Ich weiß nicht, ob es Ihnen, werte Leserinnen und Leser dieses Corona-Tagebuchs, auch so geht, aber ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten verändert. Corona hat unser aller Leben so auf den Kopf gestellt. Nach der anfänglichen Verwirrung, Sorge, manchmal auch Frust wegen der ganzen Verbote, hat sich nun eine neue Normalität eingestellt. Die Mund-und Nasenbedeckung gehört nun in die Tasche wie der Hausschlüssel. Und man hat gelernt Abstand zu halten. Die vermutlich schwerste Lektion.
Zu viel Nähe fühlt sich plötzlich falsch an
Wenn ich heute Filme oder Serien schaue, die klar vor Corona gedreht wurden. Und dort Menschen, fremde Menschen, die sich laut Drehbuch nicht kennen, zu eng beieinander stehe, sich anfassen, sich die Hände geben, sich vielleicht sogar umarmen, passiert etwas in meinem Kopf.
Es fühlt sich falsch an, was da im Fernsehen gezeigt wird. Es spiegelt nicht mehr die Realität wieder. Die Zeit hat eine neue Aufteilung bekommen: vor Corona und nach Corona. Als wir liebe Freunde zur Begrüßung herzlich gedrückt haben und dann, als man zur Begrüßung nur noch aus eineinhalb Metern winken kann.
Neid auf alles, was sich berühren darf
Da wächst manchmal der Neid auf all die, die sich um solche Dinge keine Gedanken machen müssen. Tiere zum Beispiel. An einem warmen Montagabend zog es mich mit meiner Schwester und dem Familienhund Pete in ein Restaurant in der Radolfzeller Altstadt. Alle Tische waren belegt, doch ein jungen Pärchen hatte gerade gezahlt. Ganz Regelkonform musste noch alles desinfiziert werden.
Während wir als Trio so warteten, entdeckte ein kleiner grau-weißer Hund unseren ebenso kleinen Pete. Von da an gab es für die Besitzer von Tico – seinen Namen erfuhren wir kurze Zeit später – kein ruhiges Abendessen mehr. Der kleine Vierbeiner zog und zerrte an der Leine, wimmerte und bettelte, denn er wollte Pete kennen lernen. Das Herrchen hatte Erbarmen und löste die Leine und die beiden Hunde vollführten einen Begrüßungstanz, der alle Gäste der Außengastronomie in Entzückung versetzte.
Abstand halten war für die beiden kleinen Hunde kein Thema, sie durften ihre Freude übereinander voll ausleben. Ein bisschen neidisch machte die Szene schon. Nicht, dass man fremde Menschen, die gerade ihre Pizza Hawaii essen, vor Freude an sich drücken möchte.
Aber ein etwas unbekümmerterer Umgang miteinander wäre schon schön. Die spontane Hundebegegnung brauchte zumindest mal alle Anwesenden zum Lächeln. Und das geht auch mit allen Corona-Maßnahmen.
Zur Kolumne: Das Corona-Tagebuch der Redaktion Radolfzell begreift sich als hoffentlich vorübergehende Erscheinung.