Bei Wind und Wetter draußen sein und die Natur erleben, jeden Baum, Blümchen und Käfer beim Namen kennen: Für die etwas über 40 Kinder des Waldkindergartens Villingen ist dies Alltag – und ein großes Stück Lebensqualität. Und weil die Naturverbundenheit nicht mit der Schulpflicht enden soll, hat sich eine Gruppe aus Waldkindergarteneltern und Interessierten zusammengefunden, die eine Naturschule in Villingen gründen wollen.

Waldeltern wollen Schule gründen

Seit etwa einem Jahr bereits treffen sich die Initiatoren regelmäßig. Jetzt sind sie den – logischen – nächsten Schritt gegangen und haben den Verein Naturschule Schwarzwald-Baar gegründet. „Als Waldeltern haben wir erfahren, wie unglaublich bereichernd der Waldkindergarten ist, die Naturnähe und das kindgerechte Lernen an der frischen Luft“, sagt Nina Wesely. Sie hat Lehramt studiert und sich viel mit dem Thema des selbstbestimmten Lernens beschäftigt. Mit dem Eintritt ihrer Tochter in den Waldkindergarten sei in ihr der Gedanke gereift, selbst eine naturnahe Schule zu gründen.

Klassenzimmer in der Natur

„Unser großer Vorteil ist, dass der Waldkindergarten seit 25 Jahren in Villingen etabliert ist. An diese Tradition wollen wir andocken und den Eltern eine Perspektive geben, wie es weitergehen soll nach dem Waldkindergarten“, sagt Mitinitiator Andreas Banescu. Die Kernidee dabei ist, dass die Kinder so gut es eben geht in der Natur lernen.

Spielen und Lernen in der freien Natur – für die Kinder des Waldkindergartens ist das selbstverständlich. Das Konzept soll nun mit einer ...
Spielen und Lernen in der freien Natur – für die Kinder des Waldkindergartens ist das selbstverständlich. Das Konzept soll nun mit einer Naturschule fortgesetzt werden. Unser Bild ist beim Jubiläumsfest des Kindergartens im Mai 2023 entstanden. | Bild: Vivian Schneider

Unterricht nach Bildungsplan

„Wir werden die Inhalte des Bildungsplans genau wie jede private oder staatliche Schule behandeln, nur in einem anderen Setting“, sagt Wesely. Themen, die mit der Natur zusammenhängen, werden dabei direkt in der Natur behandelt. Lesen, Schreiben, Rechnen und andere Inhalte des Bildungsplans sollen die Grundschulkinder am Ende der vierten Klasse ebenso beherrschen können wie an einer staatlichen Schule.

Lernen aus eigenem Antrieb

„Die Kinder werden in der Naturschule nicht weniger lernen. Meiner Meinung nach sogar mehr“, sagt Wesely. Gelernt werden soll intrinsisch, aus eigenem Antrieb. „Man holt die Kinder da ab, wo sie gerade sind und wo ihrer Interessen stehen“, sagt Anima Wahl, eine weitere Initiatorin, die im Villinger Waldkindergarten als Erziehern arbeitet.

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Noch viele offene Fragen

Auch wenn die Grundidee steht: Viele Fragen sind dabei noch offen, etwa wo die Schule beheimatet sein soll, wie viele Schüler aufgenommen werden können oder wie hoch das Schulgeld sein wird. „Das sind Detailfragen, die wir später klären“, so Wesely.

Dass die Gründer um Wesely sich jedoch wünschen, die Schule in Villingen anzusiedeln, ist ein offenes Geheimnis: „Da die Idee aus dem Waldkindergarten Villingen kommt und auch Eltern aus dem Waldkindergarten Königsfeld an der Gründung mitwirken, würden wir uns den Raum Villingen als Standort wünschen“, so Wesely.

Spenden willkommen

Dabei wird auch ein Schulgebäude benötigt, schließlich müssen die Schüler – vor allem im Winter – die Möglichkeit haben, im Warmen beispielsweise ihre Schreibübungen zu machen, sagt Banescu. „Wir haben berücksichtigt, dass wir im Schwarzwald leben.“

Mit dem Schritt der Vereinsgründung können nun weitere Punkte angegangen werden, vor allem die finanziellen. „Jetzt geht es darum, Spenden zu sammeln und dass wir Vereinsmitglieder bekommen, die uns helfen beim Aufbau dieser Naturschule“, sagt Banescu.

Experten erstellen das Konzept

Hilfe holen sich die Gründer auch bei Experten, welche bereits Erfahrungen gesammelt haben mit der Gründung von Freien Schulen. Die Erziehungswissenschaftler und Pädagogen stehen ihnen mit Tipps zur Seite und helfen bei der Erstellung des Schulkonzepts.

Freie Schule in Brigach

„Die Nachfrage bei Eltern und Schülern ist extrem groß“, sagt indes Andreas Knecht. Er ist Schulleiter und Lernbegleiter an der Freien Schule im St. Georgener Stadtteil Brigach. Er bekommt nach eigener Aussage täglich ein bis drei Anrufe von Eltern, die sich für die Schule interessieren.

Die Schule feiert im nächsten Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. Auch hier ging die Initiative von Eltern des Waldkindergartens, in dem Fall in Furtwangen, aus. Gestartet war die Schule damals mit 17 Kindern. Heute sind es 41 Schüler der Klassenstufen eins bis zehn. „Das soll auch so bleiben“, sagt Knecht. „Wir wollen klein und familiär bleiben.“

Andreas Knecht ist Schulleiter und Lernbegleiter an der Freien Schule Brigach. Er kann sich vor Anfragen kaum retten.
Andreas Knecht ist Schulleiter und Lernbegleiter an der Freien Schule Brigach. Er kann sich vor Anfragen kaum retten. | Bild: Daniela Dold

Volksschule wird zur Freien Schule

180 Euro kostet die Schule die Eltern im Schnitt. Denn als Privatschule wird nur ein Teil der Kosten von staatlicher Seite übernommen. Den restlichen Betrag müssen die Schulen über Spenden und ein Schulgeld erwirtschaften. „Das Schulgeld richtet sich danach, was die Eltern leisten können“, erklärt Knecht, der auch im Vorstand des Trägervereins der Schule sitzt.

Glück hatten die Initiatoren der Freie Schule Brigach damals mit dem Schulgebäude: Für einen Symbolbetrag konnten sie das ehemalige Volkshochschulgebäude in Brigach erwerben – unter der Voraussetzung, dass dort eine Schule angesiedelt wird.

Vertrauen ins Kind

Und wie sieht der Alltag an der Freien Schule aus? Die Lernbegleiter, wie die Lehrer an der Freien Schule genannt werden, geben Impulse. Was und wann die Kinder lernen, dürfen sie selbst bestimmen. „Die Schüler haben viel Mitbestimmungsrecht“, sagt Knecht. Den Eltern sollte indes bewusst sein, dass es in der Schule keine Noten gebe und die Kinder selbstbestimmt lernen. „Das bedeutet viel Vertrauen in das Kind, dass es das kann“, sagt Knecht.

Am Ende der zehnten Klassen können die Kinder dann an einer staatlichen Schule die Werkrealschulprüfung ablegen und auf ein Gymnasium wechseln oder eine Ausbildung beginnen.

Umzug für den Schulplatz

„Man merkt an der Zahl der Anfragen, dass die Regelschule für viele mittlerweile nicht mehr passt“, sagt Knecht. Es seien schon Familien aus Stuttgart, Karlsruhe oder Göppingen nach St. Georgen gezogen, damit ihr Kinder die Schule in Brigach besuchen könnten. „Weil die Nachfrage so groß ist und wir uns nicht erweitern wollen, würden wir uns freuen, wenn in der Nähe eine weitere Freie Schule entsteht“, so Knecht.

Zeitplan in Villingen

Die Naturschule in Villingen soll bis 2027 stehen, so der Zeitplan. „Allerdings sind wir schon ein halbes Jahr hinterm Plan“, sagt Banescu. Schließlich arbeiten alle Initiatoren ehrenamtlich. „Und eine Schulgründung braucht Zeit“, ergänzt Wesely.