Frau Meßmer, mit etwas Abstand, was genau hat Sie am Aprilscherz der Garde gestört?

Anne Meßmer: Es war hauptsächlich die große Enttäuschung. Ich hatte beim Instagram-Post der Garde mit der weiblichen Gardistin gar nicht realisiert, dass es der 1. April war. Ich habe mich ehrlich über diese Nachricht gefreut. Als mir klar wurde, dass es nur ein Scherz war, hab ich mich erst über mich selbst geärgert. Aber dann war ich enttäuscht. Nicht, weil ich selbst irgendwie Ambitionen hätte. Gekrönt wurde das alles mit dem Gefühl, dass sich gerade brutal über uns lustig gemacht wurde. Die Auflösung des Scherzes war der nächste Tiefschlag, weil die Idee, Frauen aufzunehmen, als lächerliche Schnapsidee deklariert wurde. Das fand ich so daneben.

Wie fanden Sie den Aprilscherz, Herr Schäuble?

Martin Schäuble: Wie es zu diesem Aprilscherz kam, ist mir noch nicht ganz klar. Die Frage ist jetzt, wie tief die Bedeutung sein soll. War es wirklich nur ein Scherz, bei dem man andere an der Nase herumführt, dann war es aus meiner Sicht ein schlecht gemachter Scherz. Oder wollte man damit wirklich auf ein Thema aufmerksam machen und das sollte nur der Stein des Anstoßes sein. Das Thema Frauen in der Narrizella gab es schon immer.

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Wie sehen Sie als Präsident die Rolle der Frauen bei der Narrizella?

Schäuble: Ich finde, die Frauen sind bei uns in der Zunft durchaus auf dem Vormarsch. Und das meine ich in keinster Weise negativ. Wir haben seit einigen Jahren die Ellipse, den Jugendnarrenrat, dieser besteht fast zur Hälfte aus jungen Frauen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese, wenn sie dann mit Ende 20 Jahren zu alt für das Jugendgremium werden, einfach so zurück in ihre Abteilungen gehen. Ihr Ziel könnte sein, weiterhin Verantwortung zu übernehmen und auch in den Narrenrat zu wollen. Und auch in anderen Bereichen haben Frauen das Heft in der Hand. Zum Beispiel beim Kappedeschle-Team, das zum Großteil aus Frauen besteht. Oder der 11.11, die Idee der Weibsbilder kam auch von innen und hat sich etabliert.

Es ist vielleicht nicht ganz so offensichtlich, aber in den Jahren hat sich sehr viel getan. Vor dem Hintergrund fand ich den Aprilscherz etwas kontraproduktiv. Denn man kann nicht nur einzelne Teile für mehr Gleichberechtigung öffnen und andere nicht. Und die Frage ist jetzt, wie gehen wir mit diesem Thema um.

Meßmer: Bleiben wir doch mal beim Beispiel der Garde, gibt es eine Satzung, die Frauen verbietet, Mitglied zu werden?

Schäuble: Nein. Grundsätzlich schreibt die Satzung des Vereins keine Geschlechtertrennung vor. Das wäre gar nicht legal.

Meßmer: Das wusste ich gar nicht. Und trauen sich Frauen? Oder wie läuft das dann ab?

Schäuble: Du musst dich bei der Garde bewerben und du musst aufgenommen werden.

Und gab es schon mal weibliche Bewerbungen bei der Garde?

Schäuble: Meines Wissens nicht. Und auch nicht bei den Holzhauern.

Meßmer: Ich bin davon ausgegangen, es gibt Regelungen für Männerabteilungen und für gemischte Abteilungen.

Schäuble: Man hatte aber auch nicht das Gefühl, dass es da an der Stelle Druck gibt, dass sich plötzlich mehrere Frauen bei den Holzhauern und bei der Garde beworben hätten.

Meßmer: Weil man aber auch den Eindruck hatte, man könnte gar nicht.

Die Gardisten der Narrizella Ratoldi haben zwar ein Herz für Frauen, aber noch haben sie keine in ihren eigenen Reihen.
Die Gardisten der Narrizella Ratoldi haben zwar ein Herz für Frauen, aber noch haben sie keine in ihren eigenen Reihen. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Schäuble: Die Frage ist aus meiner Sicht dann aber auch, welche Traditionen gibt man auf. Nehmen wir zum Beispiel den Narrenspiegel, an den Szenen schreiben Frauen mit. Aber ist es noch der Narrenspiegel, wenn Männer und Frauen auf der Bühne stehen oder ist das dann nur noch ein Theaterstück? Das sind Diskussionen, die man in dem Zusammenhang führen muss.

Meßmer: Mein Gefühl ist, dass Frauen viel im Hintergrund machen. Das ist bei vielen Vereinen so. Frauen helfen mit, oft sind sie nicht einmal Mitglied. Aber dann sind sie nicht im Vorstand, also hier im Narrenrat, vertreten. Ich finde, da hat man als Verein auch eine Vorbildfunktion in die Gesellschaft hinein, da auch Teilhabe zu zeigen.

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Schäuble: Frauen müssen das aber auch wollen. Ich sehe da keine Frauenquote.

Meßmer: Da sind wir uns einig. Es geht nicht darum, eine Quote zu erfüllen.

Schäuble: Grundsätzlich sind unsere Abteilungen da sehr eigenständig und können selbst entscheiden, wen sie aufnehmen. Das ist auch gut so. Wir vom Narrenrat mischen uns nur in Extremfällen ein. Durch die Funktion in den Abteilungen gibt es aber schon jetzt weibliche Mitglieder im Narrenrat – die Hanselemodder, die Klepperle-Chefinnen und die Ellipse. Ich habe nicht das Gefühl, wir schotten uns da ab.

Meßmer: Wenn eine Frau jetzt in einer der reinen Männergruppen abgelehnt werden sollte, wäre das für dich so ein Extremfall, dass du eingreifst?

Schäuble: Wenn ich bei solch einer Entscheidung dazugeholt werde würde, weil jemand das Gefühl hat, abgelehnt worden zu sein, weil sie eine Frau ist, dann ja, dann würde ich mir die Sache mal anschauen.

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Frauen, die jetzt entscheiden, dass sie Holzhauerin werden wollen, müssen aber auch sicher einiges einstecken können.

Schäuble: Das wird sicher kein Zuckerschlecken, egal in welche der Abteilungen man als erste Frau möchte. Doch glaube ich, dass es auch eine Generationenfrage ist. Sicher gibt es in allen Gruppen Männer, die das konsequent ablehnen und das auch so äußern. Das Thema wird durchaus kontrovers diskutiert. Deswegen will sowas auch gut vorbereitet sein. Wir als Narrenrat sollten das auch frühzeitig wissen, dann kann man darauf auch noch Einfluss nehmen. Denn wenn jeder jetzt anfängt, im Namen der Narrizella seine Meinung in den Medien zu äußern, dann haben wir ein Problem.

Meßmer: Ich möchte an dem Punkt auch kurz auf den Leserbrief von Josh Frengele kommen. Er meinte, Männer wollen auch mal unter sich sein. Und das kann ich total verstehen und finde es ein nachvollziehbares Argument. Dafür gibt es aber doch die beiden Frühschoppen, bei denen Männer und Frauen getrennt feiern. Ob man diese Aufteilung dann aber bei der Fasnacht weiterhin so streng halten muss, das wage ich zu bezweifeln.

Die Holzhauer in ihrer natürlichen Umgebung, dem Altbohlwald. Die rein männliche Abteilung der Narrizella holt jedes Jahr den Narrenbaum.
Die Holzhauer in ihrer natürlichen Umgebung, dem Altbohlwald. Die rein männliche Abteilung der Narrizella holt jedes Jahr den Narrenbaum. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Was für Reaktionen haben Sie denn auf Ihren Brief und die Antwort von Josh Frengele bekommen?

Meßmer: Auf meinen Brief kam erst einmal nicht so viel. Aber nachdem der zweite Leserbrief veröffentlicht war, habe ich sehr viel Unterstützung erfahren. Klar, hauptsächlich von Frauen, aber auch über Dritte von Männern. Und es wurde mir mitgeteilt, dass es Thema war und beim Familienfest oder in der Musikprobe darüber gesprochen wurde. Und mir wurde auch geschrieben, dass gar nicht alle Holzhauer sofort austreten würden, wenn Frauen mitmachen würden, so wie in dem Schreiben von Josh Frengele behauptet. Einige haben geschrieben, dass genau diese strenge Geschlechtertrennung ihnen den Spaß an der Fasnacht verdirbt. Viele wünschen sich mehr Gleichberechtigung.

Schäuble: Das Thema Gleichberechtigung ist für mich kein Thema, weil ich der Meinung bin, sie hat längst stattgefunden. Ich sehe die Narrizella nicht als patriarchalen Verein, mich selbst schon gar nicht in dieser Rolle. Ich habe in anderen Vereinen gelernt, dass der, der besser ist, zum Beispiel das Solo spielen darf – egal ob es ein Mann oder eine Frau ist.

Meßmer: Für dich ist es vielleicht kein Thema, aber in der Gesellschaft eben schon. Und was Außenstehende von der Narrizella denken, kommt auch davon, was sie während der Fasnacht sehen. Und das sind ein Haufen Gruppen, in denen nur Männer sind.

Schäuble: Ja, vielleicht. Das mag schon sein. Aber ich weiß nicht, ob es die Attraktivität erhöht, wenn wir jede Tradition über Bord werfen und sagen, überall ist jetzt Parität.

Unter diesen Masken stecken vermutlich zwei Frauen. Die Hanselegruppe ist nicht nur die größte Abteilung der Narrizella, sie ist auch ...
Unter diesen Masken stecken vermutlich zwei Frauen. Die Hanselegruppe ist nicht nur die größte Abteilung der Narrizella, sie ist auch die, in der Frauen mitmachen können. Dies ist nur noch bei den Klepperle und dem Fanfarenzug möglich. | Bild: Jarausch, Gerald

Meßmer: Vielleicht würde das die Attraktivität erhöhen?

Schäuble: Fakt ist aber, wir haben in keiner Gruppe Nachwuchsprobleme. Alle Gruppen haben teilweise auch Aufnahmestopp. Das spricht sehr für eine attraktive Fasnacht.

Meßmer: Natürlich ist die Radolfzeller Fasnacht attraktiv. Mein Punkt ist aber, sie wäre kein bisschen weniger attraktiv, wenn man sie weiter für Frauen öffnen würde.

Schäuble: Das entscheide aber nicht ich. Ich kann niemandem einfach Frauen in der Gruppe aufdrängen. Das müssen diese selbst entscheiden und es muss aus der Gruppe heraus entwickelt werden.

Meßmer: Das verstehe ich. Es ist ein demokratischer Prozess und natürlich müssen alle daran beteiligt sein. Es ist aber ein Unterschied, ob man passiv bleibt und zufrieden ist, wenn keine kommt, dann muss man auch nichts ändern. Oder ob man aktiv Werbung dafür macht, sich dazu bekennt und diese Entwicklung unterstützt.

Schäuble: Ich halte dies für den falschen Weg. Ich halte es für besser, die Akzeptanz über das Engagement der Frauen herzustellen. Frauen müssen sich selbst durchsetzen.

Wäre es aber nicht denkbar, dass der Narrenrat in seiner Vorbildfunktion eine Frau aufnimmt?

Schäuble: Na klar, das wird auch irgendwann so kommen. Das ist für uns kein Angstgespenst. Aber es muss passen. Genauso sehe ich aber auch eine Gardistin oder Holzhauerin oder Narrenmusikerin als Vorbild. Meine Intention ist es, die Vereinsmitglieder mitzunehmen und den Weg zu bereiten.