Ein leeres Nest, daneben vier zerplatzte Eier und etwas weiter ein aggressiv fauchendes Schwanenpaar: Es war ein Anblick, der sie „sehr erschüttert hat“, schreibt Delia Kuhnert in einer Email, die an die Stadtverwaltung Radolfzell, die Fraktionen des Gemeinderats, Naturschutzverbände und den SÜDKURIER ging. Der traurige Anblick habe sich ihr Mitte April bei einem Spaziergang hinter dem Konzertsegel am Seeufer geboten, schreibt sie.

Die kaputten Eier seien rund um eine Himmelsliege verteilt gewesen. „Eiweiß und Eigelb waren nur leicht angetrocknet, weshalb das Geschehen noch nicht allzu lange her sein konnte“, so Kuhnert. Ein Stück weiter habe sie das leere Schwanennest entdeckt. Das Schwanenpaar habe sich auf dem schmalen Weg Richtung Hafeneinfahrt befunden und Passanten angefaucht.
Mensch oder Tier – wer ist der Übeltäter?
Delia Kuhnert ist sich sicher, dass Menschen das Nest zerstört haben. Die Größe der Eier, die Entfernung zum Nest und die Wehrhaftigkeit von Schwänen in der Brutzeit würden gegen andere Tiere als Täter sprechen, vermutet sie. Es ist für sie nicht das erste Mal, dass sie so etwas erlebt. Bereit vor einigen Jahren habe sie ein Nest mit acht zerstörten Eiern entdeckt. Auch deshalb habe sie sich entschlossen, Stadtverwaltung und Naturschutzverbände mit ihrer Mail auf den Vorfall aufmerksam zu machen. Doch was können die tun?

Die Nabu-Ortsgruppe Radolfzell-Hegau teilt auf SÜDKURIER-Nachfrage mit, sie bedauere die Zerstörung des Geleges sehr. Ob es wirklich ein Mensch war, sei jedoch unklar. „Neben Vandalismus gibt es auch natürliche Ursachen für den Verlust eines Geleges. Verschiedene Säugetiere und Vögel verzehren Eier aus unbewachten Gelegen. Das ist nicht ungewöhnlich und kommt in der Natur häufiger vor“, so der Nabu.
Auch Wetterereignisse wie Sturm und Flut könnten ein Gelege zerstören. Ein besonderes Problem sei in diesem Jahr das Niedrigwasser, weil dadurch Nester leichter zu erreichen sind. „Die meisten Tiere schützen ihr Nest davor, können damit aber nicht umziehen“, erklären die Naturschützer.
Stadt: Vorfall ist kein Einzelfall und bereits angezeigt
Die Stadtverwaltung bestätigt auf Nachfrage zudem, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt. „Dass Schwanennester zerstört oder Gelege verlassen werden, kommt leider immer wieder vor“, so Pressesprecherin Annabell Hauck. Ein Eingreifen sei oft nicht mehr möglich, Verstöße würden aber angezeigt. Auch den jüngsten Fall habe die Stadt der Abteilung Gewerbe und Umwelt der Polizei und dem Landratsamt gemeldet. Seither gebe es Ermittlungen, in die die Stadt keine Einsicht habe.
Das sagt die Polizei zu den Ermittlungen
Katrin Rosenthal, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Konstanz, berichtet auf Nachfrage, die Polizei konnte anhand der Bilder, die Delia Kuhnert am 11. April um 16.40 Uhr von dem Nest gemacht hat, einen Tatzeitraum in den Stunden davor ermitteln, da das Eigelb noch nicht ganz getrocknet war. Einen Täter habe die Polizei jedoch nicht herausfinden können.
Allerdings sei ein weiterer Vorfall, der sich am Morgen des 11. April in der Nähe eines Bootsverleihs in der Karl-Wolff-Straße ereignet hat, angezeigt worden. Dort habe ein junger Mann mehrere Briefreste angezündet und diese dann auf ein Schwanennest gelegt. Das Feuer sei schnell von selbst wieder ausgegangen. Weder an Nest noch Eiern sei ein Schaden entstanden, so Rosenthal.
Den Täter konnte die Polizei in diesem Fall laut Rosenthal ermitteln, da sich auf den Briefresten dessen Daten befunden hätten. Er wird nun wegen eines Verstoßes gegen Paragraf 44 des Bundesnaturschutzgesetzes angezeigt, der Fall werde als Ordnungswidrigkeit von der Stadt Radolfzell behandelt. Ob der Mann auch für den Schaden am Nest beim Konzertsegel verantwortlich ist, wisse die Polizei jedoch nicht.
Kuhnert fordert mehr Engagement der Stadt
Delia Kuhnert sagt, sie habe sich von der Anzeige in ihrem Fall ohnehin nur wenig Erfolg erhofft. „Ich frage mich jedoch, was die Stadt unternimmt, um solchen Ereignissen präventiv zu begegnen“, klagt sie. Sie frage sich, warum solche Nester in der Brutzeit nicht besser geschützt sind. Denn auch die Schwanennester am Rand des Hafenbeckens und direkt an der Mole seien für Menschen und Hunde ungeschützt zugänglich.
Die hoffe, die Stadt tue mehr. Immerhin bewerbe diese sich selbst als „heimliche Öko-Hauptstadt“ und viele Besucher kämen wegen des Bodensees her.
Was machen Stadt und Umweltverbände?
Annabell Hauck teilt mit, dass die Verwaltung im Hinblick auf steigende Wasserstände nichts tun könne. Auch auf die Wahl des Neststandorts habe die Stadt keinen Einfluss. „Nestumsiedlungen bedeuten für die Vögel sehr viel Stress, oft wird die Brut dann aufgegeben. Daher werden keine Nestumsiedlungen durchgeführt“, erklärt die Sprecherin.
Untätig sei die Stadt jedoch nicht: Bekannte Schwanennester am Radolfzeller Ufer stecke die Verwaltung mit einem Weidezaun ab und platziere ein Hinweisschild. „Damit versuchen wir an die Vernunft der Bevölkerung zu appellieren, leider jedoch nicht immer mit Erfolg“, berichtet Hauck.
Nabu warnt vor Folgen
Der Nabu wiederum erklärt, er setze sich für Ausweisung von Naturschutzgebieten ein, um Wasservögel zu schützen. Denn auch wenn Höckerschwäne in ihrem Bestand zwar nicht gefährdet und damit nicht besonders geschützt sind, ruft der Verband dringend dazu auf, sich allen Lebewesen gegenüber respektvoll zu verhalten.