Politik und Jugendliche – passt das noch zusammen? Schaut man sich die Lage im Hegau an, scheint das Interesse an politischer Arbeit bei den jungen Leuten zu schwinden: In Engen kam dieses Jahr kein Jugendgemeinderat mehr zustande. Woran liegt das? Fehlt der heutigen Generation das Interesse an der Politik? SÜDKURIER-Praktikantinnen haben sich umgehört, da in Singen die regulären Neuwahlen des Jugendkomitees bevor stehen.
Laut Julian Hobinka, Lehrer für Gemeinschaftskunde an der Schloss-Schule Gaienhofen, begeistere und interessiere Politik die Jugendlichen mehr denn je. Gerade durch soziale Netzwerke habe die Politik die Jugendlichen erreicht und sie würden zum Nachdenken angeregt, sagt er. „Die Frage, die sich jetzt stellt: Bleibt es bei den Diskussionen oder wird die Jugend aktiv?“
Er sehe die Schwierigkeit darin, es zu schaffen, dass sich junge Leute aktiv für Politik einsetzen, in Form von Jugendgemeinderäten oder Komitees. Das liegt vor allem daran, dass es uncool zu sein scheint, sich politisch zu beteiligen. Hobinka wirft auch ein, dass die Jugendlichen vielleicht gar nicht von den Chancen wissen, die ein Jugendgemeinderat oder ein Komitee bietet.
Das sagen Lehrer und Vertreter der Jugend
Alexa Stärk, ehemalige Vorsitzende des Jugendgemeinderats in Engen, sieht fehlendes Interesse und zu wenig Zeit als Grund für das fehlende Engagement. „Vor allem nach Corona wurde es immer schwerer, die Jugendlichen zu motivieren und zu begeistern“, sagt sie. Sie weiß, von was sie redet, denn der Engener Jugendgemeinderat startete ursprünglich mit 21 Mitgliedern. Zuletzt hatte das Gremium nur noch neun Vertreter, bis es schlussendlich zur Auflösung des Jugendgemeinderats kam, weil sich zu wenig beworben haben.
Julian Hobinka sieht das ähnlich: Es müsse angesehener und cooler sein, sich politisch einzubringen und mitwirken zu dürfen. „An den Schulen wird das Thema viel zu selten thematisiert“, kritisiert er. Eine Lösung wäre laut dem Lehrer zum Beispiel, mehr Werbung und Information an Schulen und Kommunikation zwischen den Jugendlichen.

„Auch die große Verantwortung kann abschreckend wirken, gerade wenn man noch nicht so viel Erfahrung hat. Doch viele Vorkenntnisse braucht es gar nicht“, so Alexa Stärk, denn das erlernte Wissen werde von Gremium zu Gremium weitergegeben.

Das bestätigt Anna Baur, jüngstes Gemeinderatsmitglied (CDU) in Singen, Mitglied des Jugendkomitees und Jugendkreisrats. Auch die 20-Jährige merkt das schwindende Engagement der Jugendlichen. Zum Beispiel: „Wenn bei den Treffen oder Veranstaltungen keiner mehr erscheint oder die Angebote nicht mehr angenommen werden“, erzählt sie.
Und was sagt die Jugend dazu?
„Das Sprachrohr, das so ein Jugendgemeinderat oder -komitee bietet, ist super wichtig, da Erwachsene oft eine andere Sichtweise auf die Dinge haben als die Jungen“, sagt Laurin Dost. Er ist 15 Jahre als und besucht das Friedrich-Hecker-Gymnasium (FHG) Radolfzell. „Aber genau deswegen ist ein Gremium, das sich ausschließlich auf die Jugendlichen fokussiert, so gut“, erklärt er.
Dem stimmt auch die 16-jährige, aus Gottmadingen kommende Schülerin Ksenia Glock zu: „Ich finde es wichtig, dass Jugendlichen in den Gemeinden durch Jugendräte eine Stimme gegeben wird. Denn das Gefühl, gehört zu werden, ist für unsere Generation bedeutend.“ Ksenia besucht die zehnte Klasse am Friedrich-Wöhler-Gymnasium in Singen.
Laut dem aus Stahringen kommenden, 15-jährigen Schüler Mio Trommsdorff sei die Jugendarbeit aber noch nicht präsent genug. Er besucht die neunte Klasse des FHG in Radolfzell. „Man erfährt nur wenig über die Erfolge des Jugendkomitees und die Arbeit, die dahinter steckt“, bemängelt er.
Musik- und Sportverein stehen im Fokus
Alle befragten Jugendlichen bedauern, dass andere Dinge wie der Musik- oder Sportverein wichtiger seien und das politische Interesse in den Hintergrund drängen würden. Dabei sei eine Kandidatur für zwei Jahre Jugendkomitee nicht nur die kleinste Eintrittsschwelle in die Politik. Damit könne man auch grundlegende Erfahrungen für das Leben gewinnen, wie Kommunikation und was es bedeutet Verantwortung zu übernehmen.
Alle sind sich einig, dass ein Gremium, das die Jugend vertritt, essenziell sei für Singen und den Hegau. „Die Jugend ist unsere Zukunft“, lautet der Tenor.

Wer sich politisch in Singen engagieren möchte, hat noch bis Mittwoch, 14. Mai, sich für das Jugendkomitee zu bewerben unter: https://singen.jugendkomiteewahl.de/bewerbung
Amélie Mathieu und Helen Schmidt haben im Rahmen eines Bogy-Praktikums die Arbeit der Singener Lokalredaktion des SÜDKURIER kennengelernt.