung unterzogen und neue Produktlinien wurden in Angriff genommen. Neue Fabrikhallen wurden errichtet und der Maschinenpark erweitert. Immer neue Produkte kamen hinzu. 1985 hieß es in der Festschrift zum 125-jährigen Bestehen der Firma, Allweiler sei "Lieferant für praktisch alle Anwendungsbereiche, in denen Pumpen eingesetzt werden". Das hat sich auch in den 32 Jahren seitdem nicht geändert. Seit 1998 ist die Firma Allweiler mit ihrem Hauptsitz in Radolfzell Teil der Colfax Pump Group . Allweiler ist nach eigenen Angaben europäischer Markt- und Technologieführer bei diversen Pumpenarten.

Die Serie

Mit Zeitlupe überschrieben ist eine Artikelserie in loser Reihenfolge, mit der der SÜDKURIER anlässlich des 750-jährigen Bestehens der Stadt Radolfzell in diesem Jahr Personen und Ereignisse aus der lokalen Geschichte der Stadt darstellt. Den Auftakt machte die Heimatzeitung mit dem Gründer von Radolfzell, dem Stadtpatron St. Radolt. Es folgten unter anderem die heiligen "Hausherren", der Dichter Joseph Victor von Scheffel und die Firma Schiesser. In diesem Beitrag geht es um einen weiteren wichtigen Träger des örtlichen Wirtschaftslebens, die Firma Allweiler. (ex)